Zehender Absatz

[246] Polyphilus! zu Macarien kommend / wird erstlich hart von ihr angelassen / aber nachmals durch ihre Freundlichkeit ergetzet. Ihr Gespräche. Macarie billigt und bewilligt sein Vorhaben / in den Schäferstand zu tretten. Sein Gespräche / von ihrer beyder Vermälung / mit seinem Wirte. Seine Reimen, über einen Traum von ihr. Seine Klage / und Gespräche mit dem Gegenhall / auf der Ruckreise.


Nachdem Polyphilus an die Thür vor Macarien Wonung gelanget / wurde er von ihrer Dienerin / die auf ihn zu warten bestellet war / gar stille eingelassen /und vor der Macarie Leib-Zimmer begleitet / aus welchem sie ihm entgegen kam / und ihn mehr höflich als verliebt empfinge: wiewol ihr Hertz / von dem ersten Ansehen / eine nicht geringe Bewegung empfande. Er bate um Vergebung / daß er sie zu ungelegner Zeit /und bey dunkler Nacht / besuchen dörfen. Worauf Macarie antwortete: Er hat sich nicht zu entschuldigen / geehrter Polyphilus! weil ich diese Zeit / wegen allerhand gefärlicher Nachreden / selbst erwählet. Die Laster können durch keinen Tag beschönet / und die Tugend durch keine Nacht beflecket werden. Er[246] lasse sich nur belieben / in meinem einsamen Zimmer die Ruhe zu nehmen / und mir zu eröffnen / um welcher Ursach willen er meine Gegenwart so hefftig begehret?

Wie sie nun sich zusammen gesetzet / begunte er also zu reden. Die Ursach / Allerschönste Macarie! warum ich diese Besuchung so inständig verlanget /ist diese / daß ich mich / wegen der überstandenen unglückseligen Gefängnus / entschuldigen; auch ihr die Furcht wegen der verleumderischen Nachreden / welche mir Phormena erzehlet / benehmen möchte; und dann das Verlangen / so ich bißher / in vieler Widerwärtigkeit / mit Gedult und Hoffnung unterhalten /durch ihre allersüßeste Gegenwart zu befriedigen. Mit diesen Worten schloße er seinen Arm um sie / sie zu küssen vermeinend. Als aber Macarie sich ihme mit etwas verächtlichen Gebärden entzoge / ward Polyphilus von Schrecken und Scham dermassen eingenommen / daß er sich kaum des Weinens enthalten konte. Er sahe sie mit erbärmlichen Augen an / und vermochte nicht mehr / als diese wenig Worte hervor zu bringen: Ach! mein Hertz! womit habe ich diese Ungunst verschuldet?

Macarie wurde zwar / durch seine klägliche Worte und Gebärden zu Mitleiden beweget; doch verheelte sie solches / und sagte: Mein Polyphilus! es ist noch nicht das erste beantwortet. Was nutzet ein Trunk Salzwasser / als nur den Durst zu vermehren? Er sagte / er sey / seine Gefängnus zu entschuldigen / zu mir gekommen: welches keineswegs vonnöten ist /weil ich seiner Unschuld albereitversichert bin / und dergleichen Laster[247] von ihme niemals gegläubet. Warum hat man mir dann (sagte Polyphilus / nun wieder etwas frölicher) einen so bösen Brief zugeschrieben? Ist er dann so böse gewesen? (begegnete ihm Macarie) Ich habe dadurch unsrer arbeitseeligen Liebe / und zugleich allem Unglück / ein Ende machen wollen. Wie ich dann auch dißmal bitte / er wolle seine Gedanken von meiner unseeligen Liebe befreyen / und das Gelübde der Einsamkeit / welches ich ohne Laster nicht brechen würde / zu seinem und meinem Glück befördern helffen. Ach! Himmel (fiele ihr Polyphilus in die Rede) was ist das vor ein Begehren? Ich gedachte / sie hätte den Verleumdern nicht geglaubet: so muß ich vernehmen / daß dieselbe ihr Gemüte ganz eingenommen / meine Liebe daraus verjaget / und den Eusephilistus an meine statt gesetzet haben.

Mein Polyphilus! (widerredte Macarie) hierinn beschuldigt ihr mich mit Unrecht: Ich liebe den Eusephilistus nicht / und werde ihn auch nicht lieben; ich will auch deßwegen euch alle Versicherung geben /die ihr selbst fordern werdet. Unbeständigkeit soll man nimmermehr von Macarie erfahren. Allein bedenket doch / Polyphilus! daß unsere Liebe von allen Menschen / und von dem Himmel selbst / gehintert wird. Betrachtet / was Gefahr und Unglück ihr schon deßwegen erlitten / und daß ihr / ohn dieselbe / der glückseeligste von der Welt seyn köntet. Derowegen überwindet eure Begierde / und überlasset mich der sichern und gewohnten Einsamkeit / in welcher ich allezeit eure Gedächtnus ehren / und eure Tugenden /durch meine einfältige Gedichte / erheben werde.[248] Schmertzet euch meine Verlassung: so erinnert euch des Gewinus / der dem Verlust folget / und euch von aller Widerwärtigkeit befreyen wird. Glaubet auch /daß ich eure Einwilligung dankbar erkennen / die Widersetzung aber widerwillig aufnehmen werde.

Wie dem Polyphilus / bey diesem Anbringen / zu Mut gewesen / ist nicht wol auszusprechen. Er wuste fast nicht mehr / wer oder wo er wäre / vielweniger /was er antworten solte; biß er endlich / vom Eifer und Ungedult ganz entzündet / in diese Worte heraus brache; Ist das der Schluß / auf welchen ich so lang gewartet? und der Lohn / den alle meine Arbeit verdienet? Ach! du grausamer Himmel / warum hast du mich Armseligen lassen geboren werden / auf den alles Unglück wartet? Und warum hat man mich nicht in der Gefängnis erwürget? so hätte ich diese harte Worte nicht anhören dürffen? Ach! Macarie! soll ich sie verlassen? so muß es durch meinen Tod geschehen / welchen sie bald erfahren soll: weil ich doch keinen andern Dank / vor alle meine Liebe / zu hoffen habe. Es wird mich ja ihre Härtigkeit nicht auch im Grab verfolgen. Aber der gerechte Himmel / welcher alle Unbarmherzigkeit hasset / wird diese Unbilligkeit rächen; und die Sterne / welche mir vielleicht heute das letzte mal geleuchtet / sollen Richter zwischen uns beyden / und Zeugen meiner getreuen Liebe / bleiben.

Hiemit wolte er aufstehen / hinweg zu gehen. Aber Macarie / ganz erschrocken über solcher Bezeigung /zoge ihn zu rück / und fiele ihm um den Hals / sprechend: Wo hinaus / mein Polyphilus![249] Lasset ihr eure verzweiffelte Passion euch so gar verführen? Höret mich nur recht an! Ich wolte viellieber die ganze Welt / als euch / erzürnen. Hierauf vollbrachte sie selber / was sie erstlich dem Polyphilus verweigert / und küste ihn so verliebt / daß er / von dieser Freundlichkeit wieder ermundert / sie vollends auf seinen Schoß hebte / und den Kuß mit so vielen erwiederte / daß es eine gute Weile schiene / als gedächten sie von einem Athem zu leben. Also / Macarie! also muß man sich des Polyphilus Liebe befreyen / und die Einsamkeit /wider alles Bitten / fortsetzen? Lerne nun / und lehre andere Verliebten / daß die Liebe keinen Befehl /auser ihrem eignen / achte / und die jenigen viel strenger zu fasseln pflege / welche sich ihrem Joch wieder zu entziehen vermeinen. Ach schönste Seele! (sagte endlich Polyphilus) was hat sie doch vor Lust daran /dieser Süssigkeit solche Bitterkeit vorlaufen zu lassen? Meinet sie vielleicht / daß diese Freude nicht ohne Angst müsse verlanget werden? habe ich dann solche nicht allbereit gnug erdultet? Muste dann /bevor man das süße Hönig der Zungen koste / dieselbe mit Wermut verbittert werden?

Nein / mein Hertz! (versetzte Macarie) ich habe / in dem Widerwillen / nicht der Lust / sondern der Vernunft gefolget / welche mich eine so geplagte Liebe fliehen heisset: Aber in dieser Bezeigung / folge ich der Lust und Liebe / vielleicht zu meinem Schaden und Verderben. Jene Bitterkeit / hat eine süße Ruhe geschaffet / aber diese Süßigkeit wird gewiß mit Reue versäuert werden. Dann gedenket doch / mein Hertz! was diese Besuchung / wann sie offenbar wird / vor Grimmigkeit erwecken kan?[250] Ihr heisset mich zwar lieben: aber was soll das Ende solcher Liebe seyn / und wann haben wir die Erlösung zu hoffen? Die Reise /welche uns hoffen hieße / ist krebsgängig worden. So haben wir auch / weder hier / noch zu Sophoxenien /eine nähere Verbündnis zu erwarten / weil es dorten die Liebe der Königin / und hier Eusephilistus hintert. Es hat euch meine unseelige Liebe allbereit in die Wellen gestürzet / am Arm verwundet / ins Gefängnis geworffen / und auf unzehliche Weise gemartert: und dennoch liebet ihr eure Krankheit / und lauffet selbst eurem Unglücke nach. Ja / wann ich euch gleich aus solcher Gefärlichkeit zu erretten gedenke / so widersetzet ihr euch nicht allein meinem Vorhaben / sondern reisset auch mich mit euch in den Abgrund des Verderbens. Dann wie wäre es müglich / daß ich eure sehnliche Klagen ohne Bewegung anhören / und des jenigen Seufzer dulten solte / den ich / wie meine eigne Seele / liebe?

Nachdem sie / mit diesen Worten / ihm freundlich die Hand gedrucket / küssete sie Polyphilus nochmals / und sagte: Ach! süße Lust meiner Seele! sie plage sich nicht mit dergleichen Gedanken! der gnädige Himmel / wird für unsere Tugendliche Liebe / ein fröliches Ende ersehen / und alle Widerwärtigkeit / so ihre Beständigkeit geprüfet / wird mit Ergötzung belohnet werden. Ich scheue kein Unglück / so lang sie mich liebet / und schätze einen einigen Kuß von ihrem schönen Munde viel höher / als alles Leiden /das ich bißher empfunden: wiewol auch selbiges nicht von ihrer Liebe / wie sie glaubet / sondern von meinem eignen Verbrechen hergerühret. Und was ist dann diß für ein Verbrechen?[251] fragte hierauf Macarie. Ach! von der Stunde an / (antwortete er) da ich den Hirtenstab / welchen ich in meinem Vatterland geführet /von mir geworffen / und Kunst und Tugend zu suchen / ausgereiset / habe ich alles Ubel und alle Plage empfunden. Weßwegen ich mir auch vorgenommen /selbigen wieder zu ergreiffen / und künfftig die Kunst und Tugendlehre mit dem Schäferstande zu vereinigen. Ich bitte sie auch / mein allerliebstes Hertz! in dieses Beginnen zu willigen / und die Niedrigkeit dieses Ordens nicht zu verachten. Er wird uns erwünschte Gelegenheit schenken / in vereinigter Liebe zu leben / der Verfolgung den Zügel aus der Hand rucken / und mich von der Atychintide Torheit / erlösen /die ich nicht gnugsam beklagen / und nicht länger erleiden kan.

Macarie / welche von diesem Vorschlag einige Hoffnung der Errettung schöpfte / war gleich damit zu frieden / und sagte: Ich habe den Hirtenstand / wann er nicht von der bloßen Einfalt geführet / sondern mit Tugend und Wissenschafft begleitet wird / allezeit hoch gehalten / und bitte / in diesem Fürnehmen fortzufahren / wünsche auch hierzu einen glücklichen Anfang. Allein in dieser Gegend / wird es sich / wegen der Inwohner Feindschaft / nicht wol thun lassen. Ich bin auch hierauf nie bedacht gewesen / (sagte Polyphilus) sondern habe nur ihre Einstimmung gesuchet. Ich will / so bald ich der Königin Bewilligung erhalten / eine gelegene Trifft aussehen / die mich und meine Gesellschafft / samt unsern Heerden / unterhalte / und also mit der allerschönsten Macarie mich endlich zu Ruhe setze.[252]

Indem klopffte Servetus an das Zimmer: deme dann Macarie / damit sie nicht in des Polyphilus Armen gefunden würde / selbst die Thür geöffnet. Er berichtete / wie daß die Malzeit zugericht wäre / und der Wirt gern die Widerkunfft des Polyphilus sehen möchte. Diß war dißmal eine schlechte Zeitung vor den Polyphilus: doch gab er zur Antwort / wie daß er bald folgen wolte. Als aber Servetus wieder abgetretten / ümfienge er nochmals seine Liebste und sagte: Ach! meine einige Freude! soll ich sie nun wieder gesegnen / da ich sie kaum gegrüsset? und verlassen / da ich sie noch nicht recht erhalten? Wie ist es müglich /daß ich die süssen Früchte / die ich jetzt nur ein wenig gekostet / schon wieder von mir legen kan? O ich Elender! wann werde ich anfangen allezeit so ergötzet / und nicht mehr von ihrer Gegenwart getrennet zu werden?

Vor dißmal (antwortete Macarie) kan es nicht anderst seyn / dann ob ich gleich gern bitten wolte /meine geringe Malzeit zu kosten / so muß ich doch allerley Auslegung / und wohl gar ein Unglück davon besorgen. Es ist einer Ehrliebenden Weibs-Person nicht genug / wann sie des Lasters frey ist / sondern sie muß sich auch des Argwahns befreyen. Wird er mir demnach zu gut halten / daß ich wider meinen Willen / unhöflich seyn muß. Vielleicht wird uns der Himmel desto eher wieder zusammen helffen. Er bemühe sich nur / behutsam zu verfahren / und vergnüge sich mit der Versicherung meiner beständigen Gewogenheit. Damit gab sie ihm noch einen Kuß: welchen Polyphilus mit vielen Seufzen erwiderte. Und / weil er sich nicht länger[253] aufhalten kunte / bate er gar beweglich / daß sie in der Liebe und Vereinigung getreu verbleiben / und keinem Verleumder Glauben geben wolte: in der Hoffnung / mit nächstem eine fröliche Zeitung von ihm zu empfangen. Endlich bedankte er sich / vor erzeigte Gunst / und nahm also einen betrübten Abschied: Da er von Macarie freundlich getröstet / und biß an die Thür begleitet wurde. Servetus wartete daselbst auf ihn: mit dem er / als er sie nochmals gesegnet / nach der Herberg gienge.

Unterwegs erzehlte ihm Servecus / wie ihn die Wirtin gefraget / von wannen sie kämen? und als er geantwortet / von Sophoxenien: hätte sie ferner gefraget: ob er vielleicht dem Polyphilus zugehörte / welcher ihnen die Macarie entführen wolte? Als er solches gelaugnet / und gesagt / wie daß sein Herr keine Frau verlange / sey der Wirt dazu gekommen / und habe sie heissen stillschweigen: sonst würde sie weiter geredt haben. Polyphilus ließe ihm dieses zur guten Nachricht dienen. Und als er in dem Gasthof angelanget /und sich zum Essen gesetzet / hieße er den Wirt bey sich sitzen / und sprachte mit ihm / von unterschiedlichen Sachen.

Letzlich sagte er: Er hätte vom Galesio verstanden / wie daß Eusephilistus mit der berühmten Macarie soll vertrauet werden; und fragte / ob dem also wäre / oder nicht? So viel mir wissend / (gab der Wirt zur Antwort) ist es noch ungewiß: doch hoffen wir /Macarie soll ein solches Glück nicht verachten / auch die Bitte dieser gantzen Insul etwas gelten lassen. Den Polyphilus verdroß diese Rede heimlich; doch sagte er lächlend: Diß wird eine schlechte Zeitung vor den Polyphilus[254] seyn / wann wir sie nach Sophoxenien bringen. Ja wol! (versetzte der Wirt) da wird nichts aus: Eusephilistus läst sich nicht von Polyphilus verdrängen. So wird auch Polyphilus / (erwiderte dieser) sich vor dem Eusephilistus nicht fürchten / und eher sterben / als daß er ihm die Macarie überlassen solte. Der Degen muß hier den Ausschlag geben / und den Polyphilus entweder in der Macarie Schoß / oder ins kalte Grab bringen. Dann so lang er lebet / soll Eusephilistus die Liebe seiner Macarie nicht erlangen. Dieses redte er mit solchem Eifer / daß der Wirt nicht wenig erschracke / und seine Worte in Schertz ziehend / antwortete: Mir gilt es gleich viel / welcher die Macarie erlanget / weil ich selbst hierzu keine Hoffnung habe / auch so wenig nach Frauen mich sehne /daß ich meiner eignen gern loß wäre / und so sie mir jemand entführete / schwerlich zehen Jahre deßwegen streiten würde / wie Menelaus wegen der Heleng. Hierüber lachte Polyphilus / und bereuete fast / daß er so hefftig geredt hatte: fürchtend / er möchte sich damit verrahten haben. Darum erzehlte er geschwind etwas anders / biß die Malzeit geendet war / und er /mit sehnlichen Gedanken von seiner Macarie / sich schlaffen legte. Ihm traumte auch von ihr / im Schlafe / so annemlich / daß er im Aufwachen noch die Hände ausreckte / und sie / weil sie entweichen wolte / anzuhalten vermeinte. Als er sich aber betrogen und gantz allein sahe / brach er mit tieffen seufzen in diese Worte heraus:


Du leeres Schatten-bild / daß mit der Nacht entweichet /

Du Kind des süßen Schlafs! was hast du mir gezeiget?

Wo ist die Schöne hin / die einer Göttin gleichet /[255]

Vor deren Trefflichkeit die Sonne fast verbleichet?

Wo ist sie / die sich erst so freundlich hergeneiget /

Und ihren zarten Mund zu küßen mir gereichet?

Ach! deine süße Lust / wann sie aufs höchste steiget /

Du falscher Lügen Traum! in einem Nun verschleichet.

Diß Malwerk des Gemüts / uns mit dem Schlaf erschleichet /

Und / als ein wahres Thun / auf unser Lager steiget:

Doch endlich nur Betrug / vor rechte Freude / reichet /

Und den gekränkten Sinn / vielmehr zur Liebe neiget /

Biß unser Angesicht / von Trauren / gantz verbleichet /

Und einem Todten mehr / als Lebendigen / gleichet.

Weh dem! der nichts geniest / als was der Traum ihm zeiget /

Der die Verliebten schertzt / und mit dem Schlaf entweichet.


Also beklagte Polyphilus seinen Irrtum / stunde damit auf / und eilete / weil es schon Tag ware / mit dem Servetus / wieder nach Sophoxenien / um die Melopharmis nicht zu erzürnen. Unterwegs erinnerte er sich der Freundlichkeit seiner Macarie / und ihres süßen Mundes / den er genossen: wiewol solche wieder-gedächtnus nur zu Vermehrung seiner Schmertzen / und zur Vergrösserung seines Verlangens / diente. Freylich (sagte er bey sich selbst) hat die kluge Macarie recht geredt / daß alle Ergötzung der Liebe /durch die geschwinde Verlassung / wieder verbittert werde / und einem Saltzwasser zu vergleichen sey /welches mehr Durst erreget / als stillet. Gleichwie ein erhitzter Kranker / durch starkes Getränke / seinem Durst nicht wehret / sondern nur ihn mehret / und die Leber entzündet: also kan auch ein Verliebter / durch eine kurtze Freundlichkeit / nicht genesen / sondern sehnet sich destomehr nach dem Verlornen / und befindet / daß die Furcht der Verlassung viel unerträglicher[256] sey / als die Hoffnung der Geniessung. Ich bin ja mit frölichem Gemüt hieher gereiset: mit betrübtem Geist reise ich nun wieder von hinnen / und möchte wünschen / daß ich diesen Tag wieder in den vergangenen verwandeln könte. Aber das ist vergeblich /und ich entferne mich nun immer weiter von meiner Macarie An statt ihrer angenemen Beywohnung /werde ich nun wider die Gesellschafft der unbesonnenen Königin haben / und mich in ihrer verdrießlichen Bedienung quälen müssen.

Als er / mit solchen Gedanken / in den Wald kame / und Servetus etwas voraus war / redte er mit der Gegen-schallenden Echo / wie folget.


Du Edle Nympfe! sag: was hab ich jezt gefunden /

Nachdem ich hab durch Lieb die Liebste überwunden?

Echo: wunden /

Ja wol! du redest recht / nur Wunden bring ich heim.

Voll Klag und Ungedult / ist / was ich red und reim /

Echo: Träum.

Was? Träume helffen nichts / als mehr uns zu entzünden.

Soll ich sonst keinen Trost / als nur in Träumen / finden.

Echo: Dinten.

Ach! Dinten und Papier / ergötzen kurtze Zeit /

Wer aber schenket mir die wahre Liebes-Freud?

Echo: Weid.

Die Weide soll es seyn? wie / daß ich dann verweile /

Zu suchen solchen Ort / der meine Wunden heile?

Echo: Eile.

Ach! Nymfe! habe Dank! jezt weiß ich was ich thu.

Dein rahten macht / daß ich gar frölich reite zu /

Echo: reite zu.


Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 246-257.
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