4. Als das Mädgen sich zu keinen Liebes-Händeln verstehen wolte

[132] 1.

Liebstes Kind, ich bin nicht blöde,

Stelle dich nur gegen mir

Immer noch einmahl so spröde,

Ich verbleibe doch bey dir,

Und empfinde meine Lust

Bey der unverliebten Brust.


2.

Spotte meiner treuen Liebe,

Lache meine Reden auß,

Schertze wann ich mich betrübe,

Und verschließ mir gar das Hauß,

Ich wil doch bey dir allein

In verliebten Diensten seyn.


3.

Zeuch die Hände stracks zurücke

Wann ich sie ergreiffen wil,

Spare deine süsse Blicke,

Und verderbe mir das Spiel,

Ich bins sonsten wohl gewohnt,

Daß man mich so schlecht belohnt.


4.

Darff ich keine Rößgen brechen

Die auff deinen Lippen stehn,

Darff ich nicht mein Liebgen sprechen,

Und mit dir spatzieren gehn;

So verlaß ich doch das Liecht

Deiner stillen Schönheit nicht.


5.

Ich erkenne dein Gemüthe,

Wie es alle Liebes-Arth

Und die unbefleckte Blüte

Vor demselben Liebsten sparth,

Welcher künfftig mehr als wohl

Dich allein vergnügen sol.


6.

Nun ich muß dich selber loben,

Weil die zarte Sittsamkeit

Durch die allerschönsten Proben

Solche Tugend von sich streut,

Ach wär mir ein solches Kind

Von dem Himmel auch vergünt.[132]


7.

Unterdessen laß mich lieben,

Weil ich dich nicht hassen kan:

Ist mir sonst nichts überblieben,

Nun so bin ich wohl daran,

Daß, wann mich nach dir gelüst,

Mir dein Ansehn offen ist.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 132-133.
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