Zweite Szene

[251] Eine Heerstraße bei Coventry.


Falstaff und Bardolph kommen.


FALSTAFF. Bardolph, mach' dich voraus nach Coventry, fülle mir eine Flasche mit Sekt! Unsre Soldaten sollen durchmarschieren, wir wollen heute abend nach Sutton-Colfield.

BARDOLPH. Wollt Ihr mir Geld geben, Kapitän?

FALSTAFF. Leg' aus, leg' aus!

BARDOLPH. Diese Flasche macht einen Engel.

FALSTAFF. Nun, wenn sie das tut, nimm ihn für deine Mühe; und wenn sie zwanzig macht, nimm sie alle, ich stehe für das Gepräge. Sage meinem Lieutenant Peto, er soll mich am Ende der Stadt treffen!

BARDOLPH. Das will ich, Kapitän; lebt wohl! Ab.

FALSTAFF. Wenn ich mich nicht meiner Soldaten schäme, so bin ich ein Stockfisch. Ich habe den königlichen Aushebungsbefehl schändlich gemißbraucht. Anstatt hundertundfunfzig Soldaten habe ich dreihundert und etliche Pfund zusammengebracht. Ich hebe keine aus, als gute Landwirte, Pächterssöhne, erfrage mir versprochne Junggesellen, die schon zweimal aufgeboten sind; solche Ware von Ofenhockern, die eben so gern den Teufel hören, als eine Trommel; die den Knall einer Büchse ärger fürchten, als ein einmal getroffnes Feldhuhn oder eine angeschossene wilde Ente. Ich hob keine aus, als solche Butterbemmen, mit Herzen im Leibe, nicht dicker als Stecknadelköpfe: die haben sich vom Dienste losgekauft, und nun besteht meine ganze Truppe[251] aus Fähndrichen, Korporalen, Lieutenants, Dienstgefreiten, Kerlen, die so zerlumpt sind, wie Lazarus auf gemalten Tapeten, wo die Hunde des reichen Mannes ihm die Schwären lecken, und die in ihrem Leben nicht Soldaten gewesen sind, sondern abgedankte, nichtsnutzige Bedienten, jüngere Söhne von jüngeren Brüdern, rebellische Küfer und bankerotte Schenkwirte: das Ungeziefer einer ruhigen Welt und eines langen Friedens, zehnmal schmählicher zerlumpt als eine alte geflickte Standarte. Und solche Kerle hab' ich nun an der Stelle derer, die sich vom Dienste losgekauft haben, daß man denken sollte, ich hätte hundertundfunfzig abgelumpte verlorne Söhne, die eben vom Schweinehüten und Trebernfressen kämen. Ein toller Kerl begegnete mir unterwegs und sagte mir, ich hätte alle Galgen abgeladen und die toten Leichname geworben. Kein menschlich Auge hat solche Vogelscheuchen gesehn. Ich will nicht mit ihnen durch Coventry marschieren, das ist klar, – je, und die Schurken marschieren auch so mit gesperrten Beinen, als wenn sie Fußeisen anhätten; denn freilich kriegt' ich die meisten darunter aus dem Gefängnis. Nur anderthalb Hemden gibt es in meiner ganzen Kompagnie; und das halbe besteht aus zwei zusammengenähten Servietten, die über die Schultern geworfen sind, wie ein Heroldsmantel ohne Ärmel; und das Hemde ist, die Wahrheit zu sagen, dem Wirte zu St. Albans gestohlen, oder dem rotnasigen Bierschenken zu Daintry. Doch das macht nichts; Linnen werden sie genug auf allen Zäunen finden.


Prinz Heinrich und Westmoreland treten auf.


PRINZ HEINRICH. Wie geht's, dicker Hans? wie geht's, Wulst?

FALSTAFF. Sieh da, Heinz? Wie geht's, du toller Junge? Was Teufel machst du hier in Warwickshire? – Mein bester Lord Westmoreland, ich bitte um Verzeihung! Ich glaubte, Euer Gnaden wären schon zu Shrewsbury.

WESTMORELAND. Wahrlich, Sir John, 's ist höchste Zeit, daß ich da wäre, und Ihr auch; aber meine Truppen sind schon dort. Der König, das kann ich Euch sagen, sieht nach uns allen aus; wir müssen die ganze Nacht durchmarschieren.[252]

FALSTAFF. Pah! Seid um mich nicht bange: ich stehe auf dem Sprunge, wie eine Katze, wo es Rahm zu mausen gibt.

PRINZ HEINRICH. Freilich wohl, Rahm zu mausen; denn vor lauter Stehlen bist du schon ganz zu Butter geworden. Aber sage mir, Hans, wessen Leute sind das, die hinter uns drein kommen?

FALSTAFF. Meine, Heinz, meine.

PRINZ HEINRICH. Zeitlebens sah ich keine so erbärmlichen Schufte.

FALSTAFF. Pah! pah! Gut genug zum Aufspießen; Futter für Pulver, Futter für Pulver; sie füllen eine Grube so gut wie bessere; hm, Freund! sterbliche Menschen! sterbliche Menschen!

WESTMORELAND. Aber mich dünkt doch, Sir John, sie sind ungemein armselig und ausgehungert, gar zu bettelhaft.

FALSTAFF. Mein' Treu',was ihre Armut betrifft, ich weiß nicht, woher sie die haben; und das Hungern, – ich bin gewiß, das haben sie nicht von mir gelernt.

PRINZ HEINRICH. Nein, das will ich beschwören; man müßte denn drei Finger dick auf den Rippen ausgehungert nennen. Aber beim Wetter, eilt Euch: Percy ist schon im Felde.

FALSTAFF. Wie? Steht der König im Lager?

WESTMORELAND. Ja wohl, Sir John; ich fürchte, wir halten uns zu lange auf.

FALSTAFF.

Gut!

Beim Gefecht gegen 's Ende, und zum Anfang beim Feste,

Ziemt träge Streiter und hungrige Gäste.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 251-253.
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