Sechster Aufftrit.


[68] Philomarini, Ferrante, Carlo.


FERRANTE. Hierdurch erweisen jhr Excellentz eine Bestendigkeit / welche von der Nach-Welt soll verwundert werden / in dem sie dem rasenden Volcke nicht alles zu Willen thun.

PHILOMARINI. Ich wolte diese Tugend selber loben / wenn die Zeit also beschaffen wäre / wie man wünschen möchte. Doch[68] gewiß / wir werden auf eine Probe gesetzt / dabey die Politiqve mit jhren alten Regeln nicht zulangen wil.

FERRANTE. Sollen wir des Volckes Sclaven werden?

PHILOMARINI. Der Adel soll nichts verliehren: er soll sich nur so lange bücken / biß der Sturm-Wind vorüber geht: Als denn wird er sein Haupt so gut aufrichten können / als jemals.

FERRANTE. Herr Bruder / was ist seine Meinung?

CARLO. Das Gleichnis hat mir sonderlich wohl gefallen; jemehr sich ein Gras vor dem Winde gebücket / desto besser kan sich der Stengel bey dem gelinden Wetter wiederum aufrichten.

FERRANTE. Unser Vice-Roy darff aber mit keinem so geringen Gewächse verglichen werden.

CARLO. Nachdem die gantze Stadt seine Autorität verachtet / so ist er kein Vice-Roy. zum wenigsten muß er so weit nachgeben / daß er nicht wie ein harter Eichbaum im Stürmen zubrochen wird.

FERRANTE. Wenn er den Staat des Königreiches ändert / so versündiget er sich wieder jhr Königliche Majestät.

CARLO. Wenn er auch den Pöbel zu der vollen Raserey kommen läst / so wird er die Königliche Gnade schwerlich verdienen.

FERRANTE. Was er nicht verwehren kan / daran ist er unschuldig.

CARLO. Und wenn jhm gute Wege von andern gezeiget werden / so muß er die Schuld tragen.

FERRANTE. So mag er nur den Adel in den Koth treten helffen.

CARLO. Jhr Eminentz werden jhren hocherleuchteten Judicio nach dergleichen Vorschlag nimmermehr auf die Bahne bringen / wenn es dem Staate zum Verderben hinaus schlagen solte.

PHILOMARINI. Jhr Excellentz / so dann auch der gantze Adel / mögen versichert seyn / daß ich von jhrer Parthey nimmermehr abstehen werde. Doch wofern sie bey diesen verwirten Zeiten einige Hoffnung auff meine Cooperation setzen[69] wollen; So werden sie allerseits meinen getreuen Rath nicht verachten. Das Privilegium muß dem Volcke in die Hände gegeben werden; Jhr Excellentz müssen die Abschaffung des Zolls mit eigener Hand confirmiren: Geschieht dieses / so wil ich innerhalb acht Tagen ein Jubel-Fest anstellen. Soll aber mein Vorschlag ungültig seyn / so mögen sie an jhren Orte die unausbleibliche Verwüstung des gantzen Königreiches verantworten.

FERRANTE. Jhr Eminentz geben dero Väterliche Sorgfalt an den Tag / und wir müsten uns hoch versündigen / wenn unser Ungehorsam sich wiederspenstig erzeigen solte. Jhr Excellentz der Vice-Roy soll alsobald in diesen Sachen informiret werden.

CARLO. Und in wehrender Zeit wird die Wohlfahrt des gantzen Staats Eur Eminentz zu Väterlichen Händen überliefert.


Sie gehen ab.


PHILOMARINI. Was vor Mühwaltung muß eine Person über sich nehmen / welche sich zwischen ungeduldigen Partheyen in das Mittel schlagen soll! Das Volck wil alles haben: der Hoff wil in keinem Stücke weichen / und beyde wollen sich auf meine Autorität beruffen. Und wofern ich bey den Grossen nichts erhalten kan / so werden mir die Gemeinen ins künfftige wenig zutrauen. Doch was bringen diese Freunde guts? Aus jhren Angesichte kan ich sehen / daß ich etwas neues zu sorgen bekomme.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 68-70.
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