7. Die unglückseligen Küsse

[119] 1.

Wann ich ein liebes Kindgen,

Das mir gewogen ist,

Auff ihr Corallen-Mündgen

Zur Kurtzweil nur geküst,

So hab ichs stets in acht genommen,

Daß mir ein Unglück drauff gekommen.


2.

Ich armes Mensche küste

Die schönste Rosilis,

Als wann es niemand wüste;

Doch dieses ist gewiß,

Ich habe sie nach diesem Küssen,

Nunmehr drey Jahr vermeiden müssen.


3.

Wann ich mich noch besinne,

Du schwartze Marilis,

Als ich bey deinem Kinne[119]

Ein kleines Wündgen biß,

So hatt ich zwar den Kuß erworben,

Doch unsre Freundschafft war verdorben.


4.

Du freundliche Cythere,

Dein Honig-süsser Mund

Ward mir zu grosser Ehre,

Vor mich einmahl vergunt,

Jedoch der Kuß hat mich gerochen,

Ich habe dich nicht mehr gesprochen.


5.

Es ist mir unvergessen,

Ich wolte nechst mit dir,

Mein Kind die Nase messen,

Doch wie ergieng es mir,

Wie fieng der Teuffel an zu zischen,

Was schlug er nicht für Noth darzwischen.


6.

Drum haltet mirs zu gute,

Daß ich nicht küssen kan,

Dann mir ist flugs zu Muthe

Als würd ich außgethan,

Ich bin zu andrer Lust erkohren,

Zum Küssen bin ich nicht gebohren.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 119-120.
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