Elisens Versprechungen.

[186] Sieh nur, sprach Elise zu ihrer Schwester Julie, hier habe ich einige Groschen, die spare ich recht, und wenn ich wieder etwas Geld vom Vater oder von der Mutter bekomme, wird es zu diesen gethan, bis ich einige Thaler zusammen gebracht, und dann kaufe ich zu Weihnachten den Eltern und den Geschwistern recht[186] viele schöne Sachen. »Aber, entgegnete Julie, bis Weihnachten haben wir nur noch vier Wochen, wo willst du denn so vieles Geld in der kurzen Zeit hernehmen und zusammensparen?« – O, laß mich nur sorgen! Vier Wochen ist eine lange Zeit. Indem kamen sie zu einer Obsthändlerin, welche sie anrief. Julie kaufte nur sehr wenig, und selbst dieses wenige aß sie nicht, sondern brachte es ihrem kleinen Brüderchen mit nach Hause. Aber Elise gab mit einemmale ihre ganze kleine Baarschaft aus und verzehrte das dafür gekaufte Obst. Julie erinnerte sie an ihren, vorhin geäusserten Vorsatz des Zusammensparens bis Weihnachten. Ja, du hast Recht, sprach Elise, ich dachte nur nicht gleich daran. Sie nahm sich es am folgenden Tage wieder vor, und am nachfolgenden, und immer kam es nicht zum Sparen. So kam das Weihnachtsfest heran, und sie hatte nichts, ihren Eltern und Geschwistern, welche sich auch untereinander beschenkten, zu geben, und fühlte sich sehr beschämt. Ei, wie neckten sie da die Geschwister, daß sie ihnen das ganze Jahr hindurch, so viele Versprechungen für diesen Abend gegeben, und nicht die kleinste erfüllt hatte. Es ist besser nicht viel zu versprechen und mehr zu thun als man versprochen hat.

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Karoline Stahl: Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder. Nürnberg 21821, S. 186-187.
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