Pans Trauer

[192] Die dunkle Trauer,

die um aller Dinge Stirnen todessüchtig wittert,

Hebt sachte deiner Flöte Klingen auf,

das mittäglich im braunen Haideröhricht zittert.

Die Schwermut aller Blumen,

aller Gräser, Steine, Schilfe, Bäume stummes Klagen

Saugt es in sich und will sie demutsvoll

in blaue Sommerhimmel tragen.

Die Müdigkeit der Stunden,

wenn der Tag durch gelbe Dämmernebel raucht,

Heimströmend alles Licht

im mütterlichen Schoß der Nacht sich untertaucht,

Verlorne Wehmut kleiner Lieder, die ein Mädchen

tanzend sich auf Sommerwiesen singt,

Glockengeläut, das heimwehrauschend

über sonnenrote Abendhügel dringt,

Die große Traurigkeit des Meers, das sich

an grauer Küsten Damm die Brust zerschlägt

Und auf gebeugtem Rücken endlos die Vergänglichkeit

vom Sommer in den jungen Frühling trägt –

Sinkt in dein Spiel, schwermütig helle Blüte,

die in dunkle Brunnen glitt ...

Und alle stummen Dinge sprechen leise glühend

ihrer Seelen wehste Litaneien mit.

Du aber lächelst, lächelst ... Deine Augen

beugen sich vergessen, weltenweit entrückt

Über die Tiefen,

draus dein Rohr die große Wunderblume pflückt.

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 1, Hamburg o.J. [1954], S. 192-193.
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