CAP. XVI.

[89] Nun war Gelanor so attent gewesen, daß er nicht in Acht genommen, was unterdessen vor eine Lust vorgangen, deren Eurylas und Florindo wohl genossen hatten. Dann als diese beyde in der Tafel-Stube sich befanden, und durch das Fenster die Leute auf der Gasse betrachteten, höreten sie ein groß Geschrey im Hause. Sie lieffen zu, und sahen einen Kerln, der sich stellte, als wenn er rasend wäre. Wo ist der Hund, schrye er, gebt ihn her, ich will ihn in tausend Stücke zerhauen, die Ameissen sollen ihn wegtragen. Was? soll mich so ein Schurcke nicht vor voll ansehen, und ich soll ihm nicht den Hals brechen? Herauß, herauß du quinta Essentia, von allen Ertzbernheutern; komm her, ich will dein Hertz vor die Hunde werffen, komm her, bist du besser als ein eingemachter etc. Halt mich nicht, last mich gehn, halt mich nicht, ich begeh noch heut einen Todschlag, und wenn ich wissen solte, daß mein Blut morgen in des Henckers Namen wieder springen müste. Ach lieber ehrlich gestorben, als wie ein Lumpenhund gelebt; Sa sa ich zerreisse mich, sa sa wo bist du? steh etc. wo bist du! steh! Eurylas hörte dem Tyrannen ein wenig zu, und wünschte nichts mehr, als daß er den andern könte herschaffen, umb zu erfahren, ob der böse Kerle so grausam verfahren würde. Doch es bedurffte keines langen Wünschens, er kam mit einem Spanischen[89] Rohr, und stellte sich ein, fragte auch alsobald, wer seiner begehrt hätte. Der Provocant that, als könte er sich vom Wirth und vom Haußknecht nit loß reissen, und biß gantz stillschweigend die Zähn zusammen. Bißweilen schnipte er in den Schiebsack, bißweilen sagte er dem Haußknecht etwas in das Ohr. Endlich kam jener, und wolte wissen, was sein Begehren wäre. Du Schaum von allen rechtschaffenen Kerlen, hast du auch so viel Hertze, daß du mich provociren kanst, oder bist du auch so viel werth, daß ich deinen Buckel meines Stockes würdige. Du elende Creatur, rede doch ietzund etwas, daß ich böse auf dich werden kan oder schreibe es meiner Barmherzigkeit zu, wofern ich dich nach würden nicht tractiren kan. Da stund nun der Türckenstecher, und hatte alle Boßheit inwendig, wie die Ziegen das Fett. Nach langem Warten, nahm der andere ihm den Degen auß der Hand, und prügelte ihn so zierlich im Hause herum, daß der Wirth sich darzwischen legen muste. Damit war die Comœdie zu Ende, und hatten die andern das Ansehen umbsonst gehabt. Als nun Gelanor die tröstliche Historie erzehlen hörete, fragten sie weiter, was denn der Kerle vor Ursache gehabt, solch einen Tumult anzufangen. Da kam einer, und gab diesen Bericht; der gute Mensch habe sich so sehr in den König von Schweden verliebt, daß er nicht leiden könte, wenn iemand eine widrige Zeitung von demselben erzehlen wolte. Weil nun der andere vorgegeben, der König wäre von den Dantzigern auf die Weichselmünde gefangen geführt worden, so hätte dieser sich so sehr erzürnet, daß er nicht geruhet, biß die Extremitäten vorgangen. Eurylas sagte hierauff, der Kerl möchte in Schweden reisen, und umb ein Genaden-Geld solicitiren, weil er des Königs Respect zu erhalten, so grosse Gefahr über sich genommen. Florindo sagte, wenn der König lauter Soldaten hätt, die mit den Händen so grimmig wären, als dieser mit dem Maule, so würde der Türcke am längsten zu Constantinopel residiret haben. Der Wirth sagte, wenn iemand käme und sagte, die Moscowiter hätten sich zu den Schweden geschlagen; so wolte er wetten, der Bote bekäme einen Thaler Trinckgeld.[90] Andre wusten was anders. Gelanor sagte dieß, es wäre ein blöder Narr, der kein medium hätte inter fortissima & timidissima, man solte sein Elend mehr betauren, als belachen. Und darbey blieb es dasselbe mahl.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 89-91.
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