62. Jahrhundertwende

[502] Jetzt schrieb man 1900. Ein neues Jahrhundert! Zwar war die alte Streitfrage wieder viel erörtert worden, ob das Jahrhundert bei der Ziffer Null oder erst bei Eins anfange; ich denke aber, daß in der Ziffer 1901 die Bezeichnung liegt, daß das erste Jahr des zwanzigsten Jahrhunderts vollendet ist, daß es also mit 1900 beginnt, daher schon ist. Die Zeit rinnt zwar ziffernlos in das Meer der Ewigkeit, aber solche Wendepunkte sind doch immer eindrucksvoll.

Auch in dem Rundschreiben des Zaren hieß es: »Diese Konferenz würde mit Gottes Hilfe ein günstiges Vorzeichen des kommenden Jahrhunderts sein.« Die Mitwelt hat aber diesen bedeutungsvollen Zeitabschnitt vorübergehen lassen, ohne »to turn over a new leaf« – ohne zu sagen: Jetzt wollen wir das zwanzigste Jahrhundert[502] durch den Bruch mit alter Barbarei einweihen. Die Barbarei wurde von ihren Liebhabern glücklich hinübergerettet, und ein über alle Maßen grausamer und jammervoller Krieg, mit helloderndem Jingoismus im Gefolge, wütete als ungünstiges Vorzeichen vom alten in das neue Säkulum fort.

Betrübt und erzürnt über diese Wendung der Dinge waren die Pazifisten alle; verzagt – keiner. Daß die Linie des Fortschritts manchmal eine Strecke zurückläuft, um dann wieder desto weiter nach vorwärts zu schnellen, das weiß man ja; und die gewonnenen Ergebnisse, die ungeahnt neuen Eroberungen auf dem Gebiete der Friedenssache waren nun einmal da. Das war nicht mehr rückgängig zu machen. Auch gab es in der Arbeit der Pioniere keinen Augenblick des Stillstands; die Proteste gegen die Fortsetzung des Südafrikanischen Krieges, die Erinnerung an die Mächte, daß ihnen die Mediation offenstand, die Artikel, die Petitionen – das alles wurde eifrig von unserem Berner Bureau, von Stead in seiner Wochenschrift, von den Vereinen in ihren Versammlungen fortbetrieben. Blieb es auch ohne direkten Erfolg, so war doch das Prinzip aufrechterhalten, der Standpunkt gewahrt, die Fahne nicht gesenkt.

Unsere Freunde hatten eine internationale Kundgebung veranstaltet, nämlich eine Adresse an die Mächte, zu welcher die Unterschriften von Körperschaften und hervorragenden Personen aller Länder gesammelt wurden. Zahlreich und imponierend waren die Namen derer, die sich anschlossen. Ich will hier aber auch die Antwort eines Großen verzeichnen, der sich nicht anschließen wollte. Unter vielen anderen hatte ich mich auch an Henryk Sienkiewicz gewandt. Er antwortete mit einem langen Brief, worin er ablehnt, die Petition zu unterzeichnen, weil er der Meinung sei, daß viel ärgere und uns näherstehende Leiden als die der Buren vorhanden sind, denen abzuhelfen wäre, nämlich die Leiden der vom »Hakatismus« verfolgten Polen; er glaube, daß die Engländer niemals imstande wären – wenn sie in Transvaal siegten –, zu versuchen, das dortige Volk zu entnationalisieren und aller Freiheit zu berauben. Wir mögen also, so schloß Sienkiewicz seinen Brief, lieber in unserer Nähe arbeiten:


Ah, Madame, avant de vous occuper de l'Afrique, intéressez-vous à l'Europe. Une gigantesque œuvre humanitaire est à votre portée. Travaillez à ce que l'âme de la nation allemande annoblisse le régime actuel et veillez à ce qu'elle ne s'avilisse pas par la fausse raison d'état. – L'Angleterre a donné naissance à un grand ministre qui a passé sa vie à[503] défendre les droits de l'Irlande opprimée: montrez m'en un second en Europe? Laissez en paix l'âme anglaise, car elle ira d'elle-même au but que vous vous proposez, et travaillez plus près de vous. Relevez la morale politique, annoblissez les consciences puissantes; puissent les nuées de l'injustice et du lèse-droit humain s'évanouir, puisse un souffle d'humanité rafraîchir l'air empoisonné par les courants hakatistes – portez la bonne nouvelle à vos proches, portez leur des paroles d'amour, travaillez à amener le règne du Christ dans leurs âmes. Vous avez noble cœur, ayez bonne et ferme volonté.


Ich erwiderte einige Zeilen, worin ich ankündigte, daß ich mit einem offenen Briefe antworten wolle. Darauf schrieb mir Sienkiewicz zurück:


Varsovie, 7 mars 1900.


Madame la Baronne,


J'ai permis à un journal de Cracovie de publier la lettre par laquelle je vous ai répondu, car dans des circonstances si importantes, la plus grande publicité ne peut que profiter aux idées que vous, Madame, défendez avec une chaleur si digne d'admiration.

La nouvelle que vous désirez me répondre par une lettre ouverte, me cause une véritable joie. Je crois que plus on porte de lumières dans ces souterrains, plus on en chasse les êtres qui ne peuvent exister que dans les ténèbres. –

Acceptez, Madame, l'expression de ma très haute considération.

Henryk Sienkiewicz.


Unsere Korrespondenz wurde damals in französischen und polnischen Blättern veröffentlicht. Der Text meiner Erwiderung liegt mir nicht zur Hand; ich weiß nur, daß ich darauf hingewiesen habe, man möge niemand, der etwas Nützliches, Hilfeleistendes unternehme, sagen: Tue lieber dies als das. Wenn sowohl »dies« als »das« zum gleichen Ziele: Befreiung, Aufhebung von Unrecht und Leiden führt – so tue man beides; besser aber als das räumlich Nähere ist das allgemein Umfassendere, denn mit der Verteidigung eines allgemeinen Prinzips dient man seiner Anwendung auf die übrigen lokalen Fälle.

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Alle diese politischen Korrespondenzen hinderten mich nicht, meine brieflichen Privatbeziehungen weiterzupflegen. Auch der Verkehr mit unseren kaukasischen Freunden war trotz der jahrelangen Trennung nicht abgebrochen worden. Das folgende Schreiben des Fürsten von Mingrelien, das ich unter meinen Briefschaften des Jahres 1900 finde, gibt davon Zeugnis:[504]


Pétersbourg 1900, 24 mars/6 avril.


Madame la Baronne,


Combien j'ai envie de vous voir et de causer avec vous! A Pétersbourg tous vos écrits sont traduits et votre personne intéresse le public.

Il est clair que toutes les sympathies sont pour vos belles idées. Il se passe pourtant un fait fort étrange; tout le monde est pour la paix, et à côté de cela toutes les puissances s'arment. Les lois internationales se lisent facilement, mais leur application est chose assez difficile. Il faut prendre son parti et avouer que le système de Brennus est toujours à l'ordre du jour. Les Anglais font au Transvaal ce que les autres font ailleurs. Les mêmes Boers qu'on pille à présent, n'ont-ils pas, eux- mêmes aussi, pillé les indigènes africains? Dans ce monde chacun son tour. C'est la grande loi immuable. »Qui se sert du glaive, périra par le glaive!« Quand on est philosophe, l'injustice paraît une règle – la justice une exception.

Salomé sera à Paris en mai, je crois. Pour moi, c'est en août que je compte voyager. En tout cas, je vous tiendrai au courant de mes faits et gestes. Je vous enverrai bientôt ma photographie.

J'embrasse de cœur votre mari, et me dis votre tout dévoué

Nico.

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Graf Apponyi arbeitete weiter an seinem Presseprojekt. Er schrieb mir darüber:


Budapest, den 27. März 1900.


Verehrte Frau Baronin!


Gestern hat sich hier ein Ereignis vollzogen, welches für die Friedensbewegung mit Gottes Hilfe von unberechenbarer Tragweite werden kann. Wir haben nämlich den ersten Schritt zur Gründung einer internationalen Friedensvereinigung der Presse getan, und die ungarische Gruppe derselben – unter Beteiligung fast sämtlicher hauptstädtischer Blätter – bereits konstituiert. Die geplante Preßvereinigung, für welche wir ein provisorisches Statut ausgearbeitet haben, soll mit der Interparlamentarischen Union auf jeder Stufe derselben parallel organisiert sein und in beständiger Fühlung stehen. Die Idee ist von der ungarischen Interparlamentarischen Gruppe ausgegangen, welche auch auf der Pariser Konferenz und vorher schon in der Brüsseler Zusammenkunft als Conseil interparlementaire den Antrag stellen wird, daß alle Landesgruppen sich um die Bildung von Gruppen der Presse bemühen sollen, und daß unser Interparlamentarisches Bureau diesen Gruppen provisorisch als Zentrum dienen soll, bis ihrer so viele sind, daß[505] der selbständige internationale Organismus der Presse ins Leben treten kann.

Ich habe die Sache auf dem Korrespondenzwege vorgearbeitet, habe an Descamps, Labiche, Rahusen, Dr. Hirsch, Stanhope, Pierantoni und Pirquet geschrieben. Pirquet arbeitet schon daran, von den übrigen Herren habe ich noch keine Antwort.

Die Tragweite des Planes bedarf wohl kaum der Erörterung. Auch erlaube ich mir eine Skizze meines im hiesigen Journalistenklub gehaltenen Vortrages beizulegen, die meinen Gedankengang klarlegt. Es ist kaum zu hoffen, daß die Zustimmung überall eine so enthusiastische und einhellige sein wird wie hier, wo eine exzeptionelle Intimität zwischen Parlament und Presse besteht. Aber einige einflußreiche Tagesblätter werden wohl überall zu gewinnen sein, und was wir brauchen, ist die systematische Arbeit dieser nicht speziellen Presse. Was hilft es, wenn zum Beispiel die »Neue Freie Presse« heute einen Artikel aus Ihrer Feder, Frau Baronin, bringt, auch einen solchen vom Staatsrat Bloch, aber die übrigen sechs Tage der Woche die Friedensbewegung, wenn überhaupt, so in abfällig höhnischem Tone bespricht? Solche sporadische Artikel einzelner hervorragender Persönlichkeiten werden dadurch zu Sonderarbeiten gestempelt und jede mögliche Einwirkung derselben auf den Leser sofort zunichte gemacht. Nur die bleibende, konsequente Stellungnahme der Redaktionen liefert die Wirksamkeit der Preßaktion. Denken wir uns nun dieselbe in der ganzen zivilisierten Welt einheitlich organisiert und geleitet und in taktische Kohäsion mit der parlamentarischen Tätigkeit gebracht, so dürfte wohl jene Dampfkraft hergestellt sein, deren die Haager Friedensmaschinerie bedarf, um in Gang gebracht zu werden. Dies scheint uns praktisch viel wichtiger, als neue Paragraphen erfinden, die etwa der Haager Konvention beigefügt werden könnten.

Nach allem dem brauche ich wohl kaum Sie ausdrücklich um wohlwollende Förderung unseres Planes zu bitten, denn ich glaube nicht, daß irgend etwas der Friedensbewegung mehr Kraft zuführen könnte als das Gelingen desselben.

In ausgezeichneter Hochachtung Ihr ganz ergebener

Albert Apponyi


Unbeirrt durch den Südafrikanischen Krieg hielt die Interparlamentarische Union ihre Konferenz ab, und ebenso versammelten sich die Friedensvereine zu ihrem alljährlichen Kongreß. Beide Veranstaltungen fanden in Paris statt, wo eben auch Weltausstellung war. Vom französischen Senat erhielt ich einen Brief, worin wir eingeladen wurden, der Konferenz als Gäste beizuwohnen. Verschiedene Umstände verhinderten uns, dieser Einladung Folge zu leisten. Die Konferenz wurde vom Präsidenten des Senats – heute[506] Präsident der Republik –, Herrn Fallières, mit eindrucksvollen Worten eröffnet. Die Sensation der Konferenz war das Auftreten und die Beredsamkeit des Grafen Apponyi. Er entwickelte seinen Plan der mit dem Interparlamentarischen Bureau verbundenen Preßunion, und es wurde auch tatsächlich der Grund zu einer solchen Union gelegt. Leider hat sich die Sache nicht gefestigt und nicht verbreitet. Das Gelingen wird einem nächsten Anlauf vorbehalten bleiben.

Die politische Zerrissenheit, welche damals unter der noch heftig zuckenden Erregung der »Affäre« die Franzosen in zwei Lager teilte, war ein für die Abhaltung einer interparlamentarischen Konferenz sehr ungünstig einwirkender Umstand. Der nachstehende Brief des Grafen Apponyi spielt auch darauf an:


Weidlingau, den 8. August 1900.


Sehr verehrte Frau Baronin!


Ich möchte dem beiliegenden Text meiner Rede nur einige Bemerkungen über die Pariser Interparlamentarische Konferenz beifügen.

Daß Sie nicht dort waren, hat uns zwar sehr betrübt, aber Ihnen selbst ist dazu nur zu gratulieren. Es war die traurigste, alle unsere Hoffnungen niederschlagendste Zusammenkunft, die ich mitgemacht habe. Die Franzosen fehlten dabei zum größten Teile: »Si M. un tel en est, je n'en suis pas« – so lautet heute die Parole; es war ein unglücklicher Gedanke, den Schauplatz unserer Bestrebungen in das heutige Frankreich zu verlegen, wo alles unter dem Gesichtswinkel des bis zum latenten Bürgerkrieg zugespitzten Parteihaders aufgefaßt wird. Alles, was nicht mit der gegenwärtigen Regierung – richtiger: mit dem linken Flügel derselben – sympathisiert, den Kammerpräsidenten Deschanel inbegriffen, streikte; die Presse war teils gleichgültig, teils feindlich. Ich fürchte, diese Konferenz wird einen bösen Rückschlag auf die Stimmung allenthalben ausüben. Die deutsche Gruppe schien mir von der französischen Zerfahrenheit angesteckt; sie erschien ziemlich zahlreich und verduftete gegen das Ende fast gänzlich.

Vielleicht sehe ich zu schwarz, aber ich habe wahrhaftig keinen persönlichen Grund dazu, denn meine Tätigkeit wurde auf das freundlichste aufgenommen und meine Gruppe – zahlreich erschienen – zeigte das erfreulichste Bild. Für die Gesundheit dieser Gruppe stehe ich ein.

Ich gebe aber die Sache in Frankreich nicht auf; soweit es die Kürze der Zeit und die allgemeine Flucht der Betreffenden gestattete, habe ich Fühlung mit den entflohenen parlamentarischen Kreisen gesucht und werde wohl in der Lage sein, diese Verbindungen zu vertiefen und vielleicht als neutrales[507] Bindeglied im Interesse unserer Sache zu dienen. Kein Franzose ist imstande, zwei nicht ganz gleichgesinnte Landsleute zu einem von beiden hochgehaltenen Zwecke zu vereinigen; nicht einmal unser sehr sympathischer Freund d'Estournelles, der noch am ehesten in allen Lagern, wenigstens sozial, wohlgelitten ist. Und ohne Frankreich kann man gar nichts machen.

Und auf die Frage, wer daran schuld ist, kann ich nur antworten: Alle. Wer aber am meisten? Das wäre ein langes Kapitel, in das ich gar nicht eingehen will, obwohl ich meine ganz bestimmte Antwort darauf habe.

Ich hoffe, Sie verübeln mir diese pessimistische Auseinandersetzung nicht: wir müssen aber sehen – nicht um zu verzagen, sondern um in geeigneter Weise zu handeln.

In ausgezeichneter Verehrung Ihr ganz ergebener

Albert Apponyi.


Unser Freund Dr. Clark, ein Schotte, der auf keinem Friedenskongresse gefehlt hat und sich dabei durch seine sachlichen, mit einem gewissen trockenen Humor gewürzten Reden auszeichnete, war eben in der britischen Presse zum Gegenstand heftiger Angriffe gemacht worden. Er gab mir über die Angelegenheit folgende Aufschlüsse:


Ardnahane Cove Dunbartonshire, September 11th

1900.


Dear Madam von Suttner,


I have received your letter for which I thank you very heartily. These are indeed evil days for the cause with which we are associated, though I cannot but think that the events of the last year must have led many to the contemplation of the awful waste of life and suffering caused by the present system of settling international disputes by force of arms, and will induce them to work for the day when Arbitration shall take the place of War with its horrible human sacrifice.

You mention the letters written to President Kruger and General Joubert by me on the 29th of September of last year, which have lately been published by Mr. Chamberlain and copied by the continental press. It is quite true that there has been a great deal of misrepresentation on that subject. For some months before the war began, there had been a small party in this country who had been working to bring about a peaceable settlement. I had some correspondence with President Kruger and General Joubert in which I had advised them to make such concessions to the British Government that the calamity of war might be averted, since the prosperity of South Africa must depend on the good faith and friendly feeling between the two white races. The published letters, to which you refer, are the last portion of this correspondence and were written less than a fortnight[508] before the war began. In my letter to President Kruger I gave him the result of an interview which I had with Mr. Chamberlain, in which I endeavoured to induce him to accede to the repeated request which the Transvaal Government had made, that matters at issue should be settled by arbitration and to consent that a permanent Arbitration-Tribunal should be formed to which all present and future disputes should at once be submitted. I told him that the Transvaal Government were willing to submit the differences pending between the two Governments to a court of Arbitration, consisting of the four Chief Justices of South Africa, and to accept the Lord Chief Justice of England as umpire in the event of the two Colonial and two Republican Chief Justices not being able to agree – a suggestion which, as you will have seen, the Colonial Secretary was not able to accept.

The force of misrepresentation and calumny, which the Peace Party here have had to endure from the virulent and unscrupulous Jingo Press, can be estimated by the manner in which they have misrepresented my warning to President Kruger. I knew, as everyone who knew anything of the geography of South Africa must have known, that the obvious line of action for the Boers to adopt would be that of seizing the passes, and I warned President Kruger that to do so would alienate the sympathy of many of their supporters in this country and on the continent of Europe. My words were deliberately misconstrued and it was asserted that I urged the Boers to seize the passes. Nothing further from the truth can be imagined.

But, in spite of the difficulties with which we have had to contend, there is, undoubtedly, a large minority here who are firmly convinced that the war is an unjust one and who regard the settlement by Annexation as another wrong against which they will continue to protest. We shall go on working, by all constitutional means, for the restoration of the Independence of the two Republics, believing that, by these means only, can peace and prosperity exist once more in South Africa. We believe that we are working in a just cause and shall hope, in the not too distant future that we may be able to appeal to the justice of this people, who will then have recognised the folly and wickedness for which they have been made responsible.

We do not doubt the future. We are sure that it is with us. It is true that middle classes and the moderate Liberals have abandoned their old watch-word of Peace, Retrenchment and Reform, but the Radicals and Socialists are standing firmly by these principles. I send you a copy of the Socialist paper Justice, which expressed fairly the attitude of the democratic party. I have, as you know, opposed the growth of socialism which I formerly believed to be inimical to freedom[509] and progress, but I am considerably modifying my views. The power for evil of the lawless and conscienceless capitalism, which is now rampant, is so great and entails such unlimited moral and physical degeneracy, that I am convinced some form of collective action is a necessity to put an end to its baneful influence.

The history of this miserable war determines us to stand more determinedly by the principle of the substitution of Arbitration for War. It becomes clearer and clearer that no permanent settlement can be based on war and that, as between individuals, so between nations, magnanimity is not only morally desirable, but it is the best policy.

I am taking a yachting holiday in Scotland, but we may be overtaken by a General Election here at any time.

Thanking you again for your letter, believe me to remain,

Yours faithfully

G. B. Clark.


Ich muß aber in dieser Transvaalsache auch einmal die Altera pars zu Worte kommen lassen. Das englische Volk, das man am Kontinent wegen des Burenkrieges so vielfach schmähte, war doch nicht in seiner Gänze, wie man es hinzustellen liebte, nur aus Gewinnsucht und aus Liebe zum Kriegführen in diese Kampagne verwickelt. Edle Motive (wie das eigentlich bei jedem Krieg der Fall zu sein pflegt) beseelten die meisten. Man will »befreien«, man will Unrecht in Recht verwandeln, man will dem Vaterland dienen und opfert sein Leben. Ziel und Zweck können ja lobenswert sein; das Unglück ist nur, daß das Mittel so unheilig und so verkehrt ist. Von der Schwester des Ministers der Kapkolonien erhielt ich folgendes Schreiben:


Stockton, April 18th 1900.


Madam,


Because of the high honour in which I bear you and the deep sympathy with which I read Die Waffen nieder, I send you this letter written by a Cape Dutch-woman, Sister of Mr. Schreiner, Primeminister of Cape Colony. I do not know if you are well enough acquainted with Cape politics, to be aware of the full significance of the fact, that he came into office as leader of the Afrikander Bond.

That his sister should write as she does about this war, should surely come as a startling revelation to many people on the Continent who are so sorely misjudging my beloved country.

She will answer for you as to the motives of those Cape Dutch who are holding by the Union Jack. For those of my own country I–living in the heart of England,[510] daily in touch with the lower, middle and upper middle classes–affirm to you, as before God, that no wish for conquest and no lust for gold weighs anything at all with us.

We are giving the lives of our best beloved–giving them by thousands–to right wrong, to destroy oppression of our fellow subjects, both white and black, to put an end to a very unjust and most corrupt form of government. Also to prevent our Colony of the Cape, Natal, Rhodesia and Bechuanaland, conquered by our blood and treasure at various times, from being wrested from us.

This is the simple truth. We should like high- minded people abroad to know and recognise that truth. But if it may not be, we can only still repeat the old battle-cry of our fore-fathers: »May God defend the right!«

Pardon an insignificant old English woman for venturing to address you. It is only because of the immense sympathy with your noble-hearted efforts to stop wars, ambitious and unjust, that I have done so. England loves peace also and her united millions who now with one heart and soul are carrying out this war (and Madam, the very peasants are naming their children after our Generals) would never allow war to be made on our European neighbours. There is not the slightest wish or expectation of such a thing among us. Foreign journals which assert the contrary and thereby try to fan the flames of war, are guilty of an European crime.

I am, Madam, faithfully yours

Emily Axbell.


Außer dem in Südafrika von beiden Teilen so hartnäckig fortgesetzten Ringen brachte das Jahr 1900 noch andere kriegerische Ereignisse über die Welt: die Wirren in China. Zuerst der Boxeraufstand, die Ermordung des deutschen Gesandten Ketteler, die Rettungs- und Racheexpedition der vereinten europäischen Truppen. Ich kann mich noch lebhaft erinnern, mit welchen Gefühlen wir die Phasen dieser Ereignisse verfolgten. Zuerst die Alarm-, dann die Schreckensnachrichten. Dann Kaiser Wilhelms »Pardon-wird-nicht-gegeben«-Rede – »noch in tausend Jahren darf kein Chinese wagen, einen Deutschen scheel anzusehen!« Ach, mein Gott, in tausend Jahren wird doch hoffentlich kein Mensch mehr den Menschen Furcht einflößen ... Dann die tägliche bange Frage: Leben die Gesandten noch? Dann die Freude daran, daß sich da spontan etwas gebildet hatte, wie es unserem Ideal entspricht: ein internationales Schutzheer zur Rettung von Bedrängten. Europäische Waffenbrüderschaft – ein Vorstadium der europäischen Einheit. Dann aber der Kummer über das Vorgehen dieses Heeres. Nicht[511] nur Schutz, sondern Rache, Grausamkeit und Plünderung. Die Schilderung der dort von Europäern auch an Nichtkämpfenden, an Unschuldigen verübten Greuel machten einem das Blut erstarren. Die Sache selbst: vereinte Truppen, Franzosen, Russen u.s.w. unter dem Kommando eines deutschen Generals, gehörte schon den neuen, sich vorbereitenden Zuständen an, – die Ausführung aber zeigte noch den alten Geist.

Noch ehe die Dinge in China zum ärgsten gekommen waren, schrieb der chinesische Gesandte in Petersburg, Yang-Yü, derselbe, mit dem wir im Haag verkehrt hatten, an meinen Mann, der sich in dieser Angelegenheit an ihn gewendet hatte, folgende Antwort.


Légation Impériale de Chine

St. Pétersbourg, 4/17 août 1900.


Mon cher Baron,


Les tristes événements qui se déroulent actuellement dans mon pays me font penser souvent aux amis de la paix et à ceux que j'ai eu l'honneur de connaître à la Haye.

Votre lettre datée du 8 cr. m'a profondément touché et je suis persuadé que, malgré que vous soyez une quantité négligeable comme vous le dites, vous finirez par triompher et dominer. De cette quantité négligeable jaillira la lumière et il suffira d'une étincelle pour allumer à jamais ce phare de la paix. Le sabre et le canon dont vous parlez, que ne puissent-ils se transformer dientôt en socs de charrue! C'est donc un devoir sacré pour vous de défendre cette noble cause avec une fermeté, une résolution et une conviction absolues sans jamais vous laisser décourager et sans vous lasser de faire entendre votre voix.

Je serais on ne peut plus heureux, si par mon opinion et mes impressions personnelles, je pourrai contribuer en quelque sorte à l'œuvre humanitaire que vous entreprenez.

J'ai visité, tant en mission qu'en voyage d'études, les Etats-Unis d'Amérique, le Pérou et autres états de l'Amérique du Sud, l'Autriche-Hongrie, l'Allemagne, l'Angleterre, l'Espagne, la France, la Hollande, le Japon, et la Russie; partout où je passais j'ai étudié les mœurs des peuples et je me suis tout particulièrement intéressé à l'armée, au commerce, et à l'agriculture, que j'ai trouvés être administrés dans la plus haute perfection. J'ai pris note de ce qui diffère ces administrations des nôtres et de ce qu'elles ont de bon pour en dofer mon pays. Mais le dirais-je! Cette rivalité constante et cette jalousie qui se manifestent chez tous les peuples nuisent un peu à cette perfection. Si j'ai un vœu à former, c'est celui de voir tous les pays se mettre au-dessus de ces sentiments et de vivre toujours en bonne intelligence, ce qui leur assurerait une paix durable.[512]

Le conflit qui existe à présent entre la Chine et les Puissances Etrangères provient en grande partie de malentendus des deux côtés. Je suis fermement convaincu que ni la Chine, ni aucune de ces Puissances ne veulent rompre leurs bons rapports. Les choses ont été poussées à ce point, grâce à l'incurie des fonctionnaires chinois et aux partis militaires aveuglés par l'ambition. Il est plus que temps de dissiper ces malentendus et de rétablir les anciens rapports; si non, non seulement la Chine sera réduite à la plus grande misère, mais encore des luttes internationales pourraient en résulter, ce qui ne serait certainement pas dans l'intérêt de l'humanité toute entière. J'espère que les gouvernements de tous les pays ne perdront pas de vue l'opportunité de mettre fin à cet état de choses.

La cause première qui a préparé et amené le présent conflit est due à la haine jurée du peuple contre les chrétiens. Certes, le but que poursuivent les missionnairesétrangers de faire du bien aux autres est très louable. Mais, en général, les Chinois bien- pensants ne veulent pour rien au monde abandonner la religion qui leur vient de leurs ancêtres pour en embrasser une qui leur est tout à fait étrangère; il en résulte que les nouveaux convertis sont par malheur et en grande partie des malhonnêtes gens qui s'abritent sous le couvert de l'église pour se livrer à leurs mauvaises passions, telles que: intenter impunément des procès, molester et dépouiller leurs compatriotes. Les sentiments du peuple qui n'étaient d'abord que de la colère et de l'indignation, et qui ne datent pas d'hier, se sont changés en une haine implacable dont il n'est plus possible d'arrêter les fureurs. Les Chinois ne veulent pas plus se convertir au christianisme que les Européens ne voudraient embrasser les maximes de Confucius.

Mon avis personnel est que les relations commerciales entre la Chine et les Puissances Etrangères pourront être développées tant qu'on le voudra, mais quant à la question de religion, il serait plus prudent de laisser chacun respecter la sienne comme il l'entend, ce qui serait de nature à préserver l'avenir de tout conflit. Je ne sais pas si les Gouvernements Etrangers finiront par reconnaître toute l'importance de la question pour y renoncer définitivement.

Croyant avoir répondu à toutes vos questions, je viens vous assurer que je serai toujours charmé de vous être utile et agréable.

Agréez, très estimé Baron, l'assurance de mes sentiments les plus distingués.

Le Ministre de Chine

Yang Yü.


Und einige Zeit später ein zweiter Brief von demselben:[513]


Légation Impériale de Chine

St. Pétersbourg, le 19/23 sept. 1900.


Mon cher Baron,


Merci bien sincèrement pour votre aimable lettre ainsi pour les coupures des journaux qui m'ont beaucoup intéressé.

Je m'empresse de vous envoyer et à Mme. la Baronne mes meilleures souhaits de von voyage et d'heureux séjour à Paris. Je forme également des vœux pour que vous remportiez de brillants succès sur la noble assemblée du IXme congrès de la paix. Une fois encore vous allez répandre la lumière et plaider cette cause de la paix qui devrait être chère au cœur de tout homme. Aussi serait-ce avec une grande joie que j'apprendrais que toutes vos entreprises dans ce but ont pleinement réussi.

Veuillez agréer, mon cher Baron, l'assurance des mes sentiments les plus distingués.

Le Ministre de Chine

Yang Yü.


Im Spätsommer fuhren wir nach Paris, um dem dort abzuhaltenden Friedenskongreß beizuwohnen und die Ausstellung zu sehen.

Johann von Bloch, der mit seiner Familie im Hotel Westminster wohnte, hatte uns eingeladen, als seine Gäste im selben Hotel abzusteigen. Jetzt lernte ich die Frau und die Töchter unseres Freundes kennen. Frau von Bloch sah wie die Schwester ihrer ältesten Tochter aus, so ähnlich und so jung. Diese Tochter ist die Frau des einst am Berliner Hofe so beliebten Herrn von Koszielski – im Volksmund »Admiralski« genannt. Bloch konnte auf seine Familie stolz sein. Einen Strauß von hübscheren, eleganteren und geistvolleren Frauen kann man sich schwer vorstellen als diese vier, die ihn umgaben.

Der Kongreß wurde von Minister Millerand eröffnet; Ehrenpräsident war Frédéric Passy, den Vorsitz führte Professor Charles Richet.

Eine neue Erscheinung war mir Madame Séverine. Ich hatte schon oft in französischen Zeitungen Artikel dieser genialen Frau gelesen und dabei den Glanz ihres Stils und besonders die Größe ihres Herzens bewundert; denn fast immer gab es ein Elend aufzudecken und zu lindern, eine begangene Ungerechtigkeit aufzurichten, die Ideen der Freiheit und Milde zu verfechten, wenn sie ihre Chroniken schrieb. Nun lernte ich sie persönlich kennen und hörte sie sprechen. Wer keiner der improvisierten Reden der Madame Séverine gelauscht, der weiß nicht, bis zu welcher Höhe von Leidenschaft[514] und Poesie die Redekunst sich erheben kann. Auch in ihrer äußeren Erscheinung ist Madame Séverine interessant. Sie war damals dreiundvierzig Jahre alt, hatte aber schon ganz weißes Haar (die Folge durchgemachter Lebenstragödien), dabei lebhafte, dunkle Augen, wechselndes Mienenspiel und eine zierliche Gestalt. Am Schlusse ihrer hinreißenden Rede begrüßte sie mich als »notre sœur d'Autriche«, und als sie geendet – wir standen beide auf dem Podium –, habe ich sie in meiner Ergriffenheit umarmt, und das gab einen stürmischen Jubel im Saal.

Die Ausstellung haben wir unter Führung Charles Richets im Fluge besichtigt. Alle Ausstellungen gleichen sich. Was mir besonders im Gedächtnis geblieben, waren: der Eiffelturm, das Trottoir roulant, die winzige Pavillonecke, in welcher unser Berner Bureau und seine Literatur ausgestellt war, und die Riesenhalle, in der Heer und Marine ihre neuesten Vernichtungsvorkehrungen aufgestapelt.

Richet lud uns auch zu einem kleinen, im Freundeskreis gegebenen Diner ein. Mein Nachbar war d'Estournelles. Wir sprachen von der allgemeinen Unkenntnis, die im Publikum gegenüber der Haager Konferenz herrschte, und er erzählte mir, daß er in verschiedenen Städten Frankreichs aufklärende Vorträge über diesen Gegenstand gehalten.

»Ach, wenn Sie einmal nach Wien kommen könnten, einen solchen Vortrag zu halten.«

»Sie brauchen mich nur zu rufen,« antwortete er – »Ihnen leiste ich jeden Dienst, den Sie von mir verlangen.«

Ich ließ mir darauf Handschlag geben.

In Paris habe ich damals ein mir wertvolles Freundschaftsbündnis geschlossen. Eine Engländerin, die Tochter eines Seekapitäns, die sich in Paris mit englischem Unterricht das Leben verdient, hatte sich mir im Kongreßsaale vorstellen lassen. Ich richtete ein paar artige Worte an sie und wandte mich zu anderen. Tags darauf schrieb sie mir einen Brief. Dieser war mit solchem Enthusiasmus, mit solcher Hingabe an meine Sache und meine Person erfüllt, daß ich er griffen war und die Schreiberin bat, mich zu besuchen. Miß Alice Williams, so heißt sie, kam geflogen und brachte mir einen Rosenstrauß. Aber mehr als Blumen – sie brachte mir eine Seele. Eine Seele, die ganz erfüllt war von den Idealen, die mir teuer sind. Als Tochter eines englischen Seebären, eher chauvinistisch erzogen und angeregt, war sie erst, so erzählte sie mir, durch die Lektüre von »Die Waffen nieder« bekehrt und seither zur begeisterten Anhängerin[515] geworden. Daß sie eine solche ist, hat sie mir im Laufe der Jahre bewiesen. Ihrer treuen Freundschaft, ihren klugen Ratschlägen, ihrer Energie und Tätigkeit danke ich viel.

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Nach Harmannsdorf zurückgekehrt, widmete ich mich wieder der literarischen Tätigkeit. Ich verfaßte den Roman »Marthas Kinder«, die Fortsetzung zu »Die Waffen nieder«. Auch der Meine nahm seine Arbeit wieder auf und schrieb an dem Roman »Im Zeichen des Trusts«. Dabei vernachlässigten wir aber nicht unsere Vereinsaufgaben und die publizistischen Arbeiten. Ich gab mir besonders Mühe, dem Zeitungspublikum Kenntnis zu verschaffen über das Haager Werk, das nun im Trubel der südafrikanischen und chinesischen Ereignisse ganz vergessen zu werden drohte.

Inzwischen waren aber doch die verschiedenen Konventionen ratifiziert und die Richter des ständigen Tribunals ernannt worden. Der Abmachung gemäß sollte jedes Land unter seinen angesehensten und hervorragendsten Männern vier Richter ernennen. Die so gewonnene Anzahl von Namen ergibt eine Liste, aus welcher im Konfliktsfalle bei Anrufung des Haager Schiedsgerichts die streitenden Parteien je zwei – ihrem Lande nicht angehörende – Richter wählen können, die ihrerseits einen fünften Superarbitrator ernennen.

Die Zeitungen brachten die Namen der Ernannten. Oesterreichischerseits waren Graf Schönborn und Lammasch, ungarischerseits Graf Apponyi darunter; in Frankreich Bourgeois und d'Estournelles; von russischen Richtern fand ich nur den Namen des Professors von Martens. Ich schrieb diesem, um ihm zu gratulieren und zugleich zu fragen, wer die drei anderen von der russischen Regierung ernannten Richter seien. Darauf erhielt ich folgende Antwort:


St. Pétersbourg, 1 (14) novembre 1900.


Madame la Baronne,


Je m'empresse de vous présenter mes très sincères remercîments pour les félicitations à l'occasion de ma nomination comme membre de la cour permanente d'arbitrage de la Haye, dont vous avez bien voulu m'honorer. C'est le plus grand honneur de ma vie dont je suis fier, et c'était pour moi une vraie joie de recevoir vos félicitations. Vos éminents mérites dans la défense des intérêts de la paix et de l'arbitrage vous ont garanti, Madame, une place exceptionnelle parmi les partisans de cette grande idée. Je vous remercie encore une fois du fond de mon cœur.

Vous me demandez, Madame, quels sont mes collègues russes à la cour permanente? Je suis heureux de pouvoir[516] vous dire que ce sont les premiers jurisconsultes et hommes d'état de Russie. Voici leurs noms:

1° S. Exc. le secrétaire d'état M. Pobédonostzew, procureur du St. Synode. Les idées religieuses de M. P. et son grande influence dans les plus hautes sphères gouvernementales sont connues en Europe. Mais c'est en même temps un grand jurisconsulte, un savant accompli, et un ami sincère de l'arbitrage international.

2° S. Exc. le secrétaire d'état, de Frisch, qui occupe au conseil de l'empire de Russie la place du président de la »Section des lois«. C'est un homme d'état russe d'une très grande influence dans toutes les questions législatives et un des plus hauts dignitaires de l'empire. Il a été le président de la grande commission pour élaborer le nouveau code criminel de Russie.

3° S. Exc. le secrétaire d'état, N. Mourawiew, actuellement ministre de la justice de l'empire de Russie. C'est un homme d'état doué les plus grands talents et un jurisconsulte tout à fait éminent. C'est le cousin du feu comte Mourawiew.

Enfin le dernier – c'est votre humble serviteur. Par la nomination (au mois de mai) de ces membres russes de la cour permanente d'arbitrage, S. M. l'Empereur a certainement voulu prouver encore une fois toutes ses sympathies pour cette création de la conférence de la paix, et tout son désir de donner à cette cour le plus grand éclat et la plus sérieuse importance. Telle est pour sûr l'opinion qui domine jusqu'à présent dans les hautes sphères gouvernementales.

Vous m'obligerez infiniment en m'expédiant trois exemplaires de votre article sur la cour permanente et ses membres. Peut-être trouverez-vous possible de faire insérer votre étude dans la Neue Freie Presse qui est lue en Russie?

Mme. de Martens se rappelle à votre bon souvenir, et moi, je vous prie, Madame la Baronne, d'agréer l'assurance de ma très haute et sincère considération.

Martens.


Von den übrigen Briefen, mit welchen die neuernannten Delegierten für meine Glückwünsche dankten, führe ich noch den des Grafen Schönborn an:


Wien, 11. Januar 1901.


Verehrteste Baronin!


Wollen Sie meinen verbindlichsten und ergebensten Dank entgegennehmen für das überaus gütige Schreiben vom 8., welches gestern in meine Hände gelangte und welches ich sofort beantwortet haben würde, wenn nicht eine längere Sitzung im Verwaltungsgerichtshofe meine Zeit in Anspruch genommen hätte.

Empfangen Sie gleichzeitig meinen wärmsten Dank für die freundliche Zusendung der hochinteressanten Publikation sowie Ihrer wohlwollenden Glückwünsche.[517]

Ich bin von der Wichtigkeit der der Haager Schiedsgerichte gestellten Aufgabe so durchdrungen, daß ich anfangs Bedenken hegte, die Berufung anzunehmen, und es erst einiger Aufklärungen bedurfte, um mich darüber zu beruhigen, daß ich das ehrenvolle Mandat annehmen dürfe.

Wir, d.h. das Schiedsgericht, werden anfangs vermutlich nicht viel in Anspruch genommen werden; ich hoffe aber zuversichtlich, daß ein guter, lebensfähiger Keim gelegt worden ist und später, wenn in mehreren, zunächst wahrscheinlich unwichtigen Fällen die Institution erprobt sein wird, die Zahl ihrer Anhänger und die Zahl und Importanz der ihr zugewiesenen Streitfälle wachsen wird! –

Mit dem Ausdrucke besonderer Verehrung zeichnet sich in aufrichtiger Ergebenheit

Friedrich Schönborn.


An zwei deutsche Herren, die zu der gleichen Würde ernannt worden waren, schickte ich nebst Glückwunsch je ein Exemplar meines Haager Tagebuches. Der eine antwortete gar nicht, der andere schickte mir 3 Mark.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Der Uebergang in das Jahr 1901 brachte noch immer kein Ende des Burenkrieges. Eine so große Macht gegen eine so kleine – und so lange schleppte sich die Entscheidung hinaus! Viele der Voraussagungen Blochs über die moderne Kriegführung: der Vorteil der Verteidigenden, das lange, entscheidungslose Hinausziehen der Kämpfe, die ins Riesenhafte gesteigerten Opferzahlen an Geld und Menschen und manches andere noch, bewahrheiteten sich. Bloch war damals in London und hielt dort Vorträge im Navyclub vor einem Publikum von Admiralen und Generalen. Außerdem beschäftigte er sich mit der Vorarbeit zur Gründung seines Kriegs- und Friedensmuseums in Luzern.

Des erhaltenen Versprechens eingedenk, schrieb ich an d'Estournelles und berief ihn nach Wien zu einem Vortrag über das Thema: »Die Haager Konferenz«. Er willigte ohne Zögern ein. Graf Apponyi, der von dieser Reise erfuhr, lud d'Estournelles ein, bei dieser Gelegenheit einige Tage in seinem Schlosse Eberhard zuzubringen und auch einen Vortrag in Budapest zu halten; eine Einladung, welcher d'Estournelles gleichfalls Folge leistete.

Wir gaben uns Mühe, für den Wiener Vortrag den Besuch eines auserlesenen und einflußreichen Publikums zu gewinnen. Ich wandte mich an den damaligen französischen Botschafter, Marquis de Reverseaux, der seinem von ihm geschätzten Landsmann zuliebe mir sehr zuvorkommend an die Hand ging. Er sorgte dafür, daß[518] nicht nur das Personal seiner Botschaft zu dem Vortrag komme, sondern übernahm es auch, an das ganze diplomatische Korps Aufforderungen ergehen zu lassen. Wir schickten unsererseits Einladungen an die Minister, an die Hofwürdenträger und Politiker aus. Auf eine demokratische Versammlung hatten wir es nicht abgesehen, denn erstens würden die Volkskreise nicht Französisch verstehen, und zweitens war uns hauptsächlich darum zu tun, daß jene politischen, höfischen und aristokratischen Kreise, die sich der Friedenssache und der Haager Konferenz gegenüber so überlegen kühl zu verhalten pflegen, einmal darüber Aufschluß erhielten aus dem Munde von einem, der selber Diplomat und Politiker und Aristokrat war und der selber in hervorragender Weise an der Haager Konferenz mitgearbeitet hatte. Ich hatte mich auch bemüht, daß die Direktoren des Theresianums und der Orientalischen Akademie uns eine Anzahl ihrer Schüler schickten – gerade für die zur staatlichen und diplomatischen Karriere bestimmte Jugend würde die gebotene Belehrung eine besonders nützliche sein.

Die Veranstaltung fiel glänzend aus. D'Estournelles sprach ausgezeichnet, und das sehr zahlreiche, ganz nach unseren Wünschen zusammengesetzte Publikum zeigte sich voll Aufmerksamkeit und Beifallslust. Es war ein »Succès«. Am selben Abend (der Vortrag hatte von vier bis sechs stattgefunden) haben wir dem fremden Gast zu Ehren ein kleines intimes Souper gegeben, dem unter anderen die beiden österreichischen Haagrichter, also d'Estournelles' Kollegen, Graf Schönborn und Lammasch beiwohnten; außerdem von der österreichischen Interparlamentarischen Gruppe die Barone Ernst von Plener und Peter Pirquet.

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In diesem Jahre sind wir dem Friedenskongreß, der in Glasgow abgehalten wurde, ferngeblieben.

Von dem amerikanischen Delegierten bei der Haager Konferenz, Dr. Holls, der, wie es schien, auf einer Friedensmissionsreise durch Europa begriffen war und den ich gebeten hatte, mich in Wien zu besuchen, erhielt ich folgende Antwort:


Claridge's Hotel, Brook Street, W, 26. Juli 1901.


Hochgeehrte gnädige Frau!


Nach vielen Irrfahrten hat mich Ihr freundlicher Brief hier erreicht. Ich bedaure es sehr, Sie in Wien nicht gesehen zu haben, aber meine Zeit war dort sehr knapp zugemessen und fast ganz von Geschäften besetzt.

Wie Sie aus dem veröffentlichten Interview gesehen haben,[519] war meine Reise nach Rußland sehr befriedigend. Ich glaube aber nicht, daß es ratsam wäre, jetzt Weiteres zu publizieren.

Das Mißverstehen unserer Arbeit stört mich wenig; dieselbe muß durch ihre eigenen Verdienste durchdringen. Ich hätte sehr gerne mit Ihnen die jetzigen Phasen der Frage erörtert, weitläufiger, als es brieflich möglich ist, allein dieses Jahr war es unmöglich. Es gilt jetzt mit Geduld abwarten: die Pflanze wächst, und hätte es keinen Zweck, das Wachstum zu stören durch öfteres Nachsehen, wie weit sie schon gediehen. Daher bedaure ich auch die Abhaltung eines Friedenskongresses in diesem Jahre.

Verdammungsbeschlüsse im allgemeinen sind nicht von großem Wert. Allenfalls wäre es an der Zeit, Auswüchse des Militarismus, z.B. das alberne Duellwesen, lächerlich zu machen!

Mit herzlicher Hochachtung verbleibe ich Ihr sehr ergebener

Dr. W. Holls.


Am 12. Juni feierten wir unsere Silberne Hochzeit. Aber nicht durch ein großes Fest zu Hause mit Gratulanten, Deputationen und Toasten, sondern wieder auf einer Flucht in die Einsamkeit. Seliger Tag! Der Rückblick auf fünfundzwanzig Jahre ungetrübter Lebenskameradschaft! Wir waren schon zwei Tage früher von Harmannsdorf abgereist, niemand wußte, wohin – wie ein flüchtiges Liebespaar. Den Festtag selber verbrachten wir in einer romantischen Waldgegend, versteckten uns im tiefsten Forst und rekapitulierten, rekapitulierten. Ein reiches Leben lag hinter uns. Und was mochte noch vor uns liegen? Wie weit würden wir noch die Strecke miteinander wandeln, die von der Silbernen zur Goldenen Hochzeit führt? Wie gut, daß das Schicksal auf solche Fragen keine Antwort gibt!

Ich hatte wieder einmal an den Weisen von Jasnaja Poljana geschrieben und erhielt darauf nachstehende, sehr charakteristische Zeilen:


28 août 1901.


Chère Baronne,


Je vous remercie pour votre bonne lettre. Il m'a été très agréable de savoir que vous me gardez un bon souvenir.

Au risque de vous ennuyer en répétant ce que j'ai dit maintes fois dans mes écrits, et ce que je crois vous avoir écrit, je ne puis m'abstenir de vous dire encore une fois, que plus j'avance en âge et plus je médite la question de la guerre, plus je suis convaincu que l'unique solution de la question est le refus des citoyens à être soldats. Jusqu'à ce que chaque homme à l'âge de 20, 21 ans abjurera sa religion – non seulement le christianisme, mais les commandements de Moïse: »Tu ne tueras pas«, et promettra de tuer tous ceux que lui ordonnera de tuer son chef, même ses frères et[520] parents; – jusqu'alors la guerre ne cessera pas et deviendra de plus en plus féroce – ce qu'elle devient de nos jours.

Pour que la guerre disparaisse, il ne faut ni conférences, ni sociétés de paix, il ne faut qu'une chose: le rétablissement de la dignité de l'homme. Si la moindre partie de l'énergie, qui est dépensée à présent pour les articles et les beaux discours dans les conférences et les sociétés de paix, était employée dans les écoles et parmi le peuple pour détruire la fausse religion et propager la vraie – les guerres deviendraient bientôt impossibles.

Votre excellent livre a produit un grand effet en popularisant l'horreur de la guerre. Il faudrait à présent montrer aux gens que ce sont eux-mêmes qui produisent tous les maux de la guerre en obéissant aux hommes plus qu'à Dieu. Je me permets de vous conseiller de vous vouer à cette œuvre, qui constitue l'unique moyen d'atteindre le but que vous poursuivez.

En vous priant de m'excuser pour la liberté que je prends, je vous prie, chère Madame, d'agréer l'assurance de mes sentiments les plus distingués.

Léon Tolstoy.


Zum erstenmal gelangten in diesem Jahre – am Todestage des Testators – am 10. Dezember die Nobelpreise zur Verteilung. Der Friedenspreis wurde in zwei Hälften, an Frédéric Passy und an Henri Dunant, verliehen. So sehr ich Dunant schätzte und schätze, so sehr ich von seiner Friedensgesinnung überzeugt war und bin, so lag doch sein Verdienst und sein Ruhm auf einem ganz anderen Felde als dasjenige, das Nobel im Auge hatte. Die Verleihung des Preises an Dunant war wieder eine Konzession an jenen Geist, der sich auch in die Haager Konferenz zu drängen gewußt hat und der das Dogma aufstellen will, daß die einzige Betätigung gegen den Krieg sich vernünftigerweise auf dessen Milderung beschränken soll.

Daß Frédéric Passy, der älteste, verdienteste und angesehenste aller Pazifisten, den Preis erhielt, war uns allen eine große Genugtuung – nur hätte ihm der ganze gebührt.

Von Dunant erhielt ich folgenden Brief:


Heiden, 10. Dezember 1901.


Hochgeehrte Frau!


Es drängt mich, Ihnen, gnädige Frau, an dem Tage meine Huldigung darzubringen, da mich ein offizielles Telegramm aus Christiania benachrichtigt, daß mir (zugleich mit meinem langjährigen und ehrwürdigen Kollegen Frédéric Passy) der Nobelfriedenspreis zuerkannt worden ist.

Dieser Preis, gnädige Frau, ist Ihr Werk, denn Sie sind[521] es, durch die Herr Nobel in die Friedensbewegung eingeweiht worden, und auf Ihr Zureden hat er sich zu deren Förderer gemacht.

Seit mehr als fünfzig Jahren bin auch ich ein erklärter Anhänger des internationalen Friedens und ein Kämpfer unter der weißen Fahne. Das Werk der Völkerverbrüderung war seit jeher mein Zielpunkt, von meiner frühesten Jugend an. Ich sage und wiederhole dies heute eindringlicher denn je in meiner Eigenschaft als Gründer der universellen Institution vom Roten Kreuze und als Anreger der Genfer Konvention vom 22. August 1864.

Als ich im Jahre 1861 mein »Souvenir de Solferino« schrieb, war mein Ziel hauptsächlich – seien Sie dessen überzeugt – die allgemeine Pazifikation; ich wollte soviel als möglich in den Lesern meiner Schrift Abscheu vor dem Kriege erwecken.

Man hat dies seinerzeit auch erkannt, und um nur ein Beispiel anzuführen: der berühmte Professor Marc Girardin von der Französischen Akademie sagte in einem meinem Buche gewidmeten Artikel:

»Ich wollte, daß dieses Buch viel gelesen würde, besonders von jenen, die den Krieg lieben und verherrlichen.«

Und Victor Hugo schrieb mir:

»Sie bewaffnen die Menschlichkeit und Sie nutzen der Freiheit, indem Sie den Krieg hassen machen ... ich applaudiere Ihrem edlen Wollen!«

Ich könnte vieles über dieses Thema sagen und eine Menge Zitate in gleichem Sinne vorbringen von Autoritäten aller Art und aller Länder – aber ich muß mich beschränken und Sie bitten, Frau Baronin, die Versicherung meiner lebhaftesten Dankbarkeit und meines tiefsten Respekts zu genehmigen.

Henri Dunant.


Die Jahresversammlung meines Vereins gestaltete sich im Jahre 1901 zu einer Art Jubiläum: zehn Jahre waren seit seiner Gründung verflossen.

Unter den vielen Begrüßungsschreiben, die mir aus diesem Anlasse zukamen, halte ich eine kleine Auswahl in diesen Lebenserinnerungen fest, weil sie ein Bild von dem damaligen Stand der Bewegung und zugleich ein Resümee ihrer Philosophie abgeben:


Paris, 27. Dezember 1901.


Gnädige Frau und teuere Mitarbeiterin!


Sonst ist es gewöhnlich der Freund, der Ihnen schreibt; heute ist es der Präsident der französischen »Gesellschaft für Schiedsgerichte zwischen den Nationen« und (da er diesen Titel nicht verbergen kann) der erste Nobelpreisgekrönte, der diese Zeilen an Sie richtet, ohne natürlich den Freund zu unterdrücken.[522]

Sie halten, wenn ich recht berichtet bin, die zehnte Generalversammlung der Gesellschaft ab, der Sie vorstehen. Und das ist ein Ereignis, das wir nicht gleichgültig vorübergehen lassen können. Das bedeutet etwas für einen Verein, daß er zehn Jahre gelebt hat; besonders deshalb, weil bei seinem Inslebentreten viele – selbst unter den Wohlgesinnten – seine Dauer anzweifeln mochten. Gewiß hatten Sie die Voreingenommenheit, wenn nicht gar die Feindseligkeit der einen, die Zweifel und Bedenken der anderen gegen sich, vom Spott jener gar nicht zu reden, die nicht begriffen, daß sich eine Frau in diese Fragen der Politik mengen konnte, die doch ihrer Meinung nach der männlichen Intelligenz und Tätigkeit vorbehalten sind.

Sie haben aber – allerdings gestützt durch wahre und treue Sympathien – allen die Stirn geboten und Sie haben Ihr Ziel erreicht.

Mut also und Ausdauer! Und möge es mir gestattet sein, in meiner Eigenschaft als Doyen und als Veteran der Friedensmiliz Ihnen und durch Ihre Vermittlung Ihrer Gesellschaft den Dank, die Glückwünsche und den Segen aller jener zu senden, die mit dem Abscheu vor der Gewalt und dem Mord den Respekt vor dem Menschenleben, die Liebe für die Gerechtigkeit und den Glauben an die Zukunft verbinden.

Frédéric Passy.


Budapest, 21. Dezember 1901.


Euer Hochgeboren, hochgeehrte Frau Baronin!


Die erfreuliche Tatsache, daß die von Euer Hochgeboren ins Leben gerufene und der unermüdlichen Leitung Euer Hochgeboren unterstehende Gesellschaft der österreichischen Friedensfreunde bereits auf eine zehnjährige Wirksamkeit zurückblicken kann, bewegt mich dazu, Euer Hochgeboren aus diesem Anlaß auf das wärmste zu begrüßen.

Mag es auch viele geben, die die Bestrebungen der Gesellschaft nicht zu würdigen wissen, kann ich Euer Hochgeboren meinerseits nur versichern, daß ich, der ich jede große und edle Idee sowie diejenigen, die an der Verwirklichung dieser Ideen arbeiten, zu schätzen weiß, so auch diese Bestrebungen mit wärmstem Interesse verfolge.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Euer Hochgeboren ergebener

Szell.

(Königlich ungarischer Ministerpräsident.)


(Telegramm.) Anläßlich des zehnjährigen Bestandes Ihres Vereines sende ich meine Glückwünsche und bitte mich als lebenslängliches Mitglied der Oesterreichischen Friedensgesellschaft einzutragen, indem ich mich auf die in meinem Briefe vom 10. Dezember ausgedrückten Gesinnungen berufe.

Henri Dunant.[523]


Wien, 30. Dezember 1901.


... Die Friedensfreunde der verschiedenen Länder haben vieles geleistet, denn gewiß ist es auch, daß sie zur Schaffung des Schiedsgerichtshofs wesentlich beigetragen haben, und daß ihre moralische Unterstützung dem jungen Unternehmen notwendig ist, kann nicht bezweifelt werden.

Ihnen, verehrte Baronin, welche einen so hervorragenden Teil an der ganzen Bewegung genommen hat, erlaube ich mir, meine besten Wünsche ergebenst darzubringen, Wünsche für Ihre verehrte Person wie für das Gedeihen des großen Werkes.

In ausgezeichneter Hochachtung ergebenst


Schönborn.

(Erster Präsident des k. k. Verwaltungsgerichtshofes.


Paris, 30. Dezember 1901.


Verehrte Frau und Freundin!


Sie werden den zehnjährigen Bestand der Gesellschaft begehen, der Sie das Leben gegeben haben und die, wie ich hoffe, zum Lohne dafür gar viele Menschenleben retten wird.

Lassen Sie die Zwist- und Spektakelliebhaber ruhig über Ihre Bestrebungen spotten; diese Leute tun, was ihres Amtes ist, denn sie fühlen sich mit dem Untergange bedroht; wenn sie gegen den Frieden kämpfen, so kämpfen sie um ihre Existenz. Was würde in allen Ländern aus der sogenannten patriotischen, der imperialistischen und nationalistischen Presse werden, wenn die Kriege zwischen den Völkern aufhörten und wenn die täglichen Hetzen ohne Wirkung blieben. Dann würde man ja aufhören, diese Blätter zu kaufen und zu lesen. Und was würde aus den großen Sensationsnachrichten, wenn die fortwährende Kriegsbedrohung nicht mehr auf jedem Lande lastete und wenn die friedliche Idee des Schiedsgerichts in den Gebräuchen der Menschheit Eingang fände!

Das internationale Schiedsgerichtsprinzip hat einen großen Teil der Weltpresse gegen sich, gerade wie dasselbe Prinzip zwischen Arbeitern und Arbeitgebern die gewissen Politiker und Aufwiegler zu Feinden hat.

Trotzdem hat dieses letztere System in der jüngsten Zeit große Fortschritte gemacht und erscheint als die einzige gerechte und vernünftige Lösung.

Ebenso wird es mit den internationalen Schiedsgerichten sein, sobald der Haager Gerichtshof angefangen haben wird, in Tätigkeit zu treten. Das ist wohl der Grund, warum man ihn mit solcher Halsstarrigkeit verhindert, denn wenn seine Tore einmal geöffnet sind, wird man sie nur schwer wieder schließen können.

So schlagen wir sie denn ein, diese Tore! Zwingen wir gemeinsam mit allen wackeren Menschen aller Länder durch unsere vereinten Proteste die Regierungen, ihre Tatenlosigkeit[524] und ihren bösen Willen abzuschütteln; zwingen wir sie, zu begreifen, daß ihre Pflicht im Einklang mit ihren Interessen steht, wenn sie die soziale Revolution vermeiden wollen.

Nachdem sie unter dem Beifall der ganzen Welt die großherzige Unklugheit begangen haben, den Haager Gerichtshof ins Leben zu rufen, können sie ihn heute nicht mehr lebend begraben, ohne über sich selbst das Urteil zu sprechen und ohne sich dahin zu verraten, daß sie die Gerechtigkeit scheuen und daß sie Anhänger einer Gewalttätigkeit sind, gegen die die öffentliche Meinung sich schon längst revoltiert hat.

Mit einem Worte: Verlangen wir die Inauguration des Haager Gerichtshofes!

Dort ist das Heil, dort findet sich das Mittel, die Verwirklichung Ihrer und meiner Hoffnungen zu beschleunigen.

Ihr herzlichst und ehrerbietig ergebener

d'Estournelles de Constant.


Wien, 26. Dezember 1901.


Verehrte Frau Baronin!


Anläßlich des zehnjährigen Bestandes der Gesellschaft österreichischer Friedensfreunde sende ich dem Vereine, vor allem aber Ihnen – seinem geistigen Haupte, seiner Seele – meine besten Glückwünsche. Mit Stolz und Befriedigung können Sie auf diese lange Zeit rastloser Arbeit zurückblicken, welche, getragen von dem unerschütterlichen Glauben an Ihre edle Sache, sich so schöner Erfolge erfreut und durch das Ergebnis der Haager Konferenz auch den größten Zweifler zur Ueberzeugung ihrer Notwendigkeit und Ersprießlichkeit bekehren muß.

Empfangen Sie, verehrte Frau Baronin, die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung.

Chlumecky (Minister a. D.).


Graz, 31. Dezember 1901.


Der Gedanke des Weltfriedens ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen und das ist der erste Erfolg des Bundes der Friedensfreunde!

Doch wir haben für den Frieden den Mut so sehr nötig wie der Soldat für den Krieg! Heil uns, Freunde, zum Neuen Jahr!

Peter Rosegger.


Aulestad, 18. Dezember 1901.


Die Zukunft der Friedenssache denke ich mir immer im Bilde des Sonnenaufgangs. Für uns Nordländer kann der Sonnenaufgang so viel mehr bedeuten als für die Südländer – bisweilen erwartet und begrüßt wie ein Wunder. Die Finsternis war so erdrückend lang, die Stille so unheimlich, die erste Glut über den Felsenspitzen so trügerisch. Es dauert und dauert und[525] wächst – aber keine Sonne! Auch wenn der Himmel schon hoffnungsvoll erstrahlt – noch immer keine Sonne! Und es ist kalt – eigentlich kälter als früher, denn die Phantasie ist ungeduldig geworden.

Da, auf einmal wie ein Blitz mitten in unsere Beobachtung hinein die so lang verkündete Majestät selber! So stark, so bezwingend stark, daß die Augen sie nicht ertragen. Wir wenden den Blick zur Landschaft, die schon lange beseelt war, ohne daß wir es merkten, – in die Luft, die schon lange erhellt war, ohne daß wir es wahrnahmen. Alles, alles, bis hinab in die Tiefen und bis hinauf in die Höhen ist besonnt, klar, vollendet – von Wärme erfüllt, von Tönen durchzogen ...

So, meine ich, geschieht uns. Wir merken in unserer Sehnsucht nicht, was sich vollzieht – wie nahe schon die große Sonne des Weltfriedens ist. Es kommt etwas, das es bringt wie ein Wunder. Aber es ist kein Wunder, wir sehen nur nicht in unserer Ungeduld, wie alles dafür vorbereitet war.

Der Versammlung meinen Gruß!

Björnstjerne Björnson.

Quelle:
Bertha von Suttner: Memoiren, Stuttgart und Leipzig 1909, S. 502-526.
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