Siebender Aufftrit.


[140] Die Vorigen. Balduin. Donat.


BLANDINA. Die Herren seyn gebeten / und spatzieren herein.

BALDUIN. Ich weiß nicht ob wir die Künheit entschuldigen werden.

DONAT. Und wir sollen sie gewiß in einem angenehmen Discourse verstören.

BLANDINA. Sie sollen Zeuge seyn / daß sie gerne gesehen werden. Sie stehen allerseits auff und fangen wieder mit einander an zu schnattern.

LAMPERT. Nun die Herren wollen so gütig seyn und sich niedersetzen. Sie kommen zu geringen Leuten / die solchen Personen nicht auffwarten können.

BALDUIN. Wir haben keine Auffwartung verdienet. Die Reihe wird an uns kommen / daß wir uns zur Auffwartung offeriren.

DONAT. Und wenn sie was befehlen wollen / so werden wir uns zur Auffwartung desto glücklicher befinden.[140]

LAMPERT. Die Herren seyn gebeten und setzen sich.

BALDUIN. Weil es der erste Befehl ist / so wollen wir gehorsam seyn.

DONAT. Sonsten weiten wir gerne stehen / und sie an ihrem lieben Orte sitzen lassen.


Sie setzen sich.


LAMPERT. Doch was haben sie bey uns vorzubringen.

BALDUIN. Wir suchen in dem geliebten Hause nichts mehr als Bekandschafft.

DONAT. Und wenn wir eines sichern Eintrits gewürdiget werden / so wollen wir uns einer trefflichen Glückseligkeit rühmen.

LAMPERT. Er verzeihe mir / daß ich so kühne bin / was sind die Herren vor Leute?

BALDUIN. Wir sind rechtschaffene Leute von Fortun.

LAMPERT. Fortun, fortun, das muß eine unbekandte Stadt seyn / unsre Fuhrleute kommen wohl nicht drauff zu.

DONAT. Der Ort ist nahe und weit von hier / nachdem die Gelegenheit zu reisen ist.

LAMPERT. Aber was haben sie gelernet?

BALDUIN. Wir sind Studenten / und hoffen mit unsern Büchern in der Welt fort zu kommen.

DONAT. Wenn wir so reden dürffen / so gehören wir in das gelehrte Handwerck.

LAMPERT. So werdet ihr die Bücher wohl alle gelesen haben.

BALDUIN. Ja wir haben es an unserm Fleisse nicht mangeln lassen.

CYRIAX. Ich habe daheime ein groß Buch / der Pfarr heist es immer Münsteri Cosmograpfie. Haben sie das auch gelesen?

BALDUIN. Das Buch ist uns nicht unbekandt.

LAMPERT. Und ich habe die Reisebeschreibung der Kinder Israel mit höltzernen Kupffer-Stichen: Sind sie auch so weit kommen?

DONAT. Ach ja wir wissen von diesem Buche auch zu reden.

CYRIAX. Habt ihr auch meine Postille gelesen / der Titul ist ausgerissen / ich weiß selber nicht / wer sie gemacht hat.

BALDUIN. Wenn ich sie nur sehen solte / so wolte ich bald einen Autor darzu machen.

LAMPERT. Haben sie auch meine Ungarische Cronicke gelesen von dem grossen Helden Scanderbeg.

DONAT. Das sind bey uns geringe Bücher / wer heute zu Tage ein[141] Gelehrter seyn will / der muß Bücher lesen / da eins 100. Thaler kostet.

CYRIAX. Ey ey das müssen Köpffe seyn / da so viel nein gehet. Doch wo sie sonst theure Bücher verlangen / ich weiß eine Pfarr Wittibe / sie wird nicht erschrecken / wo sie vor ein Buch 100. Thaler kriegt.

DONAT. Ach die Bücher sind uns nichts nütze.

LAMPERT. Sie werden wohl so eines Magisters Bücher nicht tadeln.

BALDUIN. Der seelige Herr Magister hat alles raus gelesen / es stehet nichts mehr drinne.

CYRIAX. So wird die gute Frau mit ihren Büchern wohl sitzen bleiben. Aber können sie auch predigen?

DONAT. Wir woltens wohl thun aber es möchte dem Herrn Pfarren nicht gefallen.

LAMPERT. Haben Sie auch in Büchern gelesen / wie man die Leute curiret?

BALDUIN. Das Predigen und das curiren kömmt uns nicht zu / wir sind Politici.

CYRIAX. Politerci, was sind das vor Leute? Herr College, Herr Gevatter / das Handwerck ist wohl was neues!

LAMPERT. Sie sprechen immer die Nürnberger machen allemahl was neues ums Geld. Ich dencke es hat so ein Kerle einmahl nicht viel zu thun gehabt / so hat er vor die lange Weile ein neues Handwerck gemacht.

CYRIAX. Das Pfarr-Handwerck und das Doctor- Handwerck das weiß ich wol aber was Politerci werden nütze seyn / das weiß ich nicht.

LAMPERT. Nun wir müssen fragen. Was seyn denn die Politerci vor Dinger?

DONAT. Man pflegt sie sonst Juristen zu nennen.

CYRIAX. Curisten, das klingt noch schrecklicher.

BALDUIN. Juristen sind Leute / welche die Welt regieren; Haben sie niemahls einen Advocaten gebraucht? In solchen Gelegenheit stehen wir ihnen auch zu Dienste.

LAMPERT. So werden sie auch fein viel Lateinisch können.

CYRIAX. Und sie werden ihr Lateinisch auch fein theuer geben. Neulich musten wir in einer Supplicace ein jedweder Wort vor 4. Groschen bezahlen.[142]

BLANDINA zeucht Petronella auf die Seite. Frau Gevatter unsere Männer vertieften sich in der Schrifft / daß sie an die Kinder und an ihre Hochzeit mit keinem Worte gedencken.

PETRONELLA. Die Weile ist mir schon so lang / ich möchte sie 24. fächtig zusammen nehmen.

BLANDINA. Ich dencke die jungen Stutzer sind wohl der Jungfern wegen herkommen: Bey den alten Narren kriegen sie schlechten Trost.

PETRONELLA. Wenn wir wollen / müssen sie das Plappern wohl unterwegens lassen.

BLANDINA. Ich weiß wohl was ich machen will. Ach hertzer Herr / der Herr Gevatter hat wohl unsere neue Stube noch nicht gesehen / wir wollen doch hingehen und wollen sie ihm weisen.

LAMPERT. Ich weiß nicht ob er Lust darzu hat.

CYRIAX. Es soll mir lieb seyn.

BLANDINA. Wir schaffen kaum die jungen Leute vom Halse / daß wir hübsch mit einander im Vertrauen reden können. Nun ihr Kinder macht euch fein bekand mit einander. Wenn ihr ausgeredt habt / so werdet ihrs wohl sagen.


Sie gehen ab. Donat geht mit Urselchen auch ab.


Quelle:
Komödien des Barock. Reinbek bei Hamburg 1970, S. 140-143.
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