Achter Absatz

[221] Talypsidamus komt / mit dem Servetus / der die Melopharmis abfordert / zur Macarie; welche jener das Geleit gibet / in Hoffnung / den Polyphilus auf der Strassen zu finden. Dieser erwartet der Melopharmis im Walde / und bekomt seine Macarie nicht zu sehen / die ihm doch so nahe gewesen. Sein Klage hierüber. Seine und seiner Reiß-Gefärten Wieder-Ankunfft in Sophexenien.


Macarie wolte der Phormena wieder antworten /wurde aber / durch des Servetus und Talypsidamus Ankunfft / verhintert; welche beede / so unverhofft hinein traten / daß sie etwas erschrocken fragte: Was bedeutet diese geschwinde Besuchung / geehrter Herr Vetter? Alles guts! gabe Talypsidamus zur Antwort. Ich bin dem Servetus ungefehr begegnet / und weil ich von ihm erfahren / daß Polyphilus erledigt / und Phormena bey Macarie sey / habe ich / diese zu erfreuen /und jene zu bedienen / mit hieher kommen wollen. Daran hat er wohl gethan / (sagte Macarie) und soll von mir schönen Dank haben. Er lasse ihm aber belieben / ein wenig bey uns zu sitzen / und des Servetus Botschaft zu vernehmen. Sie wird[221] bald abgeleget seyn / (versetzte Servetus) und bestehet bloß in einem freundlichen Gruß vom Polyphilus / neben der Bitte /daß Phormena mit ihrer Zurükkunft eilen wolle / weil er / auf dem Wege nach Sophoxenien / ihrer wartet /und / vor seiner Widerkunfft zu der Königin / sie zu sprechen verlanget. Liget es nur an mir / (sprach Phormena) so will ich nichtes hintern.

Damit stunde sie auf / und bate die Macarie um Vergebung / wegen ihrer kühnen Erinnerung: welche sich hingegen vor ihre Aufrichtigkeit bedankte / und neben einem gehorsamen Befehl und schönen Gruß an die Königin / an Melopharmis / und den Polyphilus /zu bevorstehender Reise Glück wünschte. Wollen wir dann nicht (fragte Talypsidamus) bey so schönem Wetter / die Phormena etwas begleiten? Ich bin es zwar willens gewesen / (sagte Macarie) habe es aber allein nicht wagen wollen / und werde in seiner Gesellschaft gern mitgehen. Es ist zwar unnötig / (sagte Phormena) daß sie sich meinetwegen bemühen sollen. Wann es ihnen aber also gefället / so wollen wir den Servetus voraus schicken / und mein Pferd / das ich an dem Ufer bey einem Jungen gelassen / biß an den Ort / da sich der Weg auf Sophoxenien scheidet /bringen lassen. Wol! sagte Macarie / als in der Hoffnung / ihren Polyphilus zu sehen / über diesen Vorschlag hoch erfreuet) sie bestelle es / so gut es seyn kan.

Also sandten sie den Servetus / das Pferd vor zu führen / sie aber spazirten allmählich hernach / und als sie / durch Hülffe des Talypsidamus / übergefahren / giengen sie eine zeitlang unter mancherley[222] Gespräch / und muste Phormena dem Talypsidamus alles erzählen / was sich biß daher mit des Polyphilus Gefängnus zugetragen / und wie es zu Sophoxenien aufgenommen worden; dessen er sich dann sehr verwunderte / und wegen Polyphilus sein Mitleiden bezeigte. Macarie hingegen / hörte zwar diese Erzehlung mit an / gieng aber doch immer in den Gedanken / ihren Polyphilus zu ersehen: deßwegen sie wenig redete /und mehr mit den Augen / als mit der Zungen arbeitete. Aber ihr Hoffen war umsonst / weil das Glück noch keine Ohren hatte / ihre Seufzer anzuhören / und sie / als sie bald einander erreichen wolten / wieder von einander risse. Dann als sie an die Stelle kamen /wo Servetus mit dem Roß ihrer gewartet / musten die beyde / weil der Tag abnahme / wieder zurücke kehren. Also nahmen sie von Phormena Abschied / und ließen sie / mit einem Gruß an den Polyphilus / in des Servetus Gesellschafft fort reiten.

Macarie kehrte nun wieder nach Soletten / und gienge / nachdem sie den Talypsidamus vor seiner Wohnung gesegnet / gar traurig in ihre Behausung /alda sie ihre betrogne Hoffnung mit diesen Zeilen beklagte.


Wie nichtig ist der Wahn / der meinen Sinn geblendet

Und mich verführet hat / als ich so schnell gewendet /

Dort jenem Walde zu / die Augen voller Lieb:

Weil mein Polyphilus mir gantz verborgen blieb.

Ich habe hin und her / auf alle Weg und Strassen /

Nach dir / mein liebstes Herz! die Stralen schießen lassen /

Doch leider / gar umsonst. Du bist zu weit davon.

Die Hoffnung hat gefehlt. Ich arbeit' ohne Lohn.

Ich muste / sonder dich und deine süsse Blicke /

Mein herz geliebtes Kind! nach langer Wart / zurücke.[223]

O! allzuharte Tritt! die nur aus Lieb geschehn /

Und ohne Gegen-Lieb nach Hause wieder gehn.


Dergestalt sehnete sich Macarie nach ihrem Polyphilus / welcher / noch bey früher Tagzeit / mit seinen Gefärten / auf der Solettischen Strassen angekommen / und nach seiner Liebsten sich umzusehen / etlichmal hin und her geritten war. Weil er sie aber nicht ersehen kunte / und gleichwol / wegen allerhand Ursachen / ihm nicht näher zu der Insul trauete / banden sie sämtlich ihre Rosse an die Bäume / und spazirten Agapistus und Tycheno in den Wald / Polyphilus aber legte sich / theils aus Müdigkeit / dann sie waren stark geritten / theils auch aus betrübtem Verlangen / auf eine Wiesen nider / allda der Phormena /und vielleicht auch der Macarie / zu erwarten. Die nun wärmere Sonne hatte den Schnee von den Feldern hinweg gelecket / und begunte an den blau-gewölbten Bogen / der Welt aufs neue zu schmeicheln / auch mit ihren Stralen den Polyphilus zu erwärmen.

Er nahme hiervon Ursach / sich seines Unglücks zu erinnern: Ach! sagte er / du glückseeliger Erdboden! wie einen grossen Vortheil hast du mir abgelauffen. Dann ob gleich deine Buhlschaft / die Sonne / ein Zeitlang mit dir gezürnet / und dir den Rücken gekehret / so kommet sie doch nun selbst wieder / und suchet sich mit vielen lieblichen Blicken bey dir auszusöhnen. Aber / wann wird der Winter meines Unglücks geendet / und das kalte Eis des Hasses / und der Verfolgungen einmal geschmeltzet werden. Ach! daß doch auch meine Sonne dieser ihrer Vorgeherin folgete / und mich / nach so langer Trübsal / einmal wieder bescheinete! Daß doch[224] Macarie / durch das Liecht ihrer schönen Augen / die finstere Nacht meines Verlangens erleuchtete! so würde ich gleiche Zufriedenheit mit der Erden genießen / und auf einmal von zweyen Sonnen erwärmet werden. Doch / wer weiß / ob nicht diese leblose Sonne / vor jener Trefflichkeit / verbleichen / und von dem lebendigen Glantz der Macarie bezwungen / ihre Stralen beschämet einziehen würde? Und die Warheit zu sagen / ich möchte es alsdann wohl geschehen lassen: Dann bey meiner Macarie / habe ich Liecht in der dicksten Finsternis / und Wärme im kältsten Winter.

Diß waren damals des Polyphilus Gedanken / biß er endlich die Phormena auf sich zu reiten sahe: weßwegen er aufsprange / und ihr eilends entgegen gienge. Er hatte sie kaum willkomm geheissen / da sagte sie: Was liget ihr hier / Polyphilus? Also hätte ich /wann ich ihr wäre / dißmal nicht gefanlentzet / sondern wäre / Macarie zu grüssen / noch einen kleinen Weg gegangen. Polyphilus über dieser Rede erschrocken / hielte sie aber doch vor schertz / und sagte: Ja wol! wie weit hätte ich gehen müssen. Nein fürwahr! (gab Phormena zur Antwort) sie hat uns / neben dem Talypsidamus / biß an den Scheid-Weg begleitet /und ist / kaum einen Büchsenschuß von hier / wieder umgekehret. Ach Himmel! (sagte hierauf Polyphilus) wie bin ich dann so schändlich geblendet! Ach! du ungetreues Glück / wilt du dann nimmermehr aufhören / mich zu verfolgen? Wie offt bin ich schon dieser so hoch-verlangten nahe gewesen / und du hast mich wieder zu rücke geführet / daß ich selbst vor meiner Freude geflohen. Was meinet ihr / Phormena?[225] Wie /wann ich alsbald zu Pferd säße / solte ich sie nicht mehr ereilen? Gar schwerlich! (versetzte Phormena) dann sie sind schnell fortgegangen. So haben wir auch wenig Zeit übrig / wann wir noch mit dem Tag nach Sophoxenien kommen wollen. Lasset euch vor dißmal mit einem Gruß / den sie mir anbefohlen / vergnügen /und suchet andere Gelegenheit / sie zu sprechen / welches / wegen allerhand Ursachen / höchstnötig ist. Wie so? (fragte Polyphilus / gantz erschrocken) ist vielleicht wieder eine neue Verwirrung vorhanden? Phormena erzählte ihme hierauf alles / was sie mit ihr geredet / und wie sehr man sich zu Soletten bemühe /ihn durch schädliche Nachreden verhasst / hingegen den Eusephilistus beliebt zu machen. Polyphilus kehrte sich zum Agapistus / welcher mit dem Tycheno inzwischen hernach kommen war / und sagte: Hat mir nicht mein Traum recht geweissaget? und bin ich nicht unter die mörderische Verleumder gefallen? Ach! daß ich nicht noch heute mich entschuldigen sol! wie werde ich diese Nacht mit Sorge und Angst zubringen müssen! Ey / mein Freund! (gab Agapistus zur Antwort) er gebe sich doch zu frieden! kan er seine Macarie doch bald besuchen / und ihr den Verdruß benemen: wann wir nur diesen Abend bey der Königin gewesen / so können wir schon morgen eine Ursach finden / eure Abwesenheit zu entschuldigen.

Aber saget mir / geehrte Phormena! weßwegen ihr dißmal die Macarie gesehen? Die eigentliche Ursache / (gab Phormena zur Antwort) wann ich sie offenhertzig bekennen soll / und von so vertrauten Freunden die Verschwiegenheit hoffen[226] darf / ist die Furcht /so wohl der Melopharmis / als der Königin selber. Dann / weil sie / die erste Zeitung von eurer Gefängnus und von der gezeiheten Mordthat des Polyphilus /mit etwas hönischen Worten / bey der Macarie / durch mich / anbringen lassen / (wiewol ich selbiger Botschaft gern befreyet seyn mögen / wo nicht der Gehorsam gegen Atychintide / und das Verlangen / der Macarie Liebe zu prüfen / mich zu der Folge getrieben hätte) als hat Melopharmis / so bald sie von dem Boten ihre Erledigung und Wiederkunft vernommen /bey der Königin angehalten / mich wieder nach Soletten zu schichen / und ihre vorige Botschaft bey Macarie entschuldigen zu lassen: damit sie nicht derselben gegen den Polyphilus / wann er sie etwan besuchte /erwähnen / und ihme zu Zorn und Rache Ursache geben möchte.

Das stehet gar schön / (sagte hier auf Polyphilus) wann man das / was die boßhafftige Rache / und die übereilte mütterliche Liebe / welche zwar leichter als jene zu entschuldigen / verbrochen / also widerruffen muß. Aber wie hat sich Macarie / in dieser Versuchung / erwiesen? Viel klüger / als ich jemals glauben können: (antwortete Phormena) daher auch die Königin über ihrer Antwort erstaunet / und gezwungen bekennen müssen / daß der vortrefflichsten Macarien bey dem weiblichen Geschlecht keine zu vergleichen sey. Sie hat aber hierbey auch einen Argwahn in meine Aufrichtigkeit gesetzet / also daß ich große Mühe gehabt / mich aus diesem Verdacht zu bringen.

Hierzu hat sie (sagte Polyphilus / den der Ruhm seiner Macarie sehr ergetzet) wegen eurer[227] Heucheley /grosse Ursach gehabt: Aber wir verlieren die Zeit /über diesem Gespräche. Es ist nun die Frage / wer von uns erstlich / Phormena oder wir / zu Sophoxenien ankommen sol? Weil wir geschwinder reiten können / (sagte Agapistus) so wollen wir Phormena ein wenig zu rück lassen / und voran reisen. Wohl! (versetzte Polyphilus) so lasse sie ihr dann / getreue Phormena! die Zeit nichtlang werden: wir wollen doch / so der Himmel günstet / diesen Abend wieder beysammen seyn. Es ist gut! (sagte Phormena) nur daß Tycheno gegen seiner Mutter nichts von meiner Erzehlung gedenke. Ach! dieses ist eine unnötige Sorge / (sagte Tycheno) weil ich den Polyphilus so sehr als meine Mutter liebe / und ihn ihrentwegen nicht erzürnen werde.

Also nahmen sie von der Phormena Abschied / und ritten mit dem Servetus nach dem Schloße. Unterwegs / bedachte Polyphilus seine Versäumnus / daß er / fast einer Stunde lang / auf der Wiesen gelegen /und seine Liebste / die sich / ihn zu sehen / so weit bemühet / ungetröstet zu rück gehen lassen. Was für ein wunderbares Verhängnus / (sagte er bey sich selber) muß in unserer Liebe / die doch nichts als Tugend verlanget / regiren? Was vor ein Gestirn / muß doch also ihren Fortgang verhintern? Oder / da ja alles durch die gerechte Vorsehung des Himmels getrieben wird / was vor Ursache hat derselbe / uns auf so mancherley Art zu quälen? Wie viel tausend leben in vergnügter Liebe / die nicht halb so viel Unglück /als wir / erlitten: und uns wird keine Ergötzung verstattet. Solte doch die Gedult selber / in so vielfältiger Widerwärtigkeit[228] / ihrer Natur vergessen / und zu Widerwillen verleitet werden!


O! Schöpffer / dessen Hand das Sternen Zelt regiret /

Und aller Menschen Thun mit ihrem Zügel führet!

Der mit gerechter Macht und weiser Ordnung ühret /

Was er auf diesem Rund / und in der Höh regiret:

Wie lange wilt du doch / so unerbittlich seyn /

So hart und unbewegt / zu wenden meine Pein?

Bald mehrt / des Neides Gifft / in mir die Furcht und Pein:

Bald muß ich unbewust / mir selbst zu wider seyn.

Es sucht Gewalt und List / zu schaden meinem Lieben:

Und diß nicht ungefähr; es wird von dir getrieben.

Durch dein Verhängnus ward ich vormals weg getrieben /

Ich muß auch biß auf heut noch unvergnüget lieben.

Doch was soll dieser Streit? das beste / ist Gedult.

Der Krieg ist voll Gefahr. Die Demut bringet Huld.

Drum schaffe / was du wilt / und laß mir deine Huld.

Ich weiß / du bist gerecht. Nur bitt ich um Gedult.


Dieses verfärtigte Polyphilus in seinen Gedanken /welche ihm Agapistus mit Willen frey ließe: biß sie bey dem Schloß so unvermutet ankamen / daß sie /sonder Warnchmung einiges Menschen / in den Vorhof einritten. Daselbst ersahe sie der Edelman / den die Königin zu ihnen ins Gefängnus geschicket hatte /und sagte es eilends der Atychintide / welche mit Melopharmis in ihrem Zimmer der Phormena Wiederkunft erwartete. Melopharmis voll Freuden / stunde alsbald auf / und lieffe ihrem Sohn entgegen / der indessen mit seinen Gefärten abgestiegen war. Sie fiele ihm um den Hals / und bezeigte mit tausend Thränen ihre mütterliche Zuneigung: Worauf sie auch den Polyphilus und Agapistus willkomm hieße / von denen sie hinwieder höflich empfangen wurde. Die[229] Königin war indessen der Melopharmis nachgefolget / und hatte von oben ihrer Bezeigung / nicht ohne Lachen /zugesehen. Der Ruff / von der Gefangnen Ankunft /erschalle alsobald im Schloß / und machte auch / daß die beede weise Alten hervor kamen. Die Königin ließ den Polyphilus durch eine aus ihrem Frauenzimmer wissen / wie daß sie seiner in ihrem Gemach warte: Der sich dann nicht lang säumte / sondern mit dem Agapistus dieser Jungfer alsbald folgte; Da aber Melopharmis mit ihrem Sohn ein wenig zu rück bliebe /und ihn viel Dings fragte.

Polyphilus / nachdem er mit dem Agapistus in der Atychintide Zimmer getreten / begunte sie / nach abgelegter Ehrerbietung / also anzureden: Durchleuchtigste Königin! wann das überstandene Unglück meiner Gefängnus nicht / mehr eine unbillige Tyranney /als eine verdiente Strafe wäre / solte ich mich billich schämen / mit solchen Lastern vor E. Maj. gerechten Augen zu erscheinen. Allein meine offenbare Unschuld heisset mich behertzt herzu tretten / in der Hoffnung / daß der Reichtum ihrer Gnade / durch ein unverschuldtes Leiden nicht erschöpfet seyn / sondern durch die Tugend des Mitleidens vermehret / ihren unterthänigen Diener vorig-genossener gnädiger Gewogenheit würdigen werde. Es wurde bey der Königin / so wohl durch des Polyphilus Gegenwart / als durch seine Rede / ihre törichte Liebe von neuem entzündet. Daher sie ihn mit halb-verliebten und beschämten Augen ansahe / und etlichmal die Farb veränderte / endlich aber aufs freundlichst ihn also beantwortete: Gebet euch zu frieden / Polyphilus! ich bin eurer Tugend[230] und Unschuld gnugsam versichert / und habe eure unbillige Verschliessung so verdrüssig empfunden / als frölich ich nun eure Wiederkunft ersehen. Dem Himmel sey Dank / der euch erledigt und mir wieder geschenket! Hierauf reichte sie ihme die Hand / und druckte die seine gar verliebt: Worauf sie auch den Agapistus willkomm hieße / und wegen erlangter Befreyung Glück wünschte.

Als indem auch die Melopharmis mit dem Tycheno ins Zimmer trate / gienge sie ihm entgegen / und sagte: Seit willkommen / mein Sohn! von der harten Reise. Kommet ihr mir doch gar lebhafft vor! was meinet ihr / Melopharmis? mich dünket / er sey indessen grösser und schöner worden? Was wäre es Wunder / Gnädige Frau! (antwortet Melopharmis) weil auch ein Zweig nach dem Messer wächset / und / das Holtz durch den Hobel schöner wird. So müste man /(sagte Atychintide) nach eurer Meynung / auch vom Unglück zunehmen? Aber ihr selbst zeiget das Gegentheil: weil ihr / von bißheriger Betrübnus / nicht stärker worden seyt. Demnach scheinet es / der Landherr müsse sie so herrlich traetirt haben. Ach nein! (sagte Tycheno) mich verlanget nicht mehr nach seiner Küchen. Die Königin fieng an zu lachen / und sagte: warum / mein Sohn! hat er euch dann nicht wohl gehalten? Ja / Gnädigste Königin! (versetzte dieser) nur gar zu wol / sonst würden wir ihm längst entronnen seyn. Sihe da! (erwiderte Atychintide) seyt ihr auf dieser Reise so klug worden / so ist sie nicht vergeblich gewesen.

Unter diesen Worten kam ein Edel-Knab / und berichtete die Ankunft der Phormena: worüber[231] die Königin sich etwas erschrocken anstellte / und die Melopharmis ihr entgegen sendete / mit stillem Befehl an dieselbe / ihre Verrichtung geheim zu halten. Aber Polyphilus / der bißher mit Cosmarite und Clierarcha gesprachet / kunte sich nicht enthalten / zu fragen: ob dann Phormena wäre verreist gewesen / und von wannen sie käme? Atychintide antwortete / halb errötet: Sie wisse gar nicht / wo sie gewesen / weil sie in ihren eignen Geschäfften verreiset sey. Polyphilus lachte heimlich hierüber / den Agapistus ansehend /inzwischen Phormena ins Gemach kame. Wie glückseelig ist dieser Tag / (sagte die Königin) weil er alle Unsere verlorne und Verreiste wiederbringet. Ja fürwar (antwortete Phormena) und hätte ich / so angenehme Gäste hier zu finden / vermutet / wäre ich vielleicht eher angekommen.

Wer weiß / (begegnete ihr Polyphilus) ob sie nicht eine liebere Gesellschaft verlassen / als sie hier gefunden? Vor ihn / (sagte Phormena) dürffte sie wol lieber gewesen seyn / aber vor mich schwerlich. Wie so? (fragte Atychintide sehr erschrocken und furchtsam /daß sie ihre Botschaft verrahten möchte) was habt ihr dann für Gesellschaft verlassen / die Polyphilus belieben solte? Meine Baasen / (versetzte Phormena) die er / als Jungfern / ohne Zweifel vielmehr / weder ich /lieben wird. Auf diese Antwort / gab sich die Königin wieder zu frieden. Polyphilus aber sagte / wie sie das glauben könne / da sie doch wisse / daß er keine Jungfer / sondern nur die Witwen liebe? Die Königin liebkoste ihr selbst / mit dieser Erklärung / sagte aber dennoch: Sie könne dieses schwerlich glauben / es[232] wäre dann / daß er die Macarie durch die Witwe verstünde. Ob nun wohl Polyphilus dieses mit einem heimlichen Seuffzer bejahet / antwortete er doch / mit gar fremden Gebärden: Er könte sich nicht erinnern /wann er diesen Namen hätte nennen hören / und habe / in diesem Unglück / aller Liebe / und aller Veranlassung zur Liebe vergessen.

Weil es Zeit zu speisen war / als gabe die Königin diese kurze Antwort: Was man vergessen hat / mein Polyphilus! dessen kan man sich bald wieder erinnern. Damit setzte sie sich zur Tafel / die andern ihr folgen heissend. Unter wärender Malzeit fielen unterschiedliche Gespräche / und muste insonderheit Agapistus / die gantze Handlung ihres Gefängnis / und wie wunderbarlich sie erlediget worden / erzählen: Da dann die Weisen des Richters Ungerechtigkeit bewunderten. Die Königin fragte: Wie sie ihre Zeit im Gefängnis zugebracht hätten? Elend genug / (gab Agapistus zu Antwort) und zwischen Furcht und Hoffnung: Daher ich zu thun hatte / den Polyphilus zu trösten /und dem Tycheno in Gedult zu erhalten. Seyd dann ihr allein so standhafftig geblieben? Fragte Atychintide ferner. Ich ware auch / Gnädigste Königin! (versetzte er) im leidlichsten Zustande / und weder eines Mords beschuldigt / wie Polyphilus / noch des Unglücks so ungewohnt / als Tycheno. Ich habe auch öffters mehr Hertzhafftigkeit sehen lassen / als ich empfunden / und aus einem geängstigten Hertzen /mit frölichem Mund geredet. Das ist schwer / (sagte Atychintide) und muß ich mich in dieser Kunst sehr ungeschickt bekennen. Doch was lehret die Noht nicht / die von vielen[233] der sechste Sinn genennet wird? Also sprachten sie von ihren Abenteuren / biß die Königin aufstunde / und sagte: sie wolte sie / nach so mühsamer Reise / der Ruhe überlassen. Hierauf sie Abschied name / und sich nach ihrem Zimmer verfügte.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 221-234.
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