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[169] 1792.
Noch nie erscholl ein Name der Mächtigen
Zu meiner Leier, Jüngling; ich weihte sie
Den Freunden nur und Gott, und süßem
Häuslichen Glück, und der Liebe Thränen,
Und dir, Natur, im Hain und am Meergestad',
Und dir, o Freiheit! Freiheit, du Hochgefühl
Der reinen Seelen! Deinen Becher
Kränzt' ich mit Blumen des kühnen Liedes!
Und werd' ihn kränzen, weil eine Nerve mir
Noch zücket! werd' ihn kosten mit zitternder
Und blauer Lippe, wenn des Todes
Hand mir ihn reichet in hehrer Stunde.
Nun wind' ich junge Blumen im Kranze dir,
O Jüngling, weil du früh es nicht achtetest
Zu herrschen über Sklaven, weil du
Forschetest, hörtest, beschlossest, thatest!
Das Joch des Landmanns drückte Jahrhunderte;
Du brachst es! Hör' es, heiliger Schatte du
Von meinem Vater, der das Beispiel
Diesseit der Eider, und dann am Sund gab.
[170]
Du brachst es, Jüngling! wandtest errötend dich
Vom Dank des Landes, sahst auf dem Ocean
Der Handlung Bande, die des Neides
Hand und der Habsucht im Finstern knüpfte.
Zerrissest leicht wie Spinngewebe sie,
Daß nicht die stolze Fichte des Normanns mehr
Dem Bruderhafen huldigt, eh sie
Schwellende Segel dem Ostwind öffne.
Nicht gleiche Gaben spendet des Vaters Hand
Den Völkern; Eisen starret im Schachte dort,
Hier wanken Ähren, unsers Tisches
Freude gedeihet auf fernen Bergen.
Zum freien Tausche ladet der Vater ein;
Doch schmiedet, hart und klügelnd, der blinde Mensch
Dem Tausche Zwang; der biedre Normann
Kaufte sein Brot auf verengtem Markte.
Nun reifen fremde Saaten für ihn, wenn früh
Erwacht der Winter auf dem Gebirge sich
Ausstrecket, und von starrer Schulter
Glänzende Flocken in Thäler schüttelt.
Ich sah dich handeln, Jüngling, und freute mich
Doch nur mit halber Freude! Lud Danien
Nicht häufend noch auf seine Schulter
Fluch des zertretnen, zerrißnen Volkes,
Uneingedenk der heiligen Lehren, und
Für jene Ader fühllos, die Gottes Hand
Im Herzen spannte, daß sie klopfend
Unrecht und Recht und Erbarmen lehre?
[171]
Von Menschen kaufte Menschen der Mensch, und ward
Ein Teufel! – Wer vermag den getrübten Blick
Zu heften auf des armen Mohren
Elend und Schmach und gezückte Geißel?
Aufs schwangre Weib, das jammernd die Hände ringt
Am krummen Ufer? – Thränenlos starret sie
Dem fernen Segel nach; noch schallt ihr
Dumpf in den Ohren das Hohngelächter
Des Treibers, noch der klirrenden Kette Klang,
Und ihres Mannes Klage, das Angstgeschrei
Der jüngsten Tochter, die der Wütrich
Ihr aus umschlingenden Armen losriß. –
Du setzest Ziel dem Greuel, ein nahes Ziel!
Errötend staun' und ahme dein Beispiel nach
Der Britte, will er wert der Freiheit
Sein, die auf Weisheit und Recht sich gründet.
Gott setze deinen Tagen ein fernes Ziel,
O Jüngling! keins dem Segen, der dein einst harrt!
Sei deinen Tausenden noch lange
Bruder! Nur einer ist aller Vater!
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