Elizabeth Amelia Landgrävin zu Hessen

[185] Die erste strophe.


Allein allherrlich, stark und groß,

allein alltrutzend, sorgenlos,[185]

und daher einiglich geehret;

Allein allmächtig und allreich,

dem höchsten Jupitern selbs gleich

und daher billich höchst vermehret;

Ja dreimal selig ist allein

der, dem des golds siegreicher schein

das haupt und auch die faust stets zieret;

Als der in leibs und geists wollust

nach dem gesatz, in seiner brust

allein geschriben, wol regieret.

Er ist ja selbs auf erden got,

er kan dem höchsten got gleich leben,

und auch das leben und den tod,

wem er will, nemen oder geben.


Die erste antistrophe.


Wie sich der tag, wie sich die nacht

mit unterschidlich schönem pracht

und uns mit wunder kan erfüllen;

Wie sich der klare sonnenglanz,

wie sich der mon, dan halb, dan ganz,

ausbreiten oder kan verhüllen;

Wie sich der größern liechtern gang,

wie des gesternten himmels schwang

gewiß und ordenlich bewegen;

Wie sich sturm, dunder, stral und blitz,

wind, regen, schnee, frost oder hitz

erheben stark und schwach sich legen:

Wie die luft voll unruh und ruh,

und was sunst über uns zu sehen,

da seh zwar Jupiter wol zu,

uns soll, was ob uns, nicht angehen.


Der erste epod.


Was aber immer schön und gut

kan in dem wasser und auf erden

erfunden und erhalten werden,

das größet mehr und mehr unsers monarchen mut:

und was an silber, gold und steinen kan ertragen

des erdreichs dick fruchtreicher bauch,[186]

das alles billich muß behagen

nur seinem wollust und gebrauch.

mit dem gewülk und was mehr oben

muß Jupiter vernüget sein:

was sunst in dieser welt, ist, monarch, allein dein,

hie bist du, und nicht er, zu dienen und zu loben.


Die ander strophe.


Auf solche süß und falsche weis,

mit solchem faul und schönem preis

fand sich zu Babylon betrogen

Der monarch, den in böser nacht

die hand durch die schrift von dem pracht

zu seinem schnellen tod gezogen.

Auf gleiche weis auch werden noch

bethöret die, von deren joch

ihr volk sich schwüriglich entziehet

Und deren eilend böser tag

nicht des volks fluch, noch himmels plag,

noch der tyrannen tod entfliehet:

Indem sie mit der armen blut

sich mästend, nichts zu herzen führen,

und weil sie ihre lust und wut

erfüllen, leib und seel verlieren.


Die ander antistrophe.


Dergleichen schmeichlern list und kunst,

dergleichen hochfart, dampf und dunst

kan weder binden noch verblinden,

Landgrävin, euer weise seel,

die, pur und frei von allem fehl,

kan aller dingen grund wol finden.

Dan euch uns aus des himmels saal

der höchst, sein kirchlein noch einmal

zu trösten, gnädiglich geschicket:

Daher dan eurer weisheit saft

und eurer tugend starke kraft

des höchsten volk also erquicket,

Daß, wie groß noch der feinden trutz,

wie schwer auch noch des Teutschlands plagen,[187]

so kan doch under euerm schutz

das fromme häuflein nicht verzagen.


Der ander epod.


Auch alsbald aus des himmels schatz

ihr kommen, die welt zu bereichen,

sah man ein jedes herz euch weichen:

jedoch der große held mit götlichem fürsatz

sein fürstliches geschlecht für abgang zu erhalten,

erwählet euch, so schön als weis,

mit ihm die herschung zu verwalten,

auf zuvor nicht erhörte weis;

und wan das land ihn solt verlieren,

mit euerm götlichen verstand,

mit forchtlos großem mut und heldengleicher hand,

mit kriegs und fridensrecht dasselbig zu regieren.


Die dritte strophe.


Als aller schönheit schönste blum,

als aller tugend wahrer ruhm

o fürstin durch die welt vermehret,

Verschmähet doch nicht mein gedicht,

wan es mit eigner kunst schon nicht,

sondern mit euerm wert sich ehret.

Des leibs lieblöliche gestalt,

des schönen angesichts gewalt

kan ich hochschätzend wol betrachten:

Jedoch des himmels meisterstuck,

der seelen seligreichen schmuck

pfleg ich vil köstlicher zu achten:

Bekennen will ich allzeit gern,

daß torecht der und gar vermessen,

der einen oder andern stern

zu loben, darf die sonn vergessen.


Die dritte antistrophe.


Die perlein, die rein, rund und groß

aus des ostmeers schatzreichem schoß

erworben durch die wasserwogen;

Wie auch die pure demantstein[188]

seind edlen steinen, die gemein

an wert, wie billich, vorgezogen:

Also mehr dan ein schönes haar

und mehr dan augen leuchtend klar

und rosenreiche lefz und wangen,

Vermag der tugend frischer kranz,

vermag der weisheit scharfer glanz

mein herz zu trösten und zu fangen:

Und welcher schöne demant soll

nicht allzeit eurer gotsforcht weichen?

und welche perlein kan man wol

mit eurer weisheit schatz vergleichen?


Der dritte epod.


Nu diser reichtum überfluß,

die euern leib und geist besitzet

und euer land und leut beschützet,

ist unsrer freiheit trost, der tyrannei verdruß.

und wan der warheit ja zu dienen ich verbunden,

so sing ich frei, daß in der welt

euch keine fürstin gleich erfunden,

ja keine göttin, fürst, noch held.

noch held? ja! man muß ja gestehen,

daß Semiramis, frei von schand,

und eine königin, sigreich, von Engelland

euch an der zeit zwar vor, doch an verdienst nach gehen.


Die vierte strophe.


Sunst ist das weibliche geschlecht

die nadel und haushaltung recht

zu brauchen billich stets geflissen;

Das aber war für euch nicht gnug,

dan euch got (euch schön, gut und klug

formierend) alles gab zu wissen.

Zugleich in kriegs und fridenszeit,

des rechtens zank, des glaubens streit

zu richten recht und recht zu schlichten;

Des feinds anschläg, der bösen rat

mit weisem fund und schneller that

vorkommen, strafen und vernichten;[189]

In mancher sprach mit kunst und lehr

wol reden, lesen, hören, schreiben

ist, fürstin, euer lob und ehr,

die nach euch stets frisch blühend bleiben.


Die vierte antistrophe.


Frisch blühet ja in ewigkeit

der tugend lob und herrlichkeit,

indem die blumen dahin fallen;

Zwar eurer schönheit zier und zucht,

zwar eurer weisheit schatz und frucht

seind aller götter wolgefallen.

Wan immer euer nam genant,

so ist der weiten welt bekant,

daß euer glori unvermehrlich,

Daß euers leibs bewehrter preis,

daß eurer seelen steter fleiß

seind übermenschlich, unaufhörlich:

Dan beed so unaussprechlich reich,

daß sie den umkreis zu regieren

sie einen helden und zugleich

auch eine göttin gnug zu zieren.


Der vierte epod.


Ach, wie vil, wie vil ich auch sing,

find ich noch übrig, wert zu singen,

und darf doch solches nicht fürbringen,

weil aller menschen lob für euch vil zu gering:

ihr kont, sigreich, den feind und euch selbs überwinden,

und kan man keine reu noch buß

bei euch erforschen noch erfinden,

stets frei von eitelkeit und muß.

wolan, so will ich hiemit schweigen

und (wendend mein lied anderwerts

als hiezu gar zu schlecht) euch mein treureiches herz

und euer höchstes wort stillschweigend mehr bezeugen.

Quelle:
Georg Rodolf Weckherlin: Gedichte, Leipzig 1873, S. 185-190.
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