Letzter Auftrag an meine Freunde

[174] Wenn ich dereinst den langen Schlummer schlafe,

Dann pflanzt auf meines Hügels grüne Decke

Nur keine Staude dunklen Rosmarins!

Nie müssen klagende Zypressenzweige

Sich über meiner stillen Gruft erheben,

Nie müsse dort der Wehmuth banger Schmerz

Durch laue Sommerabendlüfte wallen,

Und Thränen auf die kalte Urne weinen.

Kein banger Seufzer steig' um mich empor,

Sich mischend in der duft'gen Linde Säuseln,

Die über meinem öden Hügel grünt.

O nimmer, nimmer müsse Schmerz um mich

Euch, meine Lieben, eure Wangen bleichen,

Und eine eurer Lebensstunden trüben.

Verhüllt euch nicht in Krep und Trauerflor,

Um die verlohrne Freundin zu betrauern.

Wollt ihr einst meinen Manen Opfer weihen,

Wenn ihr zu meinem stillen Hügel wallt:[175]

Dann müsse nur die Freudenthräne fließen;

Sie rinne leis' und sanft von Eurer Wange

Auf den gewölbten kleinen Hügel hin.

Sie tränke mild die blassen Grabesrosen,

Gepflanzt von eines edlen Freundes Hand.

Wollt Ihr die Wünsche eurer Freundin ehren;

So pflanzt Vergißmeinnicht auf meinen Hügel,

Und windet sie zum kleinen blauen Kranz, –

Der Treue Bild – um meine kalte Urne,

Auch setzt auf des gewölbten Hügels Spitze

Ein schwarzes Kreuz mit diesen Worten hin:

»In diesem stillen Grabe fand Elise

Der vielen Erdenwünsche höchstes Ziel!«

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813.
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