Vierzehender Absatz

[637] Beschreibet fast einen verliebten Streit / in der Dicht-Kunst / zwischen Polyphilo und der gelehrten Macarien / auch wie sie ihm die Werbung Evsephilisti heimlich zu vernehmen gibt / und wie er[637] dieselbe beantwortet: Lehret / daß je herrlicher die Tugend in uns blühet / je mächtiger erzeige sich die Widerwertigkeit / die / mit einer gefassten Gedult / zu überwinden.


Klüglich handelte Macarie in allem: noch klüglicher aber in dem / daß sie solche Bewerbungen / Polyphilo nicht alsobald hinterbrachte / dessen erhitzter Grimm sich nicht begütigen lassen / er hätte dann den Unverstand mit seiner Schärffe erleget. Doch / weil sie auch nicht alles verhälen könte / anhängte sie dieselbe /aber in grosser Ungewißheit / der Antwort seiner beyden Brieflein / die sie / so bald sie heimkehrete / mit solchen Worten / ihm zuschickte:


Edler Polyphile!

Daß derselbe nicht allein jüngsten / bey so vielfältigen Geschäfften / sondern auch diesesmal / an meine Wenigkeit gedencken / und mich mit einem Brieflein ehren wollen / hab ich vielmehr seiner Höflichkeit /als meinem Verdienst / beyzumessen / und erkenne mich deßwegen hoch verpflichtet. Viel höher aber darum / daß er in seiner Liebe / gegen mich / so unverruckt verharret / und keine fremde Bewegung / in seinen Gedancken / herrschen lässet / wünschende /daß es dem Himmel gefallen wolle / mir zu erlauben /solche Beständigkeit / mit schuldiger Gegen-Gewogenheit /[638] danckbarlich zu erwiedern. Daß er aber diese Liebe wieder aller anderer Einrathen fort zu setzen gedencket / wie sein erstes Brieflein bezeuget /düncket mich eine sehr bedenckliche Sache zu seyn /in welcher billig vorsichtig zu verfahren / dann er weiß / mein Herr! daß ein Mensch / wie klug er auch ist / dennoch allezeit lernet / und daß die Verliebten /gemeiniglich eine verwirrte Vernunfft übrig behalten. Denn Klugheit und Liebe vertragen sich selten. So ist die Härtigkeit nicht allezeit eine Freundin der Weißheit / und pflegen sich die jenige / welche sich einem verständigen Rathschlag halßstarrig widersetzen /selbsten sehr zu gefähren. Derowegen bitte ich freundlich / er wolle sich gefallen lassen / mir das jenige / was ihm andere rathen / zu eröffnen; ich verspreche solches / ohne einige Passion zu betrachten /und bloß auf der Wage der Tugend und Billigkeit abzugleichen: prüfe auch hierin seine Verträulichkeit /und versehe mich gantzkeiner Entschuldigung / sondern erwarte die freye Eröffnung / mit seinem nächsten Brieflein. Unterdessen habe ich beyliegenden allzukühnen Gedichten / welche sich auf sein sicher Geleits-Brieflein nicht länger wolten aufhalten lassen /erlaubet / den berühmten Sitz der Musen zu besuchen / und vor anderer Wissenschafft[639] / ihre Unvermögenheit kennen zu lernen. Bitte demnach / selbige auf seiner Stuben eine Zeitlang zu dulten / und wo sie geirret / freundlich zu erinnern / ich werde / wann ich künfftig die Ehre seiner Gegenwart erhalte / die Belohnung / vor so mühsame Unterweisung / neben dem Stuben-Zinse / nach seiner eigenen Anforderung /richtig machen. Zwar solten deren mehr / und also keine leere Blätter ankommen seyn: aber der zweiffelhaffte Zustand / in welchen ich / wider alles Vermuthen / gerathen / hat die übrigen / mit Gewalt / zu ruck gehalten; und wofern sich solche Verwirrung /mich ferner zu bestreiten / untersangen solte / würde ich gezwungen / ihn mit etlichen Zeilen / auf ein kurtzes Gespräch zu mir zu bitten / und durch seinen verständigen und wohlgemeinten Rath / in solcher gefährlichen Bestürtzung / Hülffe zu suchen. So lang sie aber / wie ich wünsch und hoffe / in ihren Schrancken bleibet / will ich die Erklärung / biß zu unsrer nächsten Zusammenkunfft / außsetzen / und indessen glauben / daß ich Höflichkeit und Schertz / vor Liebe / angesehen / auch meiner furchtsamen Einbildung / diesen Irrthum / gern zu gut halten. Aber nun urtheile mein Herr / ob ich Ursach habe / das Verhängnus zu beklagen / welches[640] mein Lieben / ohne Aufhören /verfolget / und eine Widerwertigkeit / mit der andern /häuffet / so gar / daß immer die letzte die erste übertrifft / und die Uberwindung schwerer und unmüglicher machet. Aber ich lasse diese Klage anstehen /und betrachte sein zierliches Brieflein / in welchem ich die Ursach / mit deren er seine fremde Bezeugung / in jüngster Besuchung entschuldiget / gantz vor gültig erkenne. Dieses einige nur wundert mich /daß er schreiben darff / er sey / durch mein Nachsehen / in seiner Zuruck-Reise / mächtig gestärcket worden; da ich doch erfahren müssen / wie wenig er dasselbe beobachtet / so gar / daß er mir nicht einen einigen Blick / zur Letze / gegönnet / wie fleissig ihn auch / meine dunckele Augen begleitet / und sich nach den seinen / als angenemen / gesehnet haben. Wie mir nun seine Höflichkeit dis zu gläuben aufdringet: also bemühet sich hingegen die Beredsamkeit / meine einfältige Feder zu überwinden / und durch derer unverdienten Ruhm / ihren Sieg grösser zu machen. Weil aber diese niemaln so vermessen gewesen / sich dieses gefährlichen Kampffes zu unterfangen; als überreichet sie willig die Waffen / zusamt der Ehre des Siegs / in ihres Gegners Hand / und bittet demüthig /diese Befechtung / in Ansehung[641] ihrer Schwachheit /zuruck zu ziehen / und sie vielmehr / wie eine unwissende Freundin / in solcher Ubung / zu unterrichten /als eine hochmüthige Feindin / zu verfolgen. Aber ich werde seiner Gedult / mit diesem untauglichen Brief /mißbrauchen / darum ich / wider meinen Willen / abbrechen / und bitten muß / dieses geschwätzige Brieflein günstig aufzunehmen / von seiner

beständigen Freundin

Macarien.


Das war eine Antwort: aber zugleich eine Aufforderung zu neuer Schuld; die wir noch eine Weile unbezahlet lassen wollen / und die Gedichte anhören / die sie / mit dem Brief / Polyphilo überschickte. Diese werden zeugen / was Macarie / in ihrer Einsamkeit /vor Zeit-Verbringung gehabt / indem sie nemlich / mit fleissigem Aufmercken; die Gedichte / in dem Buch Polyphili / durchgelesen / und befunden / daß er in einem Liedlein ihre Einsamkeit zu hart bestraffet: welches wir schon oben gehöret / und auf das 508. Blat versetzet: hat sie selbigem / mit solcher Nachahmung / widersprochen:


Einsam war bißher mein Leben /

einsam soll es bleiben auch /

nach der Frommen Leute Brauch /

die sich nicht auf Kurtzweil geben:

sondern in der Einsamkeit

bleiben ihre gantze Zeit.
[642]

2. Einsam bleiben meine Sinne;

einsam meine Wort und Werck;

einsam / was ich denck und merck:

Einsam / was ich sonst beginne:

denn der frommen Einsamkeit

schenck ich meine gantze Zeit.


3. Einsamkeit / der Wittwen Freude /

soll stets meine Freude seyn /

dieser helle Tugend-Schein /

macht / daß ich die Wollust meide;

und der frommen Einsamkeit

schencke meine gantze Zeit.


4. Zwar / wenn ich die Welt betrachte /

wird es vielen düncken schwer /

daß ich dieses thun begehr;

Daß ich alle Freud verachte /

und der trüben Einsamkeit

will ergeben meine Zeit.


5. Doch ist es ein edles Leben /

das vor allen mir gebührt;

den die Eitelkeit verführt;

Und die sich der Lust ergeben

aus der frommen Einsamkeit /

bauen lauter Hertzenleid.


6. Einsamkeit lehrt täglich sterben /

macht Verlangen nach dem Tod /

überwindet alle Noth:

Durch Gesellschafft viel verderben:

Drum will ich der Einsamkeit

schencken meine gantze Zeit.


7. Einsamkeit verlacht das Glücke /

lehrt / vergnüget / ohne Sünd /

leben / als ein Gottes-Kind;[643]

Wollust / Ehr und Geitzes Stricke /

hasst die fromme Einsamkeit /

drum schenck ich ihr meine Zeit.


8. Dieses werdet ihr bedencken /

werther Freund! und künfftig noch

diesem angenehmen Joch

eure Jahr und Tage schencken:

daß ihr / gleich mir / lauter Freud

findet in der Einsamkeit.


Die Ubersendung dieses Nachsatzes / bewegte sein Hertz / mit einer solchen Empfindung / die ihn von der Bestürtzung / welche der Brief erwecket / gantz abführete / und mit lachendem Munde / folgende Wort zu führen verursachete:


Wer gibt dir denn Gewalt / mein Schatz! daß du verkehrest

und änderst meine Wort? vielleicht weil ich dein Knecht:

Du mein Beherrscher bist: so nimmst du dir das Recht

aus eignem Willkühr hin: daß du den Schmertzen mehrest /

durch dein verkehrtes Thun: dieweil du dennoch ehrest

die trübe Einsamkeit: die / was du sagest auch /

nur Hertzenleid gebiehrt: und durch der Seufftzer Rauch /

den Freuden-Schein verdeckt. Wie? daß du nit verwehrest

auch meiner Hand die Schrifft: die nit / wie deine thut /

das / was zum bösen führt / will heissen recht und gut;

die nicht die Laster lobt? Ich weiß: soll ich bekennen?

Es ist doch nicht dein Ernst / du spielest so mit mir /

und widerstrebest dem / das ich vertrauet dir:

weiß gleichwol / daß du mich wirst deinen Liebsten nennen.


Ob er nun in dieser Hoffnung / nicht vergeblichen Trost suchete / weil er ein anders Hertz bey Macarien / aus dem Brief / auch denen übrigen Gedichten /leicht ermessen konte: dachte er dennoch / es gebühre entweder / seiner Ehr / oder Liebe / diesem Nach-Satz / einen Gegen-Satz zu widerstellen / der die Einsamkeit[644] zerstöre / und die Warheit bevestige. Deßwegen er in der Melodeye / wie sie am 508. Blat bezeichnet ist / dergestalt zu singen anfieng:


Einsam war bißher mein Leben /

einsam solt es bleiben auch:

aber weil der Frommen Brauch

sich nicht in Gefahr soll geben:

will ich mich und meine Zeit

reissen weg der Einsamkeit.


2. Selbsten die betrübten Sinne /

die verstummte Wort und Werck /

was ich trost-loß denck und merck;

Was ich furchtsam sonst beginne:

heischen / daß ich meine Zeit /

schencke nicht der Einsamkeit.


3. Was soll mir die Wittwen-Freude?

solt sie meine Freude seyn?

könt ich mich nicht schicken drein:

Weil ich alles Trauren meyde;

und nicht die geringste Zeit

schencke trüber Einsamkeit.


4. Dann wann ich die Welt betrachte /

die auf lauter Rosen geht /

und in vollen Freuden steht;

würde / wann ich sie verachte /

mit der trüben Einsamkeit /

traurig werden meine Zeit.


5. Dieses ist ein edles Leben /

da man bleibet unverführt /

keine Noth und Mangel spührt /

diesem wer sich hat ergeben:

endet mit der Einsamkeit

sein verzehrend Hertzenleid.
[645]

6. Solt / ich vor der Zeit / hie sterben?

ich verlange nicht den Tod;

weg / hinweg mit aller Noth!

die nur stürtzet ins Verderben:

dann ich meine Lebens-Zeit

schencke keiner Einsamkeit.


7. Ich verlache nicht das Glücke /

wann es mich anlachen will;

sey gleich wenig oder viel:

gönn es nur die Gnaden-Blicke /

so da hasst die Einsamkeit /

der ich schencke keine Zeit.


8. Wer diß wird mit mir bedencken;

und erfahren künfftig noch:

wird / in Warheit! diesem Joch

auch nicht eine Stunde schencken:

weil man nichts als lauter Leid /

findet in der Einsamkeit.


Nach dem blätterte er weiter in den Gedichten / und fand ein Sonnet / welches sie dem Maulbeer-Baum /darunter sie geliebet / und darüber schon Polyphilus seine Gedancken gehabt / zu Ehren / und zum willigen Danck / aufgesetzt / dieses Innhalts:


Du edler Maulbeer-Baum / der dunit pflegst zu grünen /

biß alle Kält vorbey: durch dessen Blätter Sasst /

lebt der bemühte Wurm / der Fürsten-Zierde schafft:

weil dein belaubtes Haupt mir will zum Schatten dienen:

so habe schönen Danck; doch darff ich mich erkühnen /

zu lieben unter dir / da deine bunte Frucht

mir stets vor Augen stellt die unglückhaffte Flucht /

die Tispe hat gethan: weil / bey dir / nicht erschienen

ihr treuer Piramus / von welcher beyden Tod /

und dem verliebten Blut / nun deine Frucht ist roth /

die vormals weiß erschien: du machst die Liebe scheuen:[646]

doch weil die Frücht so süß / daß jeder sie begehrt;

weil Seiden kommt vom Laub: so wirst du doch geehrt;

und ob du langsam blühst / machst du doch endlich freuen.


Fast beschämte Polyphilum diese künstliche Verfassung / deren seine Arbeit / bey weitem nicht zu gleichen war: Doch frenete er sich hinwieder / daß ihm die gütige Vorsehung / der gnädigen Götter / eine solche Liebe erwählet und gegeben / die ihm / in allem /eine mächtige Helfferin seyn könne. Den Verstand aber / der aller-verständigsten Macarien / die er nunmehr jener Belgischen Minerven / davon er / mit der Königin / Gespräch gehalten / nach Verdienst / gleichen konte / verwunderte er / in seinem Hertzen. Beydes aber / die Freude samt der Verwunderung / mehrete die Gewißheit ihrer Liebe / die dem Polyphilo /durch folgendes Garten-Gedicht / welches sie eben damals / mit verfertiget und überschicket / mit seiner höchsten Befriedigung / entdecket wurde:


Du wenig-gezierter / doch lieblicher Garten /

indem ich dich solte / mein Liebster! erwarten /

so offt ich bedencke den schattichten Ort /

das süsse Gespräche / die freundliche Wort /

mit welchen wir damals die Stunden vertrieben /

so muß ich dich rühmen / und höher noch lieben /

als Fürstliche Gärten / die kostbar erbaut /

woselbst man mehr Laster / als Tugenden schaut.

Den grünen / damit du natürlich gezieret /

den ästigen Bäumen / mein Dancken gebühret /

ich wünsche dir / für die genossene Freud /

bequemes Gewitter und fruchtbare Zeit.

Dich müssen der Sonnen Gold gläntzende Stralen

erwärmen / und jährlich von neuem bemahlen /[647]

doch schaffe / daß niemals verdrüßliche Reu /

mir möge gebähren die Liebe und Treu.

Du hast mich zwar öffterß mit lieben ergötzet /

und nachmals in Kummer und Schmertzen gesetzet.

Drum / fruchtbarer Garten! erhalte die Ehr /

und hüte / daß keiner diß Lieben verstöhr.

Laß alle die Worte / von beyden vernommen /

begrünend / im Lentzen / wie Blumen / bekommen /

und tragen sie Früchte / die heissen getreu /

so schwer ich / ich will dich besingen aufs neu.


Es waren auch diesen Gedichten die jenige beygefüget / welche wir allbereit am 335. und 339sten Blat angeführet: Deren letztes Polyphilus / nicht ohne Ruhm der gezierten Worte / und darein versteckten Weißheit: Das erste aber / weil es die Einsamkeit zu hoch rühmen wolte / fast mit einem Widerwillen laß: wie dieses der Gegen-Satz / in folgenden Reim-Zeilen verfasset / sattsam anzeiget:


Ist das dein rechter Sinn / was du hast jetzt geschrieben?

so hör mir wieder zu / was mich dazu getrieben /

mein Schatz! daß ich nicht auch / wie du / die Einsamkeit

erhebe: preise mehr die Erden-schöne Freud.

Was / Schatz! gedenckst du doch für Liebe Luft zu finden

auch in der Einsamkeit? Ob schon die Welt voll Sünden /

voll Schand und Laster ist: sind wir doch / wie wir sind /

weil auch in dieser Welt noch lebt ein Himmel-Kind.

Laß andre / voller Müh / in steter Unruh leben /

wir wollen in der Ruh / mit gutem Frieden / schweben;

Laß andre rennen fort / in voller Lust und Freud /

auf ihrem breiten Weg / und durch die Eitelkeit /

zur Höllen Pforten gehn: wir wollen anderst dencken /

und zu der schmalen Bahn der Tugenden uns lencken:

doch dennoch darum nicht / in trüber Einsamkeit /

ohn allen Lust und Schertz / verbringen unsre Zeit.

Ob die Gesellschafft dir der Laster-vollen Hertzen /

wie auch mir / nicht gefällt: so können wir doch schertzen /[648]

die wir auf Tugend sehn / und zum verdienten Lohn /

erhalten werden bald die ehr-bereichte Cron:

nit den verdammten Schmertz: Kunst-Tugend / die du liebest /

erfreut sich über dich / wann du dich mir ergibest /

dann das ist sein Befehl / dem widerstrebe nicht /

daß er nicht wieder dich auch seinen Willen richt.

Drum ob die schnöde Welt gleich kalte Freude giebet;

und ob sie noch einmal / vor Beten / Fluchen liebet:

ob auch die Heucheley an statt der Tugend steht /

und selbst die Gottesfurcht im falschen Schein hergeht:

so thut diß nur die Welt; lasst sie / wie sie will / handlen /

wir wollen Widersinns im engen Wege wandlen /

nicht folgen / wie sie führt: besondern widerstehn /

und solt sie noch einmal auf breitem Wege gehn.

Wir gehen nicht mit ihr: wir wollen Liebe schauen /

nicht Haß / nicht wieder Neid: und ohne Geld vertrauen

einander unsre Gunst; und bleiben immer Freund /

so lang das Glücke klar / so lang es dunckel scheint.

Auch wollen hertzlich wir; ich dich / und du mich grüssen /

ich will / ach! wie so gern / von dir viel hören / wissen;

auch reden noch dazu / nur Gott verleihe mir /

daß / was ich weiß / und hör / und rede / sey von dir;

Wer will dann / sag mir nun / die Einsamkeit erwählen?

Ich? nein / ich will mit dir / Schatz! lieber mich vermählen /

dann das gefällt mir wohl / das wünsch ich / und das ists:

was einig ich begehr: ja! du Hertzliebste bists:

So geht es andern auch / wie du must selbst bekennen:

daß sich um etzlich Jahr die Alte jünger nennen /

und frischer möchten gern: nicht einer wählt den Tod /

weil das heisst Sünde thun / und widerstreben Gott.

Die Jugend handelt recht / wann sie Gesellschafft liebet /

weil ihnen die Natur noch solche Kräffte giebet /

die nichts vergebens gibt: Gott selbst befihlets so:

daß mit den Frölichen auch wir seyn sollen froh!

so viel die Ehre heischt. Drum kan ich nicht verstehen /

wie du / mein schönster Schatz! das wilt zur Unehr drehen /

wann sie nach Ehre strebt / durch Kunst und Tapfferkeit /

auch wann sie ihren Ruhm sucht durch ein schönes Kleid.

So gehts jetzt in der Welt: und ist fürwar zu loben /

wann man nach Ehren strebt: und wann wir sind erhoben[649]

durch unser eigne Kunst / so sind wir rühmens werth /

weil der / der Ehr verlangt / ein köstlich Ding begehrt.

Ich selbst bin so gesinnt: was soll ichs nicht bekennen:

Viel lieber laß ich mich im grossen Namen nennen;

viel lieber trag ich auch ein schön-geziertes Kleid;

viel lieber biet ich selbst beleidigt an den Streit;

als daß ich solte mich viel lassen unterdrucken;

als daß ich Leinenwand solt tragen auf dem Rucken:

als daß ich wär veracht: dann das ist unser Sinn /

was in der Welt geschicht / das zielet bloß dahin /

und zwar mit Billigkeit: ich sehe keinen Schaden /

der daher rühren könt / wann gleich ein klarer Faden

bedecket meinen Leib: und wann ich mein Gewehr

führ wider meinen Feind; und wann ich meine Ehr

vermehre durch die Kunst. Ja! was sie / Liebste! saget

auch von der Liebsten Gunst / darnach die Jugend fraget /

und ihr Glück baut darauf; da thut sie recht daran /

weil keine grössre Lust sie mehr ergötzen kan.

Ich selbst bekenn es frey / wann du mich / Schatz! beglückest /

und deinen Rosen-Mund auf meine Lefftzen drückest /

so hab ich Glücks genug / ich bin dann selbst die Freud /

und wär es noch einmal auch lauter Eitelkeit.

Was sagst du von dem Spiel / und von der Lust zu trincken?

das ist uns ja vergönnt / biß daß der Tod wird wincken;

Und kan uns schaden nicht: wo nicht das gar zu viel

vor Gottes Richterstul erweckt ein Trauer-Spiel.

Wir lassen billich auch von ihrem Adel sagen /

die von dem Adel sind: wie wir hinwieder fragen

von unsrer Ahnen Zahl: hält sie der Adels-Schein /

so hebt die Tugend uns wol gar zum Himmel ein.

Wir / ob wir sind gering / sind dennoch unverachtet /

veracht uns / wer nur woll. Der nach der Weißheit trachtet

und suchet Tugend-Ruhm / den halt ich edel seyn /

weil Adel ohne Kunst nur ist ein falscher Schein.

Es folget auch nicht das / daß Arme für den Reichen

und ihrem schnöden Geld so balde müssen weichen;

Nein / das ist unser Schuld; das Geld erdrukt uns nicht /

besondern unser Sinn / der dorthin ist gericht /

wo gläntzt das klare Gold; das wir vor höher halten /

als andern theuern Koht: und ohne dem nichts walten /[650]

nichts richten können auch: wir fehlen aber weit /

dann der allein ist reich / der in Zufriedenheit

mit seinem Reichthum steht: wer über Mangel schreyct /

der nehme / was ihm fehlt: und wem sein Wunsch gedeyet /

der halte vest an sich: Gesellschafft liebe der /

der nicht viel darben will: und was er auch begebr /

begehr er das nur nicht / daß er woll einsam leben /

wer wird ihm in der Noth Hülff und Errettung geben /

da keiner helffen kan. Dieweil er ist allein /

und keiner nicht bey ihm / er muß verlassen seyn.

Wie kan der Krancke sich in seiner Last erheben /

wer wird ihm Safft und Krafft / wann er wird Krafftloß / geben?

Und wann / wer ist gesund / alleine leben will /

wo bleibet Lieb und Lust? Das aufgesteckte Ziel /

all unsre Wort und Werck: die Wollust ist zu fliehen /

doch so / daß wir nicht gar uns in das Traur-Joch ziehen;

die Wollust ist verdammt / die Tugend-Lust vergünnt /

nichts / als die Einsamkeit / ist ohne Lust erkennt.

Wer solte / frag ich / dann diß trübe Wesen wählen /

wer nehmen Leid vor Freud? Ich sag es / ohn verhälen;

und aus des Hertzens-Grund: ich wähle solche Freud /

die in Gesellschafft ist: verwerff die Einsamkeit.

Dann diese liebt mir nicht / es sey dann / daß geschehe /

daß ich dich / schönster Schatz! bey mir alleine sehe /

und du mich wieder so / dann will ich einsam seyn /

und in Gesellschafft mich mit dir nur lassen ein;

Du wieder auch mit mir: wilt aber du erwählen

auch ohne mich zu seyn / so wirst du warlich fehlen

und streiten wider dich: ich geb es doch nicht zu /

daß du / zuwider mir / erwählest solche Ruh /

die mehr ein Unruh ist / und eine Müh zu nennen /

du wirst es selbsten leicht / und ohne mich erkennen /

wann du dein Glück besiehst / und in dem Unglücks-stand

wilt fassen die Gedult: die keinen noch erkannt /

der ohne Tröster ist. Auch kanst du nicht verlachen

der Menschen Eitelkeit / und ihre schnöde Sachen /

weil du nur weinen must in trüber Einsamkeit /

die nichtes nicht gebiehrt / als lauter Traurigkeit.

Viel minder wirst du Geld / und Ehr und Lust vernichten:

eh wirst du deinen Sinn benzeiten dahin richten /[651]

wo / wann du bist allein / die Hülffe blicke dir /

die du verlangt ergreiffst / das / sag ich / traue mir.

Drum ändre deinen Sinn / erwähle lieber Freuden /

und nehre dich damit: du wirst dennoch wohl scheiden /

wann deine Stunde kommt. Es ist doch lauter Leid /

was einsam Leben ist. Drum flieh die Einsamkeit.


Polyphilus merckte wohl / daß er etwas zu hefftig geredt / darum er seine Künheit mit folgendem Sonnet entschuldigte:


Verzeih mir / liebes Kind! daß ich dir widersrreche;

und deine schöne Wort verändre / deinen Sinn

mir nicht gefallen laß; daß ich so kühne bin /

und dir halt Wider-Red. Schatz! dich an mir nicht räche /

und laß durchaus nicht zu / daß meine Künheit breche

das theure Liebes-Band / das uns beschlossen hält /

und halten ewig wird: wann dir es nicht gefällt /

daß ich mit Widerwill den Schluß des Hertzens schwäche /

der dich heisst einsam seyn: so beuge selbsten ihn /

alsdann bekommen wir ein Hertz und einen Sinn.

wie kan es müglich seyn: wann alles dir gefällct /

was mir beliedet nicht; wann ich erwähle das /

daran du Eckel haft: daß ohne Gegen-Haß

mit dir / in Einigkeit / mein Hertze werd gesellet.


Nun wollen wir wieder zum Brief kommen / und sehen / wie dieser Polyphilo gefallen. Alles anderen aber zu geschweigen / werden wir genug / mit der Erklärung / zu thun haben / die Polyphilum / in einen so zweiffelhafften Zustand / führete / als einmal Macarie hätte klagen mögen. Woher rühret doch / dachte er /der Zweiffel? Hat sie etwa meine Liebe vor Schertz und Freundschafft angesehen? Was für eine Verleumdung hat dann abermal meine Treue verfälscht / und meine Beständigkeit unrichtig beschuldet? Dann Polyphili wenigste Gedancken waren / daß sich einer unterstehen werde / Macarien[652] um Liebe zu bitten / weil er wuste / daß sich keiner deren Tugenden und Vollkommenheit würdig schätze. Es solt eins freylich sich wundern / wann er den verfinsterten Verstand / und die verblendete Augen Polyphili / ansiehet und erkennet / daß er die deutliche Wort nicht verstehen können / die ihm / den zweiffelhafften Zustand der Macarien / als die Verwehrerin dessen / daß die Liebes-Gedichte / gleich denen erfolgten / nicht mit überschicket worden / vor Augen legten. Er solte ja / aus dem Beschluß ihres Brieffleins / der vor lauter Liebe lieblich / genug ermessen haben / daß sie an ihn keinen Zweifel setze: ja auch und vielmehr aus dem Anfang /der seine Beständigkeit / nicht allein mit einem Lob /verehret / sondern auch / mit schuldiger Gegen-Gewogenheit / danckbarlich zu erwiedern / von dem Himmel / wünschet beglücket zu seyn. Allein Polyphilus war mehr verstockt / als verblendt. Deßgleichen Agapistus / welcher in gleicher Verwirrung versencket /so klug er auch sonst war / dennoch hier eine zimliche Prob seiner Einfalt sehen ließ. Was solte nun Polyphilus anderst thun / als seine Unwissenheit bekennen /und bey Macarien / um deutlichern Bericht ansuchen /wolte er anderst in der zweiffelhassten Furcht / es möchte seine Liebe bey Macarien erleschen / nicht länger bekümmert leben. Aber das Glück wolte auch dieses nicht gönnen / denn er eiligen Befehl von der Königin bekam / in einer nothwendigen Verrichtung /keine Zeit-Versäumnus anzunehmen / biß er ein glücklich End sehe. Was Polyphilus für ein bedrangt Hertz muß gehalten haben / ist aus dem leicht abzunehmen / daß er die Befreyung des Diensts / nicht so lang erwählen dorffte / biß er nur zwey Zeil[653] an seine allerliebste Macarien ausfertigen könte / darum er in allem desto geschwinder arbeitete. Endlich aber zeigete sich eine wenige Ruhe / die Polyphilus begierig ergriffe / und folgende wenig Wort / (dann mehr ließ die Kürtze der Zeit nicht zu) an Macarien absandte:


Allerliebste!

Die Kürtze der Zeit / und Vielfältigkeit der Geschäffte / die mir sonderlich der Königin Befehl / welcher keinen Verzug oder Aufschub leidet / anjetzo verursachet / zwinget mich / wider mich selbsten zu leben /und das zu erwählen / was ich mehr verlassen / oder verwerffen solte / indem ich ihr beliebtes Brieflein nicht eher beantwortet / oder noch / mit mehren Worten / beantworten kan. Sie wird aber / Allerliebste! die Schuld nicht mir beymessen / sondern die Entschuldigung vor gültig erkennen: wofern sie mir nicht Gelegenheit zur Hand geben will / mit entdeckter Warheit zu klagen / daß ich nicht wisse / wie ich antworten solle / und deßwegen auch nicht antworten können. Dann wie soll ich den zweiffelhafften Zustand erklären / in dem sie sich so verwirret schreibet / daß er die übrigen Verse / welche doch / in Warheit! gleich-angenehm und verlanget gewesen / mit Gewalt zu ruck gehalten? Wie soll ichs deuten / daß[654] sie Höflichkeit und Schertz vor Liebe angesehen? Was soll ich vor Ursachen urtheilen / um deren Willen sie über ein Verhängnus zu klagen? Meines theils bekenne ich so lang meine Unwissenheit / biß sie mir den erfreulichen Befehl ertheilet / auf ein angenehmes Gespräch sie zu besuchen / und Erklärung einzuholen. Welches dann mein einiges und höchstes Bitten ist: weil ich gern gestehe / daß ich / biß dahin / mit tausenderley Widerwertigkeit mich umgeben befinde / und nicht ruhen kan / ich habe dann zuvor / mit meinem wiewohl geringen / doch getreuen Rath; oder / wie ich mehr argwohne / durch die Versicherung meiner Beständigkeit / die gefährliche Bestürtzung deren / die mich mit ihr stürtzen würde / überwunden und zu Boden gelegt. Erwarte also nochmaln den verlangten Befehl / dem ich zu gehorsamen / mich ihrer Bedeutung nach / einstellen will. Biß dahin ich / wegen jetzt-verkürtzter Zeit / alles übrige verschiebe / so ich auf ihr beliebtes Schreiben schrifftlich solte / aber alsdann mündlich antworten will. Inzwischen empfehle ich sie dem Schutz des gnädigen Himmels: mich aber ihrer beständigen Gunst-gewogenheit: wie sie mich hinwieder / biß in meinen Tod / erkennen wird /

Ihren beständigen und getreuen

Polyphilum.[655]

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 637-656.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Paoli, Betty

Gedichte

Gedichte

Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon