CAP. XLIII.

[201] Uber etliche Tage wurden sie zu gedachtem Stadtrichter wieder zu Gaste gebeten, da befand sich ein Kerle, der sich vor einen perfecten Lautenisten außgab. Der schüttete seinen gantzen Sack voll auß, und meynte, es fehlte nicht viel, daß nicht die Steine wie bey dem Orpheus zu tantzen anfiengen. Doch waren alle Stücke von altväterischen Manieren, von alberer application, von confusen tacte, mit einem Worte, wer einem andern wäre einen elenden Lautenisten schuldig gewesen, und hätte mit diesem Musicanten bezahlt, der hätte noch dritthalb Groschen wieder herauß bekommen. Endlich sagte der Richter, ob niemand in der Compagnie wäre, der Lust hätte ein Schulrecht abzulegen, er hätte neulich auf ihrer Stuben eine Laute gesehen, und könte leicht abnehmen, daß unter dem Hauffen ein Liebhaber wäre. Florindo, der bey einem guten Meister von Jugend auff war informirt worden, und im Lautenspiel wenig seines gleichen hatte, bekandte zwar, daß er vor etlichen Jahren zwey oder drey Stückgen gelernet; doch schämte er sich an einem solchen Orte sich damit hervor zu thun, da er Meister vor sich hätte. Der Lautenist präsentirte ihm also bald seine Laute, und sagte: Monsieur, ich mache profession von diesem Instrument, ob ich nun gleich geübter darauff bin, so ist es doch keinem eine Schande, der seine profession in anderen Sachen sucht. Ich bin der schlechten Stückgen bey meinen Discipuln wohl gewohnt, er lasse hören, ob er einen bessern Meister gehabt hat, dann ich erkenne es bald am ersten Griffe, was hinter einem ist. Florindo dachte, halt ich wil dir den ersten Griff weisen, daß du des letzten darbey vergessen solst, und nahm die Laute an. Aber was machte der Ertzkünstler vor grosse Augen, als er solche Händel auff der Laute hörete, die er sein, Lebtage nicht in der partitur gesehen hatte. Es gieng ihm wie einem Calecutischen Hahn, oder wie man das zahme Wildpret auff hoch Teutsch nennet, einem Truthahn, der zeucht den Schwantz wie ein Pfau, lässet die Flügel biß auf[202] die Erde hangen, und stellet sich, als wolte er die gantze Welt braviren: doch wenn der kleineste Haußhahn die Courage nimmt, und auff ihn zu läufft, so ist Schwantz, Flügel, Bauch und Rücken ein Ding, und aller bravade ist vergessen. Und ohn allen Zweiffel würde er ohne sonderliches Vexieren nicht seyn darvon kommen: doch zu seinem Glücke, und zu der gantzen Compagnie Verdruß, kam eine Frau mit einem Notario, die brachte klagend vor, ihr Mann wäre von dem Nachbar schelmischer und hinterlistiger Weise erschossen worden; der Richter solte ex officio das Corpus delicti in Augenschein nehmen. Hiermit war die Lust verstört, und weil der Wirth weggehen muste, gaben ihm die Gäste das Geleite, und wolten auch sehen, ob ein erschossener Mensch anders gestalt wäre, als eine gemeine Leiche. Sie kamen in das Hauß, da lag die Leiche, und war mit dem Rücken gantz bloß und voll Blut. Der Richter befand kein Leben da, drum befahl er dem Balbier, er solte darnach sehen, ob der Schuß tödlich gewesen, oder nicht! (quasi verò non potius ex intentione agentis, quàm ex effectu judicandum sit. Sed Mundus vult decipi: ac proinde in favorabilibus excusat intentionem, in odiosis negligit effectum, ne utrinque via claudatur patrocinio) der Balbirer war fleissig drüber her, wischte das Blut mit warmen Wasser rein ab; doch da war keine Wunde, da man sich eines Blutvergiessens her vermuthen sollen. Der Rücken und was dran hangt, war unversehrt, und iemehr sie nachsuchten, desto weniger funden sie. In dem kamen die Häscher, und brachten den Thäter, der trat vor den Richter, und entschuldigte sich folgender Massen: Hochweiser Herr Stadtrichter, ich weiß nicht, warum ich so geschimpfft werde, daß mich die gemeine Knechte auffsuchen müssen. Ich will gleich herauß sagen, was die Sache ist. Der Kerle der sich stellt, als wäre er erschossen, hat bißher den löblichen Gebrauch gehabt, daß er Abends vor meine Thüre kommen, und mir was anders, das ich nicht nennen mag, davor gesetzt. Nun ist er offt freundlich erinnert worden, er solte seine bürgerliche Pflicht bedencken, und seine Nachbarn ungeschimpfft lassen, doch[203] dessen ungeacht, hat er solches unterschiedene mahl continuiret.

Dannenhero ich endlich gezwungen worden, ihn von dergleichen bösen und leichtfertigen Beginnen abzuhalten. Gestalt ich eine Büchse mit Rinds-Blut geladen, und als er, seiner täglichen Gewonheit nach, mit dem blossen Rücken meine Haußthüre angesehen, unversehens Feuer gegeben, und ihn so blutig gemacht, daß er sich leicht eines grössern Schadens hat befürchten können.

Ist er nun vom Erschrecken gestorben, so mag man ihn mit was anders zu Grabe läuten. Ich bin auß aller Schuld. Denn dieser ist kein Schalck, der einen Schalck mit Schalckheit bezahlt.

Der Richter hätte bald über der artigen Erzehlung gelacht, wenn ihn das Ansehen seines tragenden Amptes nicht davon abgehalten. Doch befahl er, man solte dem Todten Cörper brennende Liechtschnuppe vor die Nase halten, ob er dadurch wieder lebendig würde; und fürwar der Anschlag war so uneben nicht, denn der Todte regte sich, und weil er meynte, er wäre schon in den Campis Elysiis, hätte er gerne Hebräisch geredet, wenn er nur hätte den unterscheid zwischen Schiboleth und Siboleth machen können.

Er hatte in einer Disputation gelesen in jener Welt würden die Leute Hebräisch reden, und weil er nicht darauff achtung gegeben, was ein anderer opponirt, quòd in altera vita planè non simus locuturi, cum æternitas consistat in puncto: locutio autem inferat prius & posterius, seu quod idem sonat, generationem & corruptionem, so war es kein Wunder, daß er bey solcher Einbildung verblieb. Doch fragte der Richter nach seiner Sprache nicht; sondern da er ihn nur lallen hörete, befahl er den Hauß-Genossen, seiner zu warten, und gieng davon. Zwar es hätte so übel nicht gestanden, wenn die Gäste wieder wären mit ihrem Wirthe gegangen, doch der Stundenrüffer hatte die Uhr verschlaffen, und ruffte eins auß, als er 11. ruffen solte. Damit gieng ein ieglicher nach Hause.

Quelle:
Christian Weise: Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Halle an der Saale 1878, S. 201-204.
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