[O Kind! o wahrer Gottes Sohn!]

[1.]

O Kind! o wahrer Gottes Sohn!

O Krip! o Salomonis Thron!

O Stall! o schönes Paradeiß!

O Stroh! wie Rosen roth vnd weiß/

Kindelein im Stall/

Mach vns selig all/

Kindelein im Stroh/

Mach vns froh.


2.

O Kind! du bist von Wunder art/

Dein Antlitz wie ein Rosengart/

Schön weiß vnd roth/ wie Milch vnn blut/

Dein Farb erfrischt vns Hertz vnn Muth.

Kindelein im Stall/

Mach vns selig all/

Kindelein im Stroh/

Mach vns froh.


3.

Dein Haupt ist Gold/ vnnd krauß dein Har/

Die Lefftzen roth/ die Augen klar/

Schön alles vom Haupt auff die Füß/

Vnd alles vber Zucker süß.

Kindelein im Stall/

Mach vns selig all/

Kindelein im Stroh/

Mach vns froh.


4.

Dein Leib schneeweiß wie Elffenbein/

Da Sapphir eingefasset sein.

Die Sapphir deine Gottheit groß/

Das Elffenbein die Menschheit bloß.

Kindelein im Stall/

Mach vns selig all/

Kindelein im Stroh/

Mach vns froh.
[227]

5.

Dein Händ sein Hiacinten vol/

Die riechen in dermassen wol.

O Kind! wie schön! du glantzest Mehr/

Als wenn im Stall die Sonne wehr.

Kindelein im Stall/

Mach vns selig all/

Kindelein im Stroh/

Mach vns froh.
[228]

6.

Dein Gottheit ligt in deiner Brust/

Vnd von sich gibt all Hertzenlust.

Jst grösser Frewd im Himmel nicht/

Als schawen dein klar Angesicht.

Kindelein im Stall/

Mach vns selig all/

Kindelein im Stroh/

Mach vns froh.


Quelle:
Friedrich Spee: Die anonymen geistlichen Lieder vor 1623, Berlin 1979, S. 225-229.
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