3. Er ist verliebt

[160] 1.

Du liebstes Kind! so willst du dich ergeben,

Und darf ich nit in Ungewißheit leben,

Ach! sieh den Wunsch des reinen Hertzens an,

Der bloß in dir Vergnügung finden kan.


2.

Ich bin zu schwach mein Leiden zu verblümen,

Ich muß den Glantz an deiner Tugend rühmen,

Und wann ich diß in meiner Einfalt thu,

So nehm ich nur an Angst und Schmertzen zu.


3.

Dein schönes Haar, die Augen und die Wangen,

Sind starck genug vor mich und mein Verlangen,

Doch was dein Sinn durch Zeichen von sich giebt,

Das macht mich erst biß auff den Todt verliebt.


4.

Ach laß, mein Kind, mich nicht vergebens hoffen,

Und hat mich ja die süsse Last betroffen,

So laß dein Liecht das Labsal meiner Pein,

Und einen Blick mein liebstes Merckmahl seyn.


5.

Schau nur auff mich, die Neider mögen stechen

Und dieß und das von meiner Liebe sprechen,

Ich habe mich bißher genug erklärt,

Daß dich mein Hertz auß reiner Pflicht begehrt.


6.

Du kanst dich schon an meine Seele binden,

Du wirst an Treu nicht meines gleichen finden;

Und bin ich nicht der Pralerey gewohnt,

So hat mein Mund der Warheit nie verschont.


7.

Ich stelle mich in dein geneigt Belieben,

Du kanst mich jetzt erfreuen und betrüben,

Ich ehre dich und wünsche deiner Zier,

Indessen steht der Ausschlag noch bey dir.


8.

Nun wilst du dich zu gleicher Brunst bekennen,

So wird uns auch kein Ungewitter trennen,

Im Leben wil ich stets dein Wieder Schein,

Im Tode selbst dein treuer Schatten seyn.

Quelle:
Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken, Halle a.d.S. 1914, S. 160-161.
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