CAP. XXXI.

[150] Nun hatten sich bey währender Mahlzeit etliche Kerlen in die Stube gefunden, welche einen sonderlichen Tisch einnahmen und zu Trincken begehrten, die waren so treuhertzig auf das Bier und den Wein erpicht, daß sie ein groß Straff-Glaß in die Mitten setzten, welches der jenige außsauffen solte, der über drey Gläser würde vor sich stehen lassen, und wie die Redens-Art hieß, zum Schaffhäuser werden. Da gieng Bier und Wein unter einander, da truncken sie carlemorlepuff, da soffen sie Flores, da verkaufften sie den Ochsen, da schrieben sie einen Reim auf den Teller, in Summa, da plagten sie einander mit dem Sauffen, daß es eine Schande anzusehen war. Die Gäste über der Tafel stunden auf und giengen in ihre Gemächer, diese aber stocherten die Zähne biß nach Mitternacht; und ob gleich etliche das überflüßige Geträncke nicht vertragen kunten, so stund doch schon ein Becken auf dem Tische, in welchem man S. Ulrichen ein Kälbgen auffopffern kunte, und damit gieng es von forn an. Ja es kam so weit, daß die Gläser und Kannen zu schlecht waren, und daß sie auß umgekehrten Leuchtern, auß Hüten, auß Schuhen, und auß andern possirlichen[150] Geschirr soffen, biß einer da, der andere dort in seinem eigenen Södgen liegen blieb. Der Mahler hatte diß Cyclopische und Bestialische Wesen mit angesehen, als er nun alles nach der Ordnung referirte, sagte Gelanor: Ist das nicht eine Thorheit bey uns Teutschen, daß wir so unbarmhertzig auf das liebe Geträncke loßgehn, als könten Gottes Gaben sonst nicht durchgebracht werden; und daß wir uns einander selbst solche Ungelegenheit machen. Es wird einer in dem Hauffen gewesen seyn, dem zu Ehren der Schmauß wird angestellet seyn, und da wird es morgen heissen, ha ich bin stattlich tractirt worden, ich habe die Thür nicht finden können, der Kopff thut mir drey Tage darnach weh, und dieß heist auf Teutsch, dem zu Gefallen bin ich ein Narr, eine Bestie, ja wohl gar ein Teufel worden. Nun wird niemand leugnen, daß offt einer in der Compagnie den andern zwinget, da doch keiner rechte Lust zum Sauffen hat. Und doch muß die Gewonheit ihren Lauff behalten, und es heist, sie sind lustig gewesen. Wann ich einen Feind hätte, und könte ihn so weit bringen, daß er einen Tag sich an stellte als ein rechter gebohrner Narr, und den andern Tag vor Schmertzen nicht wüste, wo er den Kopff lassen solte, so meinte ich, meyne Rache wäre sehr köstlich abgelauffen. Nun aber thun sie solches nicht ihrem Feinde, sondern ihrem besten Kern-Freunde, den sie sonderlich respectiren wollen, und iemehr sie einen obligiren wollen, desto schärffer setzen sie einem zu, daß mancher Glückselig ist, der wenig Freunde hat, und also bey seiner Vernunfft ungehindert gelassen wird.

Eurylas sagte hierauff: es nimt mich offt wunder, warum ein Mensch solche grosse Lust an seiner Unvernunfft und an anderer hernachfolgenden Verdrießlichkeit haben kan: dann, daß niemand den Befehl Christi in acht nimmt, hütet euch vor Fressen und Sauffen, das ist in der Atheistischen Welt kein Wunder, da man Gottes Gebote offt hintan setzt. Sondern diß scheinet vor solche Politicos zu ungereimt, daß, indem sie in allem auf ihr Bestes sehen und dencken wollen, gleichwol ihre Vernunfft, ihre Gesundheit und alles in dem Weinfasse zurück lassen.[151] Da kömmt ein Priester, und hätte die Gaben, daß er eine feine andächtige Predigt ablegen könte: Aber weil der gestrige Rausch noch nicht verdauet ist, so geht es ab wie Pech vom Ermel, und hat er selbst neben seinen Zuhörern, die höchste Ungelegenheit darbey. Das Nachsinnen kömmt ihn sauer an, kein Wort henckt an dem andern, das Maul ist so dürr, daß ihm die Zunge als ein alter Peltzfleck an dem Gaumen herum zappelt.

Von andern Ständen mag ich nichts sagen, wolte Gott! die jungen Leute spiegelten sich an den alten podagrischen, trieffäugigten, zitterenden Herren, welche in Städten und Dörffern offt verursachen, daß ein gemeines Wesen auff schwachen Füssen steht, da sie doch solcher Schwachheit wohl könten geübrigt seyn, wann sie in der Jugend ihre gesunde und starcke Naturen nicht so sehr forcirt hätten. Und wie mancher wäre ein beliebter und gesegneter Mann blieben, wann er im Truncke nicht alle Heimligkeit geoffenbahrt, oder mit einem andern unnöthigen Streit angefangen oder sich sonst mit närrischen Reden und Geberden prostituirt hätte.

Gelanor gedachte darbey an einen Studenten, welchen er zu seiner Zeit auf Universitäten gekennt hatte, von diesem sagte er, ich habe mein Tage keinen Menschen gesehn, der sich mit bessrer Manier vom Sauffen abfinden kunte. Einmahl solte er ein Glaß voll Wein ungefehr von einer Kanne außtrincken, und stellte sich der andere, der es ihm zugetruncken, so eifrig an, als wolte er sich zureissen, doch dieser sagte; Mein Freund, ich habe ihn vom Hertzen lieb, doch ist mirs lieber, er wird mein Feind, als daß ich soll sein Narr werden. Ein ander sagte zu ihm, entweder das Bier in den Bauch, oder den Krug auf den Kopff, da war seine Antwort: Immer her, ich habe lieber nüchtern Händel, als in voller Weise. Wieder ein ander trunck ihm eines grossen Herrn Gesundheit zu, da sagte er: GOTT gebe dem lieben Herrn heute einen guten Abend, meine Gesundheit ist mir lieber als seine. Ferner solte er seines[152] guten Freundes Gesundheit trincken, da war diß seine Entschuldigung: Es wär mir leid, daß ich die Gesundheit oben oder unten so bald weglassen solte. Einmahl bat ihn einer, er solte ihn doch nicht schimpfen, daß er ihn unberauscht solte von der Stube lassen, aber er replicirte: Mein Herr schimpffe mich nicht, und sauffe mir einen Rausch zu. Mehrentheils war dieß seine Exception. Herr, sagte er, wil er mir eine Ehre anthun, so sey er versichert, ich suche meine Ehre in der Freyheit, daß ich trincken mag, so viel mir beliebt: wil er mich aber zwingen, und mir zuwider seyn, so nehme ich es vor eine Schande an, und dancke es ihm mit etwas anders, daß er mich gebeten hat. Gleich in dem fragte Florindo, ob sie nicht wolten zu Bette gehn, und verstörte also das schöne Gespräche.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 150-153.
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