[19] Harfentöne von oben, hierauf.
GESANG UNSICHTBARER GUTER GEISTER.
Glücklich erstanden –
FAUST.
Horch, welche reinen Töne!
LIESCHEN.
Von himmlischer Schöne!
Nicht lockend, lullend,
Sinnkitzelschnullend,
Nicht jenen gleich phrenetisch,
Nein, hoch ästhetisch.
GESANG DERSELBEN GEISTER.
Glücklich erstanden!
Selig der Sterbliche,
Welcher die reizende,
Küchengewerbliche,
Sinneneinheizende,
Brätelnde, schmalzige,
Fleischliche, gänsliche,
Prickelnde, salzige,
Angenehm brenzliche,
Wurstliche, fettige,
Lockend Babettige,
Lüsterne, kitzliche,[19]
Gaumenerhitzliche,
Weinlich bespitzliche,
schmatzende, bitzliche,
Malzige, hopfige,
Spundenfortklopfige,
Seideleinspritzliche,
Gärende, bockige,
Schäumende, flockige,
Mittelbar nützliche
Prüfung –
wenn auch mehr nur tatsächlich, mehr dem Erfolg als dem Verdienste nach –
bestanden.
FAUST zu Valentin.
Laß dich umarmen, den ein Gott mir schickte
Als Retter aus dem Rausch, der mich umstrickte!
Du scheinst – ich sag es ohne Phrasendunst –
In jener seltnen, expedienten Kunst,
Hinauszuschmeißen, an die Luft zu setzen,
Des echten Hausknechts amtlichem Ergetzen,
Ein wahrer Techniker zu sein.
VALENTIN.
Sieh zu und lerne, liebes Doktorlein,
Ich bin ein Kerl, der etwas kann,
Wie ich, so macht's ein rechter Mann!
Half dir nicht einst, dem üppigen Minnesänger,
Mit seinem Schwert der schnöde Rattenfänger,
Dem jetzt der Zauber in der Scheide blieb,
Wie hätt' ich damals weidlich dich gezwiebelt
Mit unpariertem tücht'gem Stoß und Hieb!
Du bist und bleibst – es sei mir nicht verübelt,
Man grollt ja nicht in diesem Heiligtumb –
So hier wie dort halt ein Charakterlump!
FAUST.
Wart nur, wart nur! das sag ich meinem Düntzer!
VALENTIN.
Was scher ich mich um diesen Zopf?[20]
Zeig's ihm nur an, dem tausendfachen Münzer
Von Goethes letztem Hosenknopf!
Siehst du's denn aber gar so gern,
Wenn Famel schreiben über ihren Herrn? –
– Doch jetzo muß es anders gehn, es muß,
Denn jetzt bin ich dein Famulus!
Vorwärts mit mir durch Höllen Qualm und Schwaden,
Mit mir, der Arm und Schenkel hat und Waden!
FAUST.
Der Mensch ist wacker, zuverlässig, stet,
Doch fehlt's ihm fühlbar an Humanität!
LIESCHEN.
Heut soll uns nichts beleidigen,
Wir werden ihn noch schmeidigen,
Wir bilden ihn, wir schleifen ihn noch fein,
Den ungeschliffnen Edelstein.
Umarmet mich, mir ist vor Freude weinrich,
Komm, Valentin, komm, hochgeschätzter Heinrich!
Man hört eine Glocke läuten.
Die Glocke ruft, jetzt zu dem Lehrerstuhle,
Gekühlter Freund, und halte deine Schule!
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»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
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