Pfingsten.

[151] Man ziert in Sachsen und Thüringen nicht alle Häuser zu Pfingsten mit Maien, sondern nur die, in welchen Mädchen wohnen, werden von den jungen Burschen geschmückt. Auf dem Thüringerwalde bekränzt man außerdem noch die Kirchthüren und Brunnengeländer.

In den meisten Dörfern holt man am ersten Feiertage einen Baum, die Pfingstmaie, gewöhnlich eine Birke, zu Wagen mit Musik aus dem Walde, pflanzt sie im Dorfe oder auf einer Wiese vor demselben auf, und dann tanzen die Burschen und Mädchen an den drei Feiertagen vom Mittage bis in die Nacht hinein um den Baum. Außerdem haben sich zu Pfingsten noch folgende Gebräuche bewahrt.

Das Brautpaar suchen. In Volkstädt, Thondorf, Dederstedt, Schochwitz, Zaschwitz, Schlettau, Brachwitz und andern sächsischen Dörfern verkleiden sich am zweiten Pfingstfeiertag ein Bursch und ein Mädchen und verstecken sich außerhalb des Dorfes im Gebüsch oder hohen Grase. Dann zieht das ganze Dorf mit Musikanten aus »das Brautpaar zu suchen.« Wenn es gefunden ist, wird es[151] von der Gemeinde umringt, die Musikanten fangen zu spielen an, und das Brautpaar wird mit Jubel ins Dorf geführt, wo man am Abend einen Tanz hält. An einigen Orten heißt das Brautpaar der Prinz und die Prinzessin.

Den alten Mann ins Loch karren. In Burg bei Reideburg, eine halbe Meile von Halle, reiten zwölf »Pfingstburschen« am frühen Morgen, bunt geschmückt und von zwei Wagen begleitet, in den Wald: auf dem einen Wagen sitzen zehn Musikanten, der andre ist leer. Im Walde hauen die Pfingstburschen unter Musik die Pfingstmaie um und führen sie auf dem zweiten Wagen ins Dorf. Sie reiten nun noch am Vormittag auf die benachbarten Dörfer und laden die Bewohner zu ihrem Feste ein. Das Fest beginnt Nachmittags damit, daß man einen Mann aus Stroh zusammen bindet, ihn auf eine Karre legt und eine Grube von der Länge des Mannes gräbt. Einem der Pfingstburschen nach dem andern werden nun die Augen verbunden, und er muß so mit der Karre auf die Grube zu fahren. Wer die Grube trifft, der erhält den Preis, welcher an die Maie angebunden ist, gewöhnlich ein Tuch oder Zeug zu einer Weste. Der Mann von Stroh bleibt in der Grube liegen; man schüttet sie wieder zu, und dann tanzt das ganze Dorf um die Maie. Dieses Spiel nennt man »Den alten Mann ins Loch karren.«

Den Mann stechen. Man macht einen Mann von Stroh, richtet ihn auf, und die Bauern reiten[152] mit verbundenen Augen und mit Stäben in der Hand darauf zu. Wer ihn trifft und umstößt erhält als Sieger den ausgesetzten Preis. Dieser Gebrauch findet sich zu Zaschwitz und Neuz bei Wettin und heißt »Den Mann stechen.«

Jungfernstechen. Es wird ein Brett so geschnitten, daß es ungefähr einer weiblichen Gestalt gleicht, die einen Arm lang ausstreckt. An das Ende des Armes wird ein Ring gehängt, und nun rennt ein Mädchen nach dem andern von einem Punkte aus auf die Jungfer zu und sucht den Ring mit einem Stabe abzustechen. Hinter der Laufenden her rennt ein Bursche, der, bis sie bei der Jungfer angelangt ist, mit einem breiten flachen Spließe sie auf den Rücken schlägt: sie läuft darum so schnell sie kann. Die den Ring absticht erhält den Preis. Gewöhnlich wird dieses Spiel von Mädchen gespielt, doch bisweilen auch von Männern.

Kranzreiten. Die Burschen reiten um die Wette nach einem Baume, an dem ein Kranz aufgehängt ist. Wer zuerst bei dem Baume ankommt und den Kranz mit seinem Stabe abstreift hat den Preis gewonnen. In neuerer Zeit hat man diese Sitte in vielen Dörfern aufgegeben, weil oft Pferde gestürzt und Knechte dabei verunglückt sind.

Bischof und Schellenmoriz. In Lettewitz bei Wettin wird am dritten Pfingstfeiertag ein Knecht ganz in Laub gehüllt und ein anderer in umgekehrtem[153] Pelze gekleidet: der erste heißt der Bischof, der zweite der Schellenmoriz. Sie gehen im Dorfe von Haus zu Haus, und es folgen ihnen zwei Männer, die einen Korb an einer Stange auf den Schultern tragen. In den Korb werden die Gaben gesammelt, welche die Bauern dem Bischof schenken (Eier, Speck, Butter, Semmel und dergleichen). Dann wird das so Zusammengebrachte in der Schenke verzehrt, und alle Bewohner des Dorfes und selbst die Fremden, die grade in der Schenke einkehren, dürfen an dem Mahle Theil nehmen. Lieder werden bei der Einsammlung der Gaben nicht gesungen; doch der Schellenmoriz sucht den Zug, der ihn und den Bischof begleitet, durch allerlei Späße zu belustigen, indem er den Leuten ein Bein vorhält, daß sie stolpern, die Kinder kneift und schlägt, sie auch wohl ins Wasser wirft u.s.f. Nach dem Mahle folgt ein Tanz. – Dasselbe Fest mit gleicher Benennung der beiden Verkleideten soll bisweilen, doch nicht alle Jahre, in Dederstedt und in Granau bei Nietleben gefeiert werden.

In Nietleben ziehen die Knechte und Mägde am Pfingstsonntag mit Musik aus dem Dorfe, bauen eine Hütte auf einer Wiese und tanzen die drei Feiertage dort. Am Nachmittag des dritten verkleiden sich die Burschen und »reiten betteln«: einen Prinzen und eine Prinzessin an der Spitze reiten sie durch das Dorf, sammeln Gaben ein und verzehren sie gemeinsam in der Schenke.

Mit mannigfachen Abweichungen erscheint zu Pfingsten das Spiel »Den wilden Mann aus[154] dem Busche jagen« oder »den wilden Mann aus dem Holze holen«, auch »den Teufel aus dem Busch holen« genannt. Die gewöhnliche Form ist folgende. Ein Bursche wird in Laub oder Moos gehüllt und heißt der wilde Mann. Er versteckt sich im Walde, und die übrigen Burschen des Dorfes ziehen aus ihn zu suchen. Sie finden ihn, führen ihn als Gefangnen aus dem Walde und schießen draußen mit blindgeladnen Gewehren nach ihm. Er fällt wie todt zu Boden, doch man sucht ihn wieder ins Leben zu bringen. Ein Bursche, der als Arzt verkleidet ist, läßt ihm zur Ader, und wie er wieder erwacht, jubeln die andern, setzen ihn auf einen Wagen, binden ihn fest, und nun fahren sie ins Dorf und erzählen der versammelten Gemeinde wie sie den wilden Mann gefangen haben, und vor jedem Hause erhalten sie ein Geschenk. – Bisweilen wird der wilde Mann nicht in Laub oder Moos gekleidet, sondern mit Farben bunt bemalt oder, dort wo er Teufel heißt, mit Ruß über und über geschwärzt. An einigen Orten erscheint er in einer beliebigen Verkleidung, und dann verkleiden sich auch die, welche ausziehen ihn zu suchen. – In Näglitz wird der in Moos gehüllte wilde Mann, nachdem er gefangen ist, an ein Seil gebunden: er muß auf Händen und Füßen gehen und wird beim Gabensammeln als »der Bär« gezeigt. In Erdeborn und der Umgegend erscheint neben dem wilden Mann ein in Stroh gehüllter Bursche, der auf allen Vieren kriecht, als Bär. In Dederstedt und Helbra wird[155] der wilde Mann mit grünem Erbsenstroh umschnürt und ebenfalls an einem Seile als »der Erbesbär« durch das Dorf geführt, und neben ihm zieht »der Schimmelreiter«, der in Erntegebräuchen häufiger ist, als lustige Person.

Nicht immer werden diese Feste zu Pfingsten gefeiert, sondern in einzelnen Dörfern an einem der Sonntage zwischen Pfingsten und Johannis oder am Johannistage selbst.

Quelle:
Emil Sommer: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1. Halle 1846, S. 151-156.
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Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen
Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1845: Mit Sagen aus Halle