Der gelbe Mond

[195] (Nach Henri de Régnier)


Der lange Tag erlosch im gelben Leuchten

des Monds der weich sich zwischen Pappeln hebt

indes der Hauch des Weihers der im feuchten

Schilfröhricht schläft duftend im Dämmer schwebt.


Ahnten wir wohl als wir im Sonnenbrand

auf heißem Feld und scharfen Stoppeln schritten

als unsrer Füße Spur im dürren Sand

sich purpurn malte wie von blutigen Tritten


ahnten wir als der Liebe Flammen rot

in unsern gramzerwühlten Herzen glühten

ahnten wir als die heiße Glut verloht

daß ihre Asche unsern Abend sollt' behüten


und daß der herbe Tag sterbend in Duft gehüllt

vom Hauch des Weihers der im feuchten

Schilfröhricht schläft hinlösche in das gelbe Leuchten

des Monds der zwischen Pappeln steigt

und still sich füllt?

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 2, Hamburg o.J. [1954], S. 195-196.
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