An Herrn Tiedge,

den Dichter der Urania

[190] Dich trug Phöbus – Apollo im rosigen Alter des Lebens

Zu dem kastalischen Quell, wo die Unsterblichkeit thront;

Himmlische Töne entschwebten der goldbesaiteten Lyra,

Wiegend in Wehmuth das Herz, hebend zu göttlicher Lust.

Sey mir freundlich gegrüsst, du holder elegischer Sänger!

Mit Dir hab' ich gefühlt, selige Thränen geweint:

Aber vor allen sey mir, Uraniens Liebling, gesegnet!

Deinen Tönen entströmt himmlische Ruhe so mild,

Jeglichem Zweifel begegnend, erfüllst mit seliger Hoffnung

Du das zagende Herz, Du den wankenden Sinn;[191]

Stralen schönerer Welten schweben dem sehnenden Blicke

Leuchtend entgegen im Kranz, den die Unsterblichkeit flicht;

Und es schauet vertrauend der kindliche Glaube nach Jenseits,

An des Allliebenden Herz legt sich gestillt das Gemüth!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 190-192.
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