6. Er entsagt der Marilis und ihrer anmuthigen Gesellschafft

[81] 1.

Ihr Mädgen habt ihr meinetwegen

Bißweilen einen bösen Sinn,

Dieweil ich offtmahls ungelegen

Und zu der Unzeit kommen bin?

Verzeiht mir nur, es ist versehn,

Und künfftig sols nicht mehr geschehn.


2.

Ich bin mit euch so umgegangen

Als ein bekannter guter Freund,

Und alles was ich angefangen

Hab ich in Einfalt gut gemeynt.

Nun aber werd ich durch Verdacht

Beschuldigt und verhasst gemacht.


3.

Ihr Kinder gebet euch zu frieden,

Ich wil euch nicht beschwerlich seyn,

Ich habe mich von euch geschieden

Und stelle mich nicht weiter ein

Dieß sey nunmehr das letzte Lied

Damit euch meine Faust bemüht.


4.

Nun dörfft ihr weiter nichts entgelten

Hat gleich mein Vorwitz was gethan,

Kein Mensch wird euch um etwas schelten

Das euch und mich betreffen kan,

Und werd ich unversehns genannt,

So sprecht ich sey euch unbekannt.


5.

Lebt wohl ihr losen tausend Kinder,

Ich lege Lust und Kurtzweil hin:

Denn dieses ist mir noch gesünder

Als wann ich euch verdrießlich bin:

Grüsst noch mahls euer liebes Hauß

Und legt mir alls zum besten auß.


6.

Ich will die Gasse nicht betreten,

Ich will nach aller Möglichkeit

Nicht mehr in jener Kirche beten

Da ihr sonst anzutreffen seyd,

Und wo ihr etwan werdet stehn

Da will ich auß dem Wege gehn.[82]


7.

Eins hab ich endlich außgenommen,

Wofern ich noch verreisen muß,

So werd ich nur noch einmahl kommen,

Damit mein frommer Abschieds-Gruß

Euch schuldigst werde beygebracht,

Sonst sag ich itzo gute Nacht.


8.

Verbrennt die Lieder meine Zeugen

Der ungefärbten Redlichkeit,

Lernt meinen Nahmen bald verschweigen,

Vergesset meiner wo ihr seyd.

Es ist genug, ich denck an sie,

Mit mir verlohnt sichs nicht der Müh.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 81-83.
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