Bilder der Wehmuth

[103] In der Wehmuth süssem Schmerz

Wall' ich hier alleine;

Leise Ahnung hebt mein Herz

In der Dämm'rung Scheine,

Wie die Nacht, so traut und schön,

Ueber Meeres Wogen,

Unterm Nachtigallgetön

Kommt daher geflogen!


Ernst und düster weih't sie mich

Ein zu stiller Trauer,

Meine Blicke wölken sich,

Und ein leiser Schauer

Weht mich an und presst mein Herz,

Meine Schritte wanken;

Von der Erde himmelwärts

Fliegen die Gedanken!


Aber ach! gebunden sind

Meines Geistes Flügel;

Wie die Blüthe streut der Wind

Ueber Thal und Hügel,

So ist meines Geistes Blick

Matt und hingesunken,

Nur an künft'ger Welten Glück

Hängt er wonnetrunken.
[104]

Wenn, nicht mehr von Staub umwallt,

Ueber Stern' und Sonnen,

In der Sel'gen Aufenthalt,

Hat mein Pfad begonnen;

Nimmt mich, nach vollbrachtem Lauf,

Göttliches Erbarmen

Zu der Freude Wohnsitz auf,

Wie mit Mutterarmen!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 103-105.
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