An Pomerania

[73] Wie wird mir seyn, o Pomerania!

Wenn ich in deinen stillen Gründen

Mich selig werde wiederfinden?

Wie wird in himmlischem Gefühl

Der höchsten Wonne Thräne fließen,

Wie wird mein goldnes Saitenspiel

Die väterlichen Fluren jauchzend grüßen!


Schon seh' ich mich in fernen Hallen ruht

Ich walle an der blauen Hylde

Durch reiche, liebliche Gefilde;

Ich liege schon im Abendstral'

Mit meiner Minna dort im Grünen,

Und pflücke mir in Jasmunds Thal

Vergißmeinnicht von grauen Burgruinen!


Da wird mich lieber, edler Freunde Arm

Mit Sehnsucht, Liebe und Verlangen,

Mit holder Zärtlichkeit umfangen![74]

In lang' entbehrter süßer Lust,

Werd' ich in göttlichem Vergnügen

An meiner Lina treuen Brust

Mit nassem wonnetrunknem Blicke liegen.


Mich treibt mein Herz nach Rügens Eiland hin;

Ich eile auf der Ostsee Spiegel

An meines Vaters Aschenhügel,

Und pflanze Rosen auf sein Grab. – –

Da will ich Veilchen, Hyazinthen,

Und was der Lenz mir schönes gab,

Mit feuchtem Aug' um seine Urne winden.


Ich werde in der Abendröthe Gluth

Von nie besiegter Veste Höhen

Die bunten Flaggen wallen sehen;

Erweitert wird mein Blick; es schlägt

Mein Herz mit jedem Pulse höher,

Des offnen Meeres Anblick trägt

Mich hoch empor, bringt mich der Gottheit näher.
[75]

O Heil mir dann, seh' ich mein Vaterland

Nach so viel Trauerjahren wieder!

Dann sink' ich tief anbetend nieder,

Und weihe dem mein Erstgefühl,

Der mich erhielt in Labyrinthen,

Um einst an meiner Tage Ziel

Dort Ruhe und ein stilles Grab zu finden!

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 73-76.
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