Erster Absatz

[129] Beschreibet den Eingang Polyphili / in den Tugend-Tempel / und dessen Zierrath: Lehret den Unterscheid / der warhafften und verderbten Kunst; deßgleichen wie man zu jener gelangen / diese aber meiden solle; giebt Unterricht von der Tugend-Werbung / und wie dieselbe kröne.


Prächtig war alles / und aufs köstlichste angeordnet; Atychintida trug ihren Königlichen Schmuck / und wurde von vieren / mit schwartzen Sammet bekleideten / auf ihrem Thron daher getragen. Vor ihr giengen / die die Fackeln trugen / und zu vörderst führete ein ansehliger Mann / den gantzen Hof-Staat. Hinter dem Thron waren zween / mit rothem Sammet beleget / unter einem eben so herrlichen Himmel / welche sich zu dem Polyphilo näherten / und ihn in die Mitte fasseten / auch allein würdig preiseten / in des Königes Stätte zu sitzen; deine folgeten auf den Fuß zween andere mit blauem Sammet gezierte Männer / welche grosse[129] güldene Ketten trugen / und daher giengen / als wenn sie schwere Sachen ersinneten Nach diesen ward der Knabe / das Kind Melopharmis / von 4. jungen Edelleuten / auf einem Sessel getragen / deme eine weh-klagende Weibs-Person nach folgete /schwartz bekleidet / und als die Leid tragen / sich geberdend: Diese gieng an statt seiner Mutter. Nach dem folgte der übrige Comitat von Manns- und Weibs-Personen / so prächtig / als köstlich / bekleidet.

Was Polyphilus muß gedacht haben / möcht ich wol wissen: ohne Zweifel hat ihn nichts mehr gekümmert / als daß er dieser Königin / die er vor geringer angesehen / nicht Königliche Ehr erwiesen: Deßwegen er sich dann gegen seinen beyden Führern / aufs höflichste entschuldigte / und sein Versehen / mit der Unwissenheit / beschönte. Das Verlangen aber / was aus diesem noch endlich werden würde / war so groß /daß es sich kaum zäumen ließ. Auch wuste er sich darein nicht zu schicken / warum keiner deren / die ihn führeten / und vorher mit ihm geredt / als sie ihn in die Mitte fasseten / nun auf ein einig Wort nicht antworten wolten / sondern alles mit Wincken der Augen / und geneigtem Haupt bejaheten. Doch ward er dessen bald hernach verständiget. Dann da sie vor die Thür des ersten Tempels kamen / stieg der / so den Proceß führete / auf einen / neben dem Tempel /aufgeworffenen Thamm / und gebot / aus Königlichem Befehl / daß keiner seine Zunge lösen / oder einig Wort herfür bringen solle; ausser Polyphilum /und den / dem es die Königin befehle. Darauf stieg Atychintida von ihrem Thron / nahm Polyphilum bey der Hand / und führet ihn in den Tempel / Polyphilus aber entschuldigte sich / wegen seines[130] begangenen Irrthums / und daß er nicht gewust / mit welcher er sich zu reden unterfangen. Fieng derowegen an / sie nach Königlicher Würde zu benahmen / das sie aber durchaus nicht gestatten wolte / und / bey Verlust ihrer Königlichen Gnade / verbote.

Als sie nun in den Tempel kamen / zeigete ihm die Königin allerhand schöne und künstliche Gemähl /die man mit grösserm Recht ein Wunder der Natur hätte nennen können / als eines Menschen Hände-Werck. Was die Augen sahen / das preisete das Hertz herrlich: Das Schöneste / so im Eingang zu sehen war / waren die / auf beyden Seiten völliger Grosse /aufgerichtete zwölff / aus Marmorstein künstlich-gearbeitete Bilder / deren jedes eine Tugend bedeutete /und auf einem Felsen gegründet / mit dem rechten Fuß das Laster zu Boden trat / welches in geringerer Grösse aus Erden gebrannt war. Polyphilus fragte die Königin / was diß bedeute; welche berichtete: Es zeigen diese Bildnus / daß / welcher Mensch / in diesem Tempel / um etwas wichtiges zu erhalten / gehen wolle / der müsse alle Schand-begierige Laster zu Boden geleget / und einig der Tugend sich ergeben haben: sonsten werde er / von dem Drachen / welcher zu nächst an der Thür stund / greulich und erschröcklich anzusehen / verschlungen.

Polyphilus erschrack / wegen dieser Wort / über die Massen sehr / weil er / wegen seiner Liebe gegen Macarien / nicht allerdings ein gut Gewissen hatte: Doch gieng er behertzt fort / und gedachte / was wird dir ein lebloses Bild thun / das mit Menschen-Händen gemachet ist. Weiler aber eben diß / wiewol mit besserer Bescheidenheit / auch der Königin trauete / und damit zu vernehmen gab / daß er nicht verstünde /[131] was das alles bedeute / sonderlich / da die Augen mehr zu sehen hatten / als das Hertz betrachten konte / winckete die Königin denen zweyen blau-bekleideten / die ihm in der Procession nachgiengen / und gab Befehl /daß sie dieses alles / aus dem Grund / erklären / und dem Polyphilo die Tugend-Geheimnus eröffnen solten. Deren einer / Namens Coßmarites / nach abgelegter schuldiger Reverentz / den Polyphilum zur Seiten führete / und mit solchen Worten anredete.

Kunst- und Tugend-verlangender Polyphile! Was ich von euch gehöret / ist mir alles Ursach zu wundern. Euer Zustand / euer Leben / euer Wandel / eure Gedancken / euer Wünschen und Wollen; mehr aber eure Tugend ist wundern werth. Das Glück aber / das euch / auch mitten in eurem Unglück / beseliget hat /kan nicht gnug gerühmet werden / darum ihrs besser mit Stillschweigen verehret / und dem gütigen Himmel / in eurem Hertzen / davor dancket. So viel mir meine Kunst vertrauet / sehe ich aus euren Augen /was ihr für Noht ausgestanden / und auch / was ihr vor Freud genossen; ja wol gar / was ihr vor Freud verlanget.

Die Kunst- und Tugend-Begierde hat euch freylich / aus eurem Vatterland / in die Fremde geführet: Das Unglück hat euch auch lange daran gehindert: doch hat endlich das günstige Glück euer Verlangen vergnüget / daß ihr zu der Vollkommenheit aller Tugenden / der edlen Macarien / kommen: aber wie habt ihr dieses Glücks mißbrauchet? Ich schweige jetzt /damit ich euch nicht beschäme; Euer Hertz aber wird reden / da ich schweige. Doch wisset / daß ihr durch eure Unbeständigkeit / die Götter erzürnet / daß sie euch von ihr gerissen / und / auf wunder bahre[132] Weiß /hieher zu uns bracht; eines theils wol darum / daß ihr den Fluch / der diß unser Hause getroffen / wegnehmen sollet: am allermeisten aber / daß ihr in diesem Tugend-Tempel lernet / wie ihr euch in eurem so grossen Glück verhalten; und in dem Glücks-Tempel sehet / wie ihr recht-beständig lieben; im Tempel der Liebe aber erfahret / wie ihr künfftig bey Macarien /die ausser Tugend nichts würcket / eure Pflicht besser in acht nehmen / und euer Hertz nicht so leicht sollet /von der vergänglichen Schöne / bezwingen lassen. So höret mir nun zu / ich will euch weisen / das ihr hie zu lernen nie gehoffet: Sehet an diese 12. Tugenden /welche als triumphirende / denen anfeindenden Lastern / auf den Halß tretten / und ihre Macht dämpffen: Folget diesen / wolt ihr anders nicht / an statt des Sieges / den Verlust klagen. Dieser Drach aber / und der gegen über stehende erhabne Thron / sind die Belohnung / theils deren / die überwinden / theils deren /die überwunden werden. Dieser Drach deutet die Unglückseligkeit / so auf alle Laster folget: Der Thron aber ist das reiche Himmel-Glück / dadurch die Triumphirende Scepter und Cron erhalten / das ist / aller Freud und Lust geniessen können.

Polyphilus sahe dieses alles / mit tieffen Nachsinnen / an / und setzte sich alsobald zum Exempel / wie er so übel gehandelt / indem er sich durch die Schönheit Macarie verführen lassen; sprach auch zum Coßmarite: Verständiger und geliebter Freund! Dieses /und was ihr vor / von meinen Sinnen und Beginnen /gesagt / machet / daß ich in mich schlagen / meinen Fehl bereuen / und mich in dieser Stund bessern muß. Dancke Gott und euch / daß ich auf den[133] rechten Weg wieder kommen / davon ich so lange bin irregangen. Weg mit Macarien! soll Macarie meine Tugend verzehren? soll ich mich durch sie in die Laster stürtzen? Nein / mit nichten. Ich folge der Tugend-Bahn / und lasse mich davon nicht treiben / biß ich das Ziel der höchsten Glückseligkeit erlanget.

Diese Red gefiel Coßmarites sehr wol / merckte doch alsobald wiederum die Unbeständigkeit Polyphili / und gedachte heimlich bey sich / wiewol der Macarien groß Unrecht geschehe / wolle er ihm doch nicht / in diesem Fall / Wider-Rede halten / ob er vielleicht / noch ferner und mehr / in seinem guten Vornehmen könte gestärcket / und von der verzehrenden Liebes-Brunst abgehalten werden. Deßwegen führete er ihn weiter mit sich / in die Mitte des Tempels /allwo Polyphilus einer grossen Meng Manns- und Weibs-Personen wahr nahm / die / gleich wann sie lebten / unter sich von geheimen Dingen rathschlagten. Es waren zwey Jüngling / die um einen Crantz lauffen wolten / deren jeder den Preiß begehrete. Beyde hatten sie ein Ziel; beyde auch einen Weg /ohne daß einer auf der Rechten / der ander auf der lincken Seiten seinen Lauf vollendete. Jener trat auf die Bahn / wurde aber alsobald im Eingang von einer höllischen Furien angefallen / welche zwey Feuer-speiende Hund an einer Ketten führete / und selbige auf ihn loß ließ. Dieser / welcher auch den Lauf angefangen / wurde von dreyen grimmigen Thieren / die Polyphilus nicht erkennen konte / was vor Art sie waren / wegen ihrer erschröcklichen Grausamkeit /verhindert. Beyde rissen sich aber endlich loß / und da sie ihren Fuß weiter setzten / wurdë sie von einer freundlichen / freudigen[134] Jungfrauen empfangen / die einen grossen Comitat mit sich führete / dessen halber Theil hertzlich erfreuet / die übrigen aber schmertzlich betrübet waren. Diesen / der die lincke Seiten erwählet / übergab die Jungfrau / als einen angenehmen Gast / dreyen andern Weibs-Personen / welche ihn auf das herrlichste tractirten / und grosse Ehr erwiesen /endlich aber in eine finstere Höle stürtzeten / allwo drey Schröck-Geister ihr Haupt erhebten / deren erster sich sehen ließ mit einer langen Peitschen / der andere neigte das Haupt zur Erden / und der dritte rauffte die Haar aus: Und da Polyphilus seine Augen höher erhebte / wurde er noch anderer zweyer Höll-Geister gewahr / denen dieser armselige Jüngling / als ein Gefangener / übergeben wurde / welche ihn auch / mit Ketten und Fesseln wol verwahret / in ein ewiges Gefängnus führeten. Der andere / welchen die rechte Seite verehrete / wurde etzlichen Dienern bergeben /die / an der Tracht und Kleidung / denen Henckers-Knechten nicht ungleich waren. Diese trieben ihren Muthwillen mit ihm / und führeten ihn bald hie / bald dort hin / nach ihres Hertzens-Dünckel. Und da er sich endlich / mit grosser Müh / diesen entzog / gerieth er unter einen viel grössern Hauffen ansehliger und betagter Männer / die doch / in ihren Sinnen und Beginnen / eine merckliche Kindheit spüren liessen. Diese nahmen den Jüngling / einer nach dem andern /und wolt ein jeder Meister an ihm werden. Einer zehlte ihm die Sylben / so viel er redte / auf den Fingern vor. Der ander riß ihm seinen Mund auf / und wolte grosse Wort holen. Wieder einer wolte ihm sein Gehirn auskehren / und die Weißheit verbergen. Ein anderer zwang ihn / daß er[135] über die Natur schreyen muste. Und diesem folgte einer mit einer steinern Tafel / die er ihm vorhielt: das doch Polyphilus nicht verstehen konte was er wolle. Zu letzt kamen noch 3. andere / deren erster ihn gen Himmel sehen / und die Sterne zehlen hieß; Der andere zeigete ihm die Erd-Kugel / solche abzumessen; und der dritte brachte ein Glaß / das er ihm vor die Augen hielt / die er doch zuschliessen muste. Als diese ihr Spiel biß zum Ende mit ihm verführet / stellet er seinen Fuß / weiter zu lauffen / aber es verhindert den Lauf eine schön-gezierte und lieblich-winckende erbare Matron / die ihn umfieng / und mit welcher er sich / als liebte er sie /besprach / auch nicht wenig ergötzte. Und da er am frölichsten mit ihr schertzen wolte / kam eine andere /gleich einer Höll-Göttin / die ihm diese Lieb sehr verbitterte / deßwegen er sich eilig fortmachte / seinen Crantz zu errennen. Er erlitte aber mitten im Lauf grossen Anstoß / und das zwar zu dreyen malen / so gar /daß er auf die Erden darnieder fiel / und sich nicht wieder erheben konte.

Polyphilus sahe dieses alles mit grosser Verwunderung an / und verlangte nichts mehr / als die Deutung dessen zu erkundigen / deßwegen er dem Coßmarite mit sehnlicher Bitte und freundlichen Worten anlag /solche zu ertheilen. Welcher / wegen der Königin Befehl / seiner Bitte gar geschwind Folge leistete / und mit diesen Worten anfieng: Edler Polyphile! Das ihr hie sehet / und von mir begehret / ist ein köstlich Ding: aber auch überaus gefährlich / so gar / daß jenes mich wol reitzet / euch alles / nach der Länge /zu erklären; dieses aber mich abschröcket / weil mir euer Hepl und Glück vor alles gehet.[136]

Das nahm Polyphilum so sehr Wunder / daß er gezwungen wurde / die Ursach zu fragen; welche ihm auch Cosmarites mit solchen Worten beylegte: das mich anmahnet und abschröcket / ist dieses / daß /wann ich euch dieses lehren / und ihrs begreiffen werdet / werdet ihr mit grossem Verstand und herrlichem Glück begütert werden: wo aber das nicht / werdet ihr der Unglückseligste und Allerverachteste auf dieser Welt mit Recht genennet werden / der allen Plagen und Straffen / die Zeit seines Lebens / unterworffen. Glaubet mir / Polyphile! die Erklärung dieses Geheimnüsses / ist gleich dem vildeutigem Rätzel des Blut-würgenden Sphingis; welcher selbiges verstunde / der gieng frey aus / und wurde der Klügeste genennet / welcher es aber nicht treffen konte / wurde von dem grimmigen Thier erwürget. Diß Treffen und Verstehen aber gehet / nicht so wol den Verstand an /als die Nachfolge; denn es lehret diß Geheimnüs ingleichen / was in diesem Leben gut oder böse ist; ja auch / was nicht gut / oder nit böse ist. Wollt ihr nun /Polyphile! mit diesem Versprechen / zuhören / will ich euch völlig weisen / das ihr nach dem wissen sollet; wie ihr / mit leichter Müh / zu der höchsten Glücks-Zinnen gelangen / und über alle Sterblichkeit steigen möget.

Polyphilus gantz erfreuet / versprach mit Mund und Händen / daß er fleissig aufmercken / und / so viel ihm müglich / folgen wolte / sonderlich / weil ihn die Furcht / eines so grossen Verlusts / zwinge die Hoffnung aber / eines noch viel grössern Nutzens / stärckete. Darauf fieng Coßmarites diß Geheimnus / auf folgende Art / an zu erklären.

Diese zwey Jüngling deuten das gantze menschliche[137] Geschlecht / darinnen keiner anzutreffen / der nicht gern hoch steigen / und über andere scheinen wolte. Es haben aber die allweise Götter die Ordnung gemacht / daß nicht anders / als durch Kunst und Tugend / Ehr erworben / und die beständige Glückseligkeit erlanget werde. Diese nun ist der Krantz / um welchen die beyde lauffen; der Weg ist das menschliche Leben. Beyde lauffen sie auf einem Weg / in einem Leben; beyde haben sie auch ein Ziel / die vergnügliche Glückseligkeit; aber nicht haben sie einerley Art zu rennen. Dann dieser / zur Rechten / verlanget die Kunst / dieser aber / zur Lincken / die Tugend. Und damit wird angedeutet / daß kein anderer Weg /ausser diesem / zu der höchsten Glückseligkeit führe. Daß aber der Kunst-verlangende / im ersten Lauff /von der höllischen Furien verhindert wird / bedeutet den Betrug / den wir / auch in unsern frühen Jahren /leider! erfahren müssen / da wir durch viel Um- und Irr-Wege / theils durch der Lehrer Unwissenheit /theils durch ihren Muthwillen und Geld-Geitz / lang genug aufgehalten / und verhindert werden. Dieser Betrug lässet den Irrthum und die Unwissenheit / welche durch die beyde Hunde zu verstehen / auf uns loß / so alle Menschen anfallen / jedoch nicht alle gleich sehr verwunden. Und das kommt daher / weil die milde Natur einem viel / dem andern hingegen weniger Gaben geben / daß er nicht so bald verstehen kan / was ihm fehlet. Gleich so gehets auch dem / der die Tugend errennen will / welchen die grimmige Thier aufhalten / diese sind die ungezähmte Begierde /die nichtige Einbildung / und dann die verderbende Wollust. Diese halten alle Jugend gefangen / und lassen sie / durch ihre falsche[138] Versüssung / nicht zu der Warheit gelangen / biß sie endlich ihren verfälschten Schein / durch ihre Grimmigkeit / erkennen / und sich aus ihrer Gewalt reissen: wiewol solches nicht allen /ja dem wenigsten Theil gelinget / weil die Meisten in diesen Lastern ersauffen / und zu dem Erkäntnus der wahren Seligkeit nicht gelangen. Die aber ihre Sinnen höher schwingen / und ihre Jugend erretten / fallen nach dem dieser leicht-flüchtigen Jungfrauen in die Händ / durch welche das Glück zu verstehen / und werden von solcher in so viel Widerwertigkeit versencket / daß sie gleich denen / die um sie stehen /bald lachen / mehr aber / weinen müssen. Diese beherschet sie wie lange. Dann / weil sie keinen Grund der wahren Freude haben / wird ihre Freudigkeit /nach dem Wechsel des Glücks / bald hin / bald her /geworffen / so gar / daß sie endlich in allen Jammer fallen. Wie wir denn allhie sehen / daß der Tugend-werbende Jüngling / erstens zwar / als ein angenehmer Gast / denen dreyen Weibs-Personen anvertrauet wird / und aufs beste von ihnen bedienet / endlich aber / mit grossem Schrecken / in eine finstere Höle gestürtzet. Durch diese 3. Jungfrauen sind zu verstehen / die Hoffart / Schwelgerey / und Unkeuschheit /welche zwar süß blühen / aber bittere Frucht tragen /und endlich in das Verderben stürtzen; da die drey Schröck-Geister / verstehe / die Straffe / so durch die Peitsche gedeutet; die Betrübnus / so das Haupt hängen lässet; und der Jammer / soldie Haar ausrauffet; das Hertz quälen / und ihn seine vorige Zeiten wieder zu verlangen / Ursach geben. Noch ist dieses nicht gnug / sondern / weil er auch über das den beyden Höll-Geistern / welche sind die erbärmliche Klage /und die[139] Verzweifflung / als gefangen übergeben wird / wird er mit Angst und Kummer gebunden / in das Gefängnus der ewigen Unglückseligkeit geworffen. Polyphile! merckt dieses / und lasst euch nicht verführen / sonst werdet auch ihr mit leyden und dulten müssen.

Lasset uns nun auch den Kunst-gierigen besehen /wer / meynet ihr seyn diese Henckers-Knechte / welche die Jugend plagen? Ich verstehe dadurch alle die /so sich / das Lehr-Amt zuführen / unterstehen / und doch selber nicht wissen / was sie andere lehren sollen. Dahero es dann kommet / daß wir Menschen mehr lernen / als daß wir geniessen können / damit wir etwas zu vergessen haben. Ihr werdet selber wissen / Polyphile! wie viel ihr unnötiges Dings lernen müssen. Sind solche Lehrer nicht billich denen Henckers-Buben zu vergleichen / indem sie die liebe Jugend an die Stricke des Verderbens knüpffen / und mit dem Seil der Unwissenheit erwürgen. Wol dern /der mit diesem Jüngling bey Zeiten ihren Banden sich entreisset / und sich Verständigere lehren lässet. Sehet ihr / Polyphilus! den Hauffen dieser betagten Männer? Glaubet ihr / daß sie viel von sich halten / und aller Wissenschafft sich kündig bekennen? So scheints von aussen: aber sehet ihr nicht / was diese mit dem Jüngling verführen? so viel deren zu gegen / so mannigfaltia ist auch ihre Kunst / und will ein jeder Meister an ihm werden. Der eine ist ein Wort-Erzwinger / der will ihm lehren / die Sylben messen / und in Reime schliessen Der andere ist ein Redner / und befiylt /daß er seine Rede mit Pomp und Pracht führen soll. Der dritte will einen Disputirer aus ihm machen. Der vierte einen Sänger.[140] Der fünffte einen Rechenmeister. Und diese letzten fordern gar Unmüglichkeiten; Dann diesem soll er den Himmels-Lauf verstehen / da er doch nie im Himmel gestiegen; jenem soll er den Erd-Cräiß abmessen / da er selbigen doch nie gesehen; und dem dritten soll er gar mit seiner blinden und schwachen Vernunfft himmlische Ding ergreiffen /das keinem Sterblichen vergönstiget. Sagt mir nun /Polyphile! ist das nicht eine Marter und Pestilentz der Jugend? Wann ich hundert Jahr zu lernen hätte / und in einem jedweden Stück einen besondern Lehrer /glaub ich dennoch nicht / daß ich alles diß mit Rutzen vollbringen würde: oder wann ich einen stählern Kopf / und unvergeßliches Gedachtnüs hätt / zweiffele ich gleichwol / ob ich alles behalten könte. Ich sage nicht ohne Ursach / alles: dann viel / viel ist darunter /ja alles / was ich anjetzo benennet / ist theils nützlich / theils lieblich; kein einiges aber nöthig. Darum mercket das / Kunst-begieriger Polyphile! daß nicht einen gelehrten Mann mache / Dichten und Verse schreiben können; nicht einen verständigen Mann mache / eine prächtige Rede führen können; nicht einen klugen Mann mache / von der Eitelkeit der Welt disputiren können: und so fort an: sondern / daß dieses alles / oder auch wol eines / einem gelehrten / verständigen und klugen Mann wol anstehe / und ihn beliebter: nicht aber berühmter oder geschickter mache. So sollen wir auch einen Unterscheid in dem allen machen / und solche Sachen erwählen / die zu unserm Beruf dienen.

Das will ich gestehen / daß wir bißweilen / ohne diese Mittel / unser Ampt schwerlicher versehen können. Aber das ist am härtesten zu straffen / daß dergleichen[141] Leute ihnen gewiß einbilden / sie haben die Wissenschafft allein / oder sie besitzen die rechte Weißheit / und belustigen sich mit solchem falschen Wahn aus dermassen sehr. Wie ihr dann sehet / Polyphile! daß dieser Jüngling / nun er meynet / den Himmel zu erstiegen haben / mit dieser lieb-winckenden Matron / dadurch die verfälschte Weißheit angedeutet wird / auf das schönste schertzet / biß die Höll-Göttin / verstehe die Thorheit / durch Entdeckung ihres Fehlers / die Süssigkeit mit ernster Reu verbittert. Wann sie dann zu solchem Erkäntnus gelangen / wollen sie den Tempel der Weißheit mit gantzer Gewalt bestürmen / fehlen aber allenthalben: gerad wie dieser Jüngling unterschiedlichmal angestossen / biß er endlich gar danieder gefallen. Es sind aber die Stein des Anstossens sonderlich Ehr- Geld- und Gunst-Begierde / welche die drey grössesten Verhindernussen / mit gutem Recht / können genennet werden. Denn da sind ihrer viel / die nicht um Wissenschafft / sondern um Geld; nicht um Tugend / sondern um Ehre; nicht um Kunst / sondern um Gunst studieren; und auch also nach ihrem Verdienst keine Kunst / keine Tugend /keine Wissenschafft erwerben / und ewig verderben müssen. Merckt auch diß / Polyphile! daß ihr nicht mit ihnen verderbet.

Was hätte den Wunsch Polyphili besser befriedigen können / als dieser Unterricht? Darum er / so freudig /als vergnügt / dem Coßmariti Danck sagte / und / dieses alles in gute Obacht zu nehmen / versprach. Weil aber nicht weit von diesem / noch etwas mehr zu sehen war / bat er Coßmaritem / daß er ihn auch dorthin führen / und dasselbe erklären wolle. Und weil er bißhero bloß von der Untugend und verfälschten[142] Weißheit gehöret / fragte er: ob nicht auch die rechte Weißheit und wahre Tugend in diesem Tempel gelehret werde? Darauf ihn Coßmarites in den Tempel besser hinauf führte / und ein anders Bilder-Werck sehen ließ.

Es hielt ihren Stral alsobald ein erhabner felsichter und unbewohnter Bühel auf / zu dessen Eingang eine enge Thür / und ungebahnter / jäh-gefährlicher / rauher Weg führete / welcher mehr eine Verhindernus zu nennen war; daß man entweder gar nicht / oder doch je schwerlich / und mit grosser Müh dahin gelangen konte. Hinter diesem scheinete ein Hügel herfür / welcher / an der Höhe / diesen Bühl weit übertraff / und noch gefährlicher anzusehen war; massen die enge Bahn / so da hinan führete / alle die / so sie betretten würden / herab zu stürtzen bedrohete. Menschlichen Augen scheinete das eine blosse Unmüglichkeit zu seyn / daß ein Fuß ohne Wancken / und ein Hertz ohne Zittern / so wol auf dem abwarts-gehenden Hügel / als eben diesem eng-geschlossenen Pfad stehen oder gehen könne. Auf demselben war noch überdas ein Lufft-erhöhtes / Wolcken-steigendes Felsen-Werck zu sehen / so hoch und erschröcklich / daß Polyphilus nicht wuste / solte ers vor ein Wunder der Natur rechnen / oder ein Meisterstück menschlicher Weißheit heissen / so gar war Sinn und Augen verblendet / daß / wenn er nicht / im zuruck-sehen / sich im Tempel befunden / er in Warheit davor gehalten /als stiegen die Sterbliche allhier gen Himmel. Wie ihn dann auch die Gefährligkeit des Weges / und so scheinende Unmüglichkeit / durch diesen Felsen / die Himmel-Oerter zu besteigen / fast in nicht geringe Betrübnus setzete / daß er zum Coßmarite anfieng:[143] Was doch die Unsterbliche beweget / denen Sterblichen /an ihrer verlangten Glückseligkeit / selbsten verhinderlich zu seyn; dem aber Coßmarites nichts wieder versetzte / ohne daß er noch ferner zusehen / und alles wol beobachten solle: wolle er ihm nach dem alles erklären.

Kaum hatte Coßmarites seine wenig Wort vollbracht / als Polyphilus / mitten auf dem rauhen Felsen / zweyer ansehligen und holdseligen Frauen gewahr wurde / von starcken Leibern / erwachsener Grösse / völliger Schöne / und anzusehen / als wären sie sonderlich in allem / von der Gunst des Glücks /bereichert / und mit ewigen Wohl-seyn versehen. Auch zeugete ihre Einigkeit und Gleichheit nicht wenig / daß sie mit dem Schwesterlichen Bund der Blut-Freundschafft einander verpflichtet. Und da Polyphilus auf ihre Geberden schauete / befand er / daß sie mit geschwinder Behendigkeit / und als die etwas sonderliches verlangeten / oder auch einem wincketen / die Hände ausschlugen / und ihre Freudigkeit bezeugeten. In diesem Zusehen setzeten sie ihren Fuß etwas förder / und ersahen hinter dem Felsen / ein kleines / doch / mit allerhand Lieblichkeiten / geziertes Wäldlein. Die Bäume / derer noch zarte Gipffel fort und fort einer den andern übersteigen wolte / und jener vor diesem sich höher düncken ließ / waren so wol mit Augen-erfreulicher Grüne bezogen / als auch von Schatten-reicher Dicke umgeben / daß ein jeder gar leicht einem Lust-bringenden Zelt konte verglichen / ja vor ein Wohn-Hause aller Ergötzung geschätzet werden.

Polyphilus kam alsobald auf die Gedancken / als wohneten hie die Göttinnen / und wäre diß die[144] Hütte /darinnen sie sich verbergeten / wann sie das Aug der Sterblichen fliehen wolten. Vor dem Wäldlein war ein ebener Plan / der wegen seiner begrünten Schöne /und Mannigfaltigkeit der Bundgefärbten Blumen /einem gegründeten Wiesen-Thal nicht unähnlich schiene / bevorab / weil die durchschimrende Liechter des Himmels / als ob das Tempel-Dach aufgehoben /ihre Stralen in die durchbrochene Fenster herein warff / daß alles erhellet / und keine Liechts-Verhindernus konte geklaget werden. Da sie aber / dieser Ergötzlichkeit völliger zu geniessen / etwas näher hinzu tratten / wurden sie in der Mitte dieser begrünten Wiesen / eines künstlich-erhobenen Grotten-Wercks ansichtig / auf die Art und Ründe der alten Heydnischen Tempel gebauet; von welchen doch Polyphilus nichts gewisses schliessen konte / wovor es eigentlich zu halten. Sie höreten eine liebliche Music von Lauten und andern Instrumentalischen Saiten-spielen / die sie dermassen belustigte / daß Polyphilus in seinem Sinn nicht anders dencken konte / als daß die Göttinnen dieses Orts ihre Lust-Vollbringungen angestellt. Und da er gleichsam erschrocken / dem allem stillstehend zuhörete / vernahm er bald darauf eine hoch-singende Stimm / die mit folgendem Gedicht / die Ehre und Vergnüglichkeit der bereichten Tugend-Kunst besunge:


Wer sich der Kunst vertrauet /

und nur die Tugend liebt:

Wer bloß auf Weißheit bauet /

und keine Laster übt:

Der kan beglücket leben /

kan bleiben wol vergnügt:

Weil / was ihm wird gegeben /

Er volle Gnüge kriegt.
[145]

2. Kein Leid kan ihn betrüben /

nicht schröcken eine Noth:

Und was er mag verüben /

hilfft ihm der grosse Gott.

Es kan in seinen Thaten

auch nicht ein Irrthum seyn;

Dann alles muß gerathen /

und treffen eben ein.


3. Will er nach Ehre streben /

die Kunst ist Ehren werth /

die Tugend wird erheben /

wer eyfrig sie begehrt.

Dann / ohne Tugend / Ehre

ist nur ein blosser Dunst /

und das den Ruhm verkehre /

ist Weißheit / ohne Kunst.


4. Will er sich dann bereichen /

die Tugend selbst ist Gold:

Dem sich nicht darff vergleichen

das / dem die Welt ist hold:

Es ist / wie nichts / zu achten

für dem / was Tugend bringt /

wer dieser nach wird trachten /

nach wahrem Reichthum ringt.


5. Will man sich sonst beglücken /

die Tugend selig macht /

dann allen falschen Tücken

hält selbsten sie die Wacht:

Daß sie nicht können schröcken

ein so geziertes Hertz /

noch seine Lust verstöcken /

in Unglücks-vollen Schmertz.


6. Und was ihm auch beliebet /[146]

und was ihm auch gefällt;

Das alles Tugend giebet /

das alles Kunst bestellt:

Er hat / was er verlanget /

wer Kunst und Tugend hat /

nur diese rühmlich pranget /

und hilfft mit Raht und That.


7. Sie will und muß uns lieben /

wann unsre Sonne scheint:

Und ob wir uns betrüben /

ist sie doch immer Freund

Sie tröstet / in dem Leiden /

verbindet unsere Noht:

Und wann wir sollen scheiden /

versüsset sie den Tod.


8. Sie pflegt nicht / wie man pfleget /

zu trauen Menschen-Gunst:

Die ihre Hoffnung leget

nur einig auf die Kunst:

So lange die bestehet /

so lange steht sie mit:

Weil diese nicht vergehet /

weicht auch sie keinen Schritt.


9. Drum darff sie nichts nicht achten

die falsch-verblümte Gunst:

Ihr Dichten und ihr Trachten /

ist treue Liebes-Brunst:

Es kan ihr nichtes schaden

Macht / List und aller Neid /

Gott hält sie selbst in Gnaden /

biß zu der Ewigkeit.


10. Und ob das Glücke wütet /

und sich ihr widerstellt:[147]

Wird dennoch sie behütet /

und alles Leid gefällt:

Der Tugend-Ruhm besieget /

die Kunst behält das Feld /

so offt das Unglück krieget /

und seine Pfeile stellt.


11. Drum / wer will Glücke bauen /

der baue diesen Grund /

der nicht wird umgehauen /

biß in die letzte Stund:

So kan er sicher leben /

so lang er lebt allhier /

und dort wird ihm Gott geben

den Segen für und für.


Nach vollbrachtem Gesang / verlangte Polyphilus nichts mehr / als daß er diß Lust Hauß näher sehen könte. Deßwegen er / mit voller Hertzens Begierde /und freudigem Gang / dem Fuß Coßmaritis folgete /welcher je länger je näher zu der Grotten fortgieng. Da sie nun fast die Thür erreichet / und den Eingang suchen wolten / finden sie aussen vor derselben eine schöne und dabey erbare Matron / mittler Jahre / welche doch mehr zum Alter / als der Jugend geneiget. Das Scheinbarste / so sie zierete / und unter andern lobwürdigen Geberden hervor leuchtete / war die Beständigkeit ihres Gesichts / das sich durch keinen Anblick verändern ließ / und wurde selbige um so viel vermehret / weil sie in einer erbarn ungefärbten Kleidung / ohne bund-gewürckte und wild-verzierte Vergänglichkeiten / zu sehen.

Sie setzte ihren Fuß auf einen viereckichten Stein /der unbeweglich war / und wurden ihre beyde Seiten geschlossen / von zweyen andern Jungfrauen / die wegen[148] ihrer jungen Jahre / nicht unbillich ihre Töchter hätten können genennet werden.

Als nun Polyphilus über diesem unverhofften Anblick nicht wenig bestürtzet / und voller Wunder war /vermehret seine Gedancken ein Jüngling / der / mit erhitztem Lauff / durch die Wiesen / auf diese Matron zueilet / und sich ihr vertrauet; von welcher er auch in das Grotten-Zelt gelassen / und / so viel Polyphilus von ferne verstehen konte / von denen / die darinnen künstlich spielten / mit grossem Jauchtzen / empfangen wurde. Darob Polyphilus fast erstaunet / gleichwol vermochte die erhitzte Begierde bey ihm so viel /daß er sich nicht scheuete / diesem Jüngling nachzufolgen / obschon der Eingang so eng / daß er ihn vor der Thür stehen / und den Zutritt nicht weiter fördern hieß. Deßwegen er seinen Augen desto grössere Freyheit zuließ / weil die Füß / mit den Stricken der Verhindernus / gebunden waren.

So bald er aber durch die Thür schauete / ward er eines grossen Hauffens gezierter und höflicher Weibs-Personen gewahr / die den eingelassenen Jüngling umfangen hielten / und aufs schönste und lieblichste beehreten. Eine jede wolte ihm einen besondern Schmück anlegen. Bald kam eine / die ihn mit Geschencken verehren; bald wieder eine / die ihn mit allerhand Ergötzlichkeit belustigen; bald eine / die ihn mit Ehren krönen; und endlich / wieder andere / die ihn bald mit diesen / bald jenen Freud und Lieblichkeiten beglücken wolten: und da er von allen endlich einen Theil angenommen / huben sie ihn sämtliche auf ihre Schultern / und trugen ihn mit jauchtzender Freudigkeit / zu einer andern erbarn und etwas wohl-betagten Matron / die im letztern Theil[149] dieses Lust-Zelts auf einem erhabenen Thron saß / mit einer kostbaren Cron gezieret / welche von Gold und herrlichen Edelgesteinen dermassen gläntzete / daß sie Polyphilo leichtlich das Gesicht geblendet / wann er nicht mehr auf die erbare Kleidung derselden / und die freudige Geberden / als eben diesen wunder-künstlichen Zierath acht geben. Der Jüngling buckete sich in aller Demut gegen dem Thron / deßgleichen thaten auch die Jungfrauen / und nach dem ein jede dieser Matron die Hände geküsset / übergaben sie ihr den Jüngling /welchen sie mit einem Lorbeer krönte / und auf ihren Thron erhebete.

Als diß Polyphilus nach der Länge angesehen /konte er sich nicht länger erhalten: sondern fragte Coßmaritem / mit angehängter Bitt / daß er ihm die Bedeutung dessen allen nicht verhelen wolle / daß ihm sein Hertz etwas neues und nutzliches zu erfahren verspreche. Coßmarites versetzte hingegen / daß eben diß die wahre Kunst und Tugend deute. Setzeten derowegen ihren Fuß etwas wieder zuruck / und fieng Coßmarites folgender Gestalt an: Kunst- und Tugend-begieriger Polyphile! Dieser Bergichte Felsen ist der Ort / da Kunst und Tugend wohnet / welche mit gleich-beschwerter Müh und Gefährlschkeit erlanget /als diese felsichte Höhe bestiegen wird. Daß er aber so unbewohnt / und mehr einer grauen Wildnus sich gleichet / als einer so herrlichen Wohnung / ist die enge Strasse / so da hinan führet / Ursacherin / die nicht viel betretten noch durchwandern können / oder vielmehr wollen. Viel werden verhindert durch die Himmel-reichende Höhe; verstehe / die eingebildete Unmüglichkeit; Viel durch die gefährliche Klippen /da sich nicht wenig an[150] den Stein der Verzweiflung stossen; der grösseste Theil aber bleibet dahinden /wegen des rauhen und ungebahnten Weges / weil ohne Schweiß kein Preiß erlanget werden kan / auch keiner ohne Kriegen sieget. Daß aber unter den dreyen Berg-Felsen je einer höher / und dem Himmel näher ist / zeiget den Unterschied der Wanderer / deren etzliche wol einen guten Eingang machen / aber bald müd werden / und sich mit dem Vorschmack der wahren Tugend und Kunst lieber verwahren / als diese saure Arbeit / sie völlig zu erlangen / ausstehen wollen: Daher bleiben sie auf diesem nidrigen Hügel /und vermögen nicht von der Erden gen Himmel zu gelangen. Die aber / welche auch den andern Berg überkommen / sind die / welche zwar die Lieblichkeit der Weißheit etwas völliger kosten / auch selbige ferner zu erlangen bemühet sind: weiln aber der letzte Felsen so hoch / daß er nicht nur den Willen / sondern auch eine besondere Krafft und Macht / seinen Lauff zu vollbringen / erfordert: werden sie / wie die erste /durch Ungedult und Trägheit; also / an diesem Ort /durch Ohnmacht und versagte eusserliche Hülf und Mittel / auch mitten in dem Lauff / zu ruck gehalten. Welche aber theils der Vorsatz ihres Verlangens / die Begierde der Liebe / der unablässige Fleiß / die viel-vermögende Arbeit / die Großmütigkeit des Hertzens / und unüberwindlicher Zwang ihres gesetzten Ziels; theils auch die gütige Natur / das günstige Glück / und der gnädige Himmel / so weit geführet hat / daß sie / ohne Verhindernus / den dritten Felsen erstiegen / und Tugend und Weißheit erlanget / die können wir freylich denen unsterblichen Göttern nicht ungleich schätzen.[151]

Das alles gefiel Polyphtlo über die massen wol /und konte er diese artige Vorbildung nicht gnug verwundern / hätte auch / so es ihm zugelassen worden /selber seine Kräffte versuchet / ob er diese Berge zu besteigen mächtig wäre: aber Coßmarites / der solche seine Gedancken bald verstehen konte / antwortete ihm: begieriger Polyphile! es würde euch gar eine schlechte Mühe seyn / diese durch Menschen-Hände verfertigte Berg Felsen zu gewinnen / auch würde auf eine so schlechte That / eben schlechtes Lob folgen: aber dahin bemühet euch / daß ihr die wahre Kunst-und Tugend-Bahn durchwandern / und die hohe Pindus-Spitzen / welche bloß allhier in einem Bild gezeiget werden / ersteigen und gewinnen möget. Dann daher wird ein Ruhm erfolgen / welcher biß gen Himmel steigen / und mit der Ewigkeit in die Wette leben wird. Ihr sehet / Polyphile! in der Mitte jenes erhöheten Felsen zwo Weibs-Personen / die euch gleichsam wincken / und bitten / zu ihnen zu kommen: aber diese begehren euch die Begierde / Kunst und Tugend zu verlangen / entweder einzupflantzen / oder zu vermehren. Verlanget ihr zu wissen / wie sie benamet sind? Die eine wird begrüsset / die Mässigkeit / die andere nennet man / die Gedult. Und diese wollen euch und allen Kunst-begierigen lehren / daß ohne ihre Hülffe und Vorgang / keiner zu der wahren Weißheit gelangen könne. Ein mässiges Hertz dencket auf etwas Gutes: und Gedult überwindet alles. Darum erkennen wir aus ihren sorgfältigen Geberden / daß sie gleichsam die hinaneilende trösten und stärcken / daß sie ihren Fleiß durch keinen Schweiß sollen verrucken lassen: es werde geschehen / daß sie in kurtzer Zeit auf einen lustigern[152] und ruhigern Weg gelangen / da sie die süssen Früchte ihrer sauren Arbeit schon geniessen werden.

In dem Coßmarites dieses redte / hub Polyphilus seine Augen gegen dem Felß / und da er in acht nahm / daß zu dem dritten und höchsten kein solcher Weg führete / als zu dem ersten und andern: fragte er /wie man dann dahin gelange / weil er keine Bahn ersehen könne / so dahin führe? Das ists eben / antwortete Coßmarites / daß ich zuvor gesagt / es könne keiner unter denen Sterblichen ohne Vorgang und Hülff der Mässigkeit und Gedult zu der rechten Weißheit und wahren Tugend gelangen: so bald sich aber eins dieselbe führen lässet / und ihnen Folge leisten will /steigen sie selber dem Hülff-bittenden entgegen / fassen ihn in die Mitte / und heben ihn zu sich auf den Felsen: allwo der Lustbare / gebahnte / ebene und sichere Weg ist / welchen wir insgemein die Tugend- Bahn nennen. Diesen zeigen sie ihm / und dessen Hertz und Sinnen-erfreuende Lieblichkeit: Heissen ihn auch etwas ruhen / verstärcken seine schwache Krafft / und versprechen ihm / daß er nunmehr mit einem frölichen Gruß die Weißheit küssen / und der unerschöpflichen Freude eines friedlichen Lebens geniessen solle. Die Zusage wird auch im Werck erfüllet / dann das will der Lust-Weg / welcher / durch die Wiesen / zu dem Grotten-Werck führet / darinnen die Tugenden und die wahre Glückseligkeit wohnet. Hie ist das Wohn-Hauß aller Freuden.

Was zeiget aber / fragte Polyphilus / diese Matron /die ihren Fuß auf den geeckten Stein setzet / und / wie es scheinet / der Thür hütet? Sind nicht diese / so sie begleiten / ihre Töchter? so ists / gab Coßmarites[153] zur Antwort. Die Matron ist die so langverlangte / wahre und unverfälschte Wissenschafft / und diese ihre beyde Töchter / sind Warheit und Verstand. Daß sie aber auf einem vier-geeckten Stein ruhet / Bedeutet /daß der Weg sicher / und der Ort ohne Veränderung /ja auch die Gaben / so sie verehret / keinen wanckelbaren Glücks-Fällen unterworffen seyn.

Was für Gaben? fragte Polyphilus: dem Coßmarites antwortete: Friede des Gewissens / Ruhe des Gemüths / und Sattsamkeit des Verlangens. Dann so bald wir / fuhr er weiter fort / durch die Wissenschafft / zur Erkäntnüs der Warheit kommen / wird unser Verstand dermassen erleuchtet / daß wir gewiß wissen / es könne uns die Zeit unsers Lebens kein Unfall treffen / keine Unruh betrüben. Sicherheit / Vergnüglichkeit / Zufriedenheit ist an allen Orten. Und daß sie aussen vor der Thür stehet / hat nicht die Bedeutung / als wann sie den Eingang verwahre: Dann dieser stehet männiglich offen / weil keiner hieher gelanget / als der da hineinzugehen sich würdig gemacht; sondern daß sie die Ankommende / ehe sie völlig hinein gelassen werden / heilige / weyhe / und von allem Irrthum / den sie vorher in sich gesoffen /reinige / und also / gleichsam geschmückt / zum Zelt einlasse: allwo er von den frölichen Jungfrauen empfangen / und verehret wird: wie ihr dann / an diesem Jüngling / das Beyspiel / mit sehenden Augen / erfahren.

Wer sind aber diese? fieng Polyphilus an: darauf Coßmarites antwortete: Diese sind eben die völlige Weißheit / mit ihren Schwestern / denen übrigen Tugenden / welche ihn verehren / und zu der Crönung führen. Die Matron aber / welche / im letztern[154] Theil dieses Lust Zelts / den Jüngling krönet / ist die Glückseligkeit / die gibt ihm das köstliche Kleinod /der ewig ruhigen Freude / und preiset seinen Sieg /den er durch so viel Tugend-Ubungen erhalten / vergönnet ihm auch seines so lang gesuchten Ziels / nun endlich / erfreulich zu geniessen / und weiset ihm /aus was Gefahr er errettet / und in welche Sicherheit und beständige Ruh er versetzet worden. Und auf solche Art wird Kunst und Tugend erworben / welchem /wann auch ihr nachkommen werdet / wie ihr / so viel ich hoffe / Willens seyd / wird dieser Jüngling / selbsten den Polyphilum deuten: weil ihr diesem gleich mit Ehre / Freude und Glückseligkeit / nach erhaltenem Sieg / werdet bekrönet werden. Und so viel / beschloß Coßmarites / ist / euch zu erklären / auch zu zeigen / Königlicher Befehl / dem ich nach Vermögen Folge geleistet / und mich gehorsam erwiesen: beobachtet auch ihr eure Pflicht / so werde ich mich freuen / daß ich nicht vergeblich und ohne Furcht gelehret habe: und mit diesem verließ er Polyphilum / und verfügte sich wieder zu der Königin / berichtende / daß ihr Befehl sorglich und aufs fleissigste verrichtet.

Diese / welche indessen mit ihrem gantzen Comitat / der Göttin Pallas geopffert / trat zum Polyphilo /und ermahnete ihn / daß er der Göttin / welcher dieser Tempel heilig / wäre Danck schuldig / vor die Eröffnung solcher verborgenen Nutzbarkeiten; diesen nun solte er auf dem nächsten Altar / ehe er weiter geführet werde / bezahlen: deßwegen ihm dann / der Melopharmis kleiner Sohn ein Faß voll Rauchwerck darreichete / durch welches er seinen Danck aufopfferte: wiewol die unersättliche Begierde Polyphili mehr auf die Tafeln / so in dem andern Temrel[155] zu sehen / als an das Opffer dachte. Gleichwol aber / daß die Anwesende ihn nicht mit dem Laster des Undancks beschuldigen möchten / fieng er folgender Gestalt an: Soll sich mein Danck / denen Herrlichkeiten / so dieser Tempel in sich verborgen hält / allerdings gleichen / so will ich die Schwachheit meines Vermögens alsobald der Unmüglichkeit halber beschulden. Denn wie können himmlische Gaben mit menschlichem Danck verglichen werden: Doch nehmet an / ihr gnädige Götter! und sonderlich / du Kunst-herrschende Pallas! den schuldigen Danck / wie ihn eines Sterblichen Zunge in dieser Unvermögenheit aussprechen kan; nimm an zur Vergeltung die Folge / so ich dir mit Hertz und Mund / in allem dem / was du meinen Augen eröffnet / verspreche. Du nur / weil meine schwache Hand / ohne dein Walten / nichts würcken und vollbringen kan / stärcke mich in meinem Fürnehmen /daß ich mein Gelübd halten und bezahlen könne: so soll dir diese Stätte / von meinem Danck und Vergeltung ein ewiges Denckmal seyn und bleiben: auch diese Anwesende werden ein Danckmal aufrichten /und wird Kunst und Tugend selber dich / zu ihrer Beherrscherin / erwählen / und alle Sterbliche deiner Macht gehorchen.

Nach verrichtetem Opffer / berieff die Königin Coßmaritem wieder / beneben obgedachtem seinem Geferten / welcher Clyrarcha genennet wurde / und redete mit ihnen heimlich: der Innhalt aber ihrer Rede war dieser: Es gab die Königin Befehl / daß / wie Coßmarites Polyphilum den Tempel der Kunst und Tugend durchgeführt / und was darinnen zu sehen /erklärt: so solte Clyrarcha ihm auch[156] den Tempel des Glücks eröffnen / und nichts verhelen / was zur Verbesserung seines künfftigen Lebens diene: sondern ihm allerdings weisen / wie er die vielfache verderbliche Glücks-Stösse / mit den Waffen der Gedult / bestreiten / und / durch bessern Verstand / gewinnen könne.

Nach ertheiltem Befehl / fassete die Königin Polyphilum wieder bey der Hand / und wolte ihn in den andern Tempel führen: Da sie aber ihren Fuß von dem felsichten Gebürg gegen Nidergang lencketen / und Polyphilus seine Augen noch einst ruckwerts warff /ward er etzlicher zierlicher Gemähl und Sinnbilder /an denen Marmor-Seulen / darauf das Tempel-Dach ruhete / und an den Wänden aufgeführet waren / ansichtig / und da er / nach erbetener Erlaubnus / näher hinzu trat / fand er auf der rechten Seiten / gegen dem Mittag das Kunst-verdeckte Bildnus des Delphischen Apollo / welcher in Jünglings-Gestalt / auf einem Dreyfuß / mit einer / von 12. Edelgesteinen / gläntzenden Cron / gantz nackend / mit 4. Ohren / und gleich so viel Händen zusehen / welche eine Leyer gefasset hielten / die mit 4. Säiten bezogen / deren jede von einer Hand besonders gerühret wurde. Sein Haar gläntzete / wie die aufgeworffene Sonnen-Stralen /und sein Antlitz war entbrant vor Zorn / der Mund lief / als schäumete er vor Eyfer. Und da sich Polyphilus fast sehr über diese Figur verwunderte / also / daß er selbige mit tieffem Nachsinnen ansahe / trat die Königin zu ihm / mit diesen Worten: Ich glaube / Polyphile! ihr wollet heute von einem schwachen Werckzeug unterwiesen werden. Verstehet ihr nicht /was dieses Wunder-gebährende Gemähl in sich halte? Es ist der Künste-Gott Apollo /[157] und deutet in dieser Figur die gesunde Vernunfft / den besten und vortrefflichsten Theil des Menschen. Dieselbe gehet das Vermögen der vernünfftigen Seelen durch / als die 5. äusserliche / mit samt den 4. innerlichen Sinnen. Setzet sich zu einem Liecht dem Leibe / zum Raht der That /zur Führerin der Folge: also / daß sie mit Recht / die Verleiterin zum Guten / die Zuruckhalterin vom Bösen / die Verzehrerin der Laster / die Stiffterin der Tugend / die Vertreiberin der Unwissenheit benahmet wird. Und dieses zeigen die Edelgesteine / so an der Cron hervor leuchten. Weiln aber diese Wercke grosse Müh und nicht geringe Arbeit gebrauchen / ist er mit mehr dann einem Ohr und nicht wenigern Händen versehen / alldieweil junge Leut / ehe sie die Weißheit begreiffen / viel hören / viel schreiben / viel thun und verrichten müssen / ja in den 4. Zeiten menschlichen Lebens / Kindheit / Jugend / Mannheit und Alter /sich nicht satt hören / oder auch genug lernen können. Der Dreyfuß aber zeiget / daß nichts so verborgen sey / welches von der scharff-sinnigen Vernunfft nit endlich entdecket werde. Was zeiget aber das zornige Gesicht? fragte Polyphilus; welches die Königin erklärete / daß dadurch der Eyfer zu verstehen / welchen alle die / so / auf der Weißheit-Bahn zu wandeln /verlangten / müsten bey sich spüren lassen. Das /sagte die Königin / lernet von einem unerfahrnen Weib.

Polyphilus / dem die Wangen durch diese Wort gleichsam befeuert wurden / verfälschte den Hochmuth dieser Königin mit einer Schertz-Rede: doch mochte er seinen Grimm nicht so starck bergen / vielweniger diese Schmach so gedultig ertragen / daß er[158] nicht / da ihm die Königin auch die übrige Bildnussen erklären wolte / sein widriges Begehren / durch Vorwendung / nutzlichere Sachen zu erkunden / mercklich anzeigte; in welchem ihm auch die Königin nicht widersprach / sondern seinem Willen vor dißmal die begehrte Freyheit zuließ.

Gleichwol aber / damit die Ungedult Polyphili /den köstlichen Zierath des Tempels nicht verdeckte /war nechst bey gedachtem Bildnüs / die gantze Seite durch gezieret mit denen dem Apollo zugeeigneten neun Musen / deren jede in einem besondern Habit und auf andere Art gebildet / so gar / daß sich keine der andern gleichen / sondern eine jedwede von der andern wol unterschieden werden konte. Alles hie völlig auszudrucken / erfordert mehr Zeit / als uns vergönstiget: doch können wir das sagen; köstlich und künstlich war alles / dergestalt / daß wir zweiffeln / sollen wir in diesem Zierath ein Wunderwerck der Götter suchen / oder eine Kunst der Sterblichen preisen. Auf der lincken Seiten gegen Mitternacht /waren die sämptliche Tugenden / durch allerhand nachdenckliche Sinnbilder gemahlet / die großmächtige Tapfferkeit / durch den Schild des Laster-siegenden Herculis / darauf er selber auch gebildet. Die beliebte Mässigkeit / durch einen wilden Feigenbaum /welcher auch die unbändige Thier zäumen kan. Die begüterte Freygebigkeit / durch das Frucht-Horn. Die unverruckte Gedult / durch einen Amboß / darauf gehämmert wurde. Die getreue Liebe / durch den Salamander / welcher im Feuer lebet. Die belobte Beständigkeit / durch einen Falcken / welcher einen Demant-Ring umfasset. Die entdeckte Warheit / durch ein unbekleidetes Jungfräulein / welche in der[159] lincken Hand die Sonnen / in der rechten ein eröffnetes Buch / und einen Palm-Zweig führet / und mit dem rechten Fuß die Welt-Kugel betretten. Die Aufrichtigkeit / durch den Pfirsing-Baum / dessen Blätter der Lungen / und die Frucht sich dem Hertzen gleichet. Die Hoffnung /so nach Nutz und Ehren strebet / durch ein Feuer-farbes Kleid der Purpurnen Morgenröthe / in der rechten eine blühende Granaten-Stauden / und in der Lincken den Ancker haltend; ohne Zweifel durch dieses den Nutzen in Gefahr / durch jenen die Frucht der Tugend bedeutend. Und nach vielen andern / die / wegen ihrer Vielheit / zu beschreiben / die Unmüglichkeit verbietet / beschloß endlich das Bildnus der Gerechtigkeit diese Wunder-Gemähl / und war selbige gebildet durch einen dreyfachen Hügel. Auf dem Rechten war ein Schwert zu sehen / samt der Waag-Schalen / auf dem Lincken ein grünender Oel-Zweig / und auf dem Mittlern ein Königliche Jungfrau / mit einer Cron auf dem Haupt / in ein gantz gulden Stück gekleidet / und am Halse eine guldene Ketten tragend / welche an statt des Kleinods ein Aug führete / das verbunden war. Von der rechten Hand gieng eine Flamm / und die lincke beschwerete ein blutiges Hertz; dadurch anzudeuten / daß sie kein Feuer und Stahl / kein Blut und Tod achte: sondern / wie die Flamme / gen Himmel steige / und ihr Hertz / durch die Unsterbliche /von allem anfeindenden Ubel reinigen lasse. Gegen Morgen waren die lebhaffte Bildnussen der sieben Weisen aus Griechenland zu sehen / deren jeder seinen gewohnten Red- und Lebens-Spruch bey sich hielte / und dem Tempel eine nicht geringe Beschönung gab. Gegen Nidergang zeigeten sich die sieben[160] Künste / in ihrer gewöhnlichen Bildung / die von denen beyden Welt berühmten Platone und Socrate in die Mitte gefasset waren: auch war der über alle Weißheit erhabne Kunst-verständige Aristoteles / in Lebens-Grösse / und aufs eigentlichste abgebildet /doch also / als musterte er die sieben / welche sich seinem Gebot stelleten.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 129-161.
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