CAP. VIII.

[51] Hierauf giengen sie wieder nach Hause, und als sie kaum in ihr Zimmer kommen, fragten etliche Kerlen von geringem Ansehen, ob sie nicht könten beherberget werden, sie wolten gern eine Mahlzeit essen; der Wirth satzte sie an einen Tisch bey der Haußthür, und gab ihnen so lang etliche Kannen Bier, biß sie etwas zu essen kriegten. Gelanor, der mit Verlangen auf die Mahlzeit wartete, sahe von oben auf sie hinunter, und hörete, was sie vor Gespräche führen würden. Ja wohl, sagte einer, ist es eine stattliche Sache, wer viel baar Geld hat, ich wolte, ich fände einmahl einen Schatz von zehn bis zwölff tausend Thalern. Ja Bruder, sagte der ander, was fängt man ietziger Zeit mit dem baaren Gelde an? Hoho, antwortete jener, da laß mich davor sorgen, sind nicht wächselbäncke genug, da man es hinlegen kan. Ja fragte der, wo kömmt man also bald unter, und es ist ungewiß, ob sie dritthalb pro cento geben. Es scheinet auch, als wann die Bäncke wolten ihren credit allmehlig verlieren, was hätte man darnach, wann das schöne Capital auf einmahl vor die Hunde gienge. Dieser Axt weiß ich schon einen Stiel, replicirte der erste, man darff nicht so ein Narr seyn, und alles an einen Ort stecken, hie Tausend Thaler, dort tausend Thaler, so müste es S. Velten gar seyn, daß man allenthalben auf einmahl geschnellt würde. Aber wie wäre es, sagte der ander, wann du es an was anlägest, wann ich an deiner Stelle wäre, ich kauffte ein Stücke gut, gäbe ein starck Angeld, liesse mir hernach die Tagezeiten desto gnädiger machen, daß ich sie halb und halb von dem Gute nehmen könte. Ach Bruder, gab der zur Antwort, man sieht ja, was itzo die Güter abwerffen, der Ackerbau trägt nichts, die Viehzucht ist auch gar ins Abnehmen gerathen, hätte ich Teiche, und käme mir der Fischotter hinein, so hätte ich auch drey oder vier Jahr ümbsonst gehofft, zwar wenn trockene Zinsen dabey wären, so wäre es gut; aber wer findet flugs ein Gut, das solche Pertinentz-Stücke hat. Mit Holtzungen ists auch ein eben Thun, wann ein grosser Wind käme, und risse die Helffte[52] von den Bäumen auß, so hätte ich meinen Nutz. Oder wenn ich einen bösen Nachbarn hätte, der mir sein Vieh auf die jungen Bäumgen triebe, und liesse mir die Lohden wegfressen, so solte ich wohl funffzig Jahr warten, biß ich wieder Holtz kriegte. Das solte mir der Nachbar wohl bleiben lassen, sagte der ander, ich wolte ihm einen Advocaten über den Hals führen, daß er des Hütens vergessen solte: oder genauer davon zu kommen, ich wolte ihn pfänden, daß er nicht einen Kälberfuß solte zurück bekommen: was solten die Possen, wann einer möchte dem andern zu Schaden handthieren wie er nur selber wolte. Nein das muß nicht seyn, es ist noch Gerechtigkeit im Lande, dahin man appelliren kan. Solche Worte stieß der gute Mensch aus allem Eifer herfür, und gewißlich, wenn der Kühhirte ihm wäre in den Wurff kommen, er hätte sich an ihm vergriffen. Doch war es umb einen Trunck Bier zu thun, damit war das ungeheure Zorn-feuer gelöscht, und der Discurs hatte seinen Fortgang: denn da sagte eben dieser: höre Bruder, was mir einfällt, ein Landgut stünde dir doch am besten an, ich weiß wie du es köntest nutzbar machen. Laß eine grosse Grube graben, darein schütte allen Unflat, der im Hause gesamlet wird: Und sieh in etlichen Jahren darnach, ob nicht lauter Salpeter wird da seyn. Da laß nun eine Salpeter-Hütte bauen, und verlege etliche Materialisten, es ist darum zu thun, daß du das Pfund umb 4. Pfennige wolfeiler gebest. Ey, sagte jener, was fragte ich nach dem Dreckhandel, ich lasse mich doch zu keinem Landgute bringen, du magst reden was du wilst, es ist allzeit in der Stadt bequemer, da will ich mir lassen ein Haus bauen, mit schönen Erckern, mit grossen Sälen, mit zierlichen Kammern, Summa Summarum, es soll sich kein Fürst schämen darinnen zu wohnen, nur einen grossen Kummer hab ich, darvor ich bißweilen die Nacht nicht schlaffen kan: Ich weiß nit, wo ich die Feuermauer und das Secret recht anbringe. Nun es wird sich schon schicken, sagte dieser, ich wolte das Haus wäre fertig, und du hättest mir eine Stube drinnen vermiethet; du würdest doch discret seyn, und würdest mich mit dem Zinß nicht zu sehr forciren. Dis gefiel[53] dem andern nit, der wandte ein, der Zinß müste alle Ostern und Michaelis gefällig seyn, sonst möchte er es nicht einmal thun. Und in solchem Streit geriethen die guten Leute von Worten zu Schlägen, daß dem Wirth angst und bange war, wie er Friede machen könte, daß der Richter nichts davon kriegte. Gelanor hatte inzwischen treffliche Ergötzligkeit gehabt, und erzehlte bey Tische, woher sich der gantze Streit entsponnen, fügte so dann diese Anmerckung hinzu. Sind das nicht Narren, die auf eine ungewisse und wohl gar unmögliche Sache so grosse Lufft-Schlösser bauen? Da bekümmern sie sich umb den Schatz, den sie nimmermehr finden werden, und versäumen hingegen ihre eigene Sachen, darauff sie dencken solten. Zwar man solte nicht meinen, daß die Welt so gar blind wäre, wenn nicht die sichtbaren Exempel mit den Händen zu ergreiffen wären. Da heist es, ie hätt ich, ie dürfft ich, ie könt ich, ie solt ich. Und kein Narr sieht auf das jenige, was er schon hat, was er thun darff, was er kan und soll. Vielleicht müssen wir im Hause einen Tisch noch hinan schieben, wann alle solche Lufftspringer solten mitgespeiset werden. Dann die Welt ist solcher Wünsche voll, und dencket, ob mir es gleich nicht werden kan, hab ich doch meine Lust daran. Mit andern dergleichen Gesprächen ward der Tag zugebracht, also daß keine sonderliche Thorheit auffs neue vorlieff, welche man hätte hauptsächlich belachen sollen.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 51-54.
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