7. Als sich Lisilis nicht wolte küssen lassen

[33] 1.

Du freundliche Lisilis soll ich dich küssen,

So zeug doch nicht das Mündgen weg:

Ein Küßgen ist leichtlich zu tode gebissen,

Vnd macht ja keinen schwartzen Fleck.

Ach halte mein Lämgen ach halte gewiß,

Ich gebe dir einen empfindlichen Biß,

Ach Lisilis.


2.

Ach beuge dein Leibgen nicht immer zurücke,

Sonst kan ich warlich nicht darzu,

Mein Engel gib Achtung in dem ich dich trücke,

Daß ich dir nichts zu leide thu,

Ein Küßgen verbleibet mein Liebes-genieß,

Ich bitte zum schönsten vergönne mir dieß,

Ach Lisilis.


3.

Halt stille mein Hertzgen was heissen die Possen,

Nun hältst du gar die Hände vor,

Die haben sich über die Lippen geschlossen;

Doch gib das Köpfgen nur empor,

In Warheit ich habe das Kinne gewiß,

Drum halt ich dich feste, verzeihe mir dieß,

Ach Lisilis.


4.

Was wilst du dich wehren, was wilstu noch ringen,

Wo flog der tieffe Seufftzer hin?

Mein Lämgen ach lasse dich immer bezwingen,

Weil ich dir schon so nahe bin.

Ich habe gewonnen, mein Liebes-genieß,[33]

Bleibt meinen entzücketen Lippen gewiß,

Ach Lisilis.


5.

Ach Lisilis hab ich dich endlich betrogen,

Ich habe dich dreymahl geküßt,

Und einmahl vor Freuden zurücke gezogen,

Nun suche wo das Fleckgen ist.

Ach halte mein Lämgen, ach halte gewiß,

Ich gebe noch einen empfindlichen Biß,

Ach Lisilis.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 33-34.
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