Erinnerungen an dessen Sohn Karl Witte.[145] 1

Ich sah', noch wallt mein Herz von Hochentzücken!

Den Frohsinn hold aus blauen Augen blicken,

Den Scherz, vereint mit hoher Geisteskraft,

Die Kindlichkeit, mit ernster Wissenschaft;


Das Wetterleuchten höherer Naturen,

Und überall des reinen Herzens Spuren,

Ein anspruchslosses Wesen sanft und mild,

Verklärt von der Gesundheit schönem Bild;


Dies sah' ich an Karl Witte, hingezogen

Von der Gefühle regellossen Wogen,

Raubt' ich ein Löckchen mir von seinem Haar,

An jenem Abend, wo ich, ach! – so selig war!


Jetzt, da mein Herz, noch jenen Abend feiert,

Wird dieses Haar von gold'nem Glanz umschleiert,

Die Freundschaft zieht mit zartem ernstem Sinn

Mich bald zum Sohn', und bald zum Vater hin!

Fußnoten

1 Ich lernte diesen seltenen, herrlichen Knaben im Alter von zehn Jahren mit seinem würdigen Vater in Kassel kennen. An einem frohen Abende erlaubte er mir, ihm eine Haarlocke abzuschneiden, welche hernach in einen Ring gefasst wurde.


Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 145-146.
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