Dritter Auftritt

[51] Wolowsky Catharina.


WOLOWSKY noch innerhalb. Führt ihr mich in den Mittelpunct der Erde?

CATHARINA. Diese Stimme –

WOLOWSKY tritt ein, Gruskel zieht die Thüre nach ihm zu. Hier? hier soll ich meines Herrn Tochter finden?

CATHARINA schreyt. Wolowsky!

WOLOWSKY erblickt sie. Catharina – ihr – ihr seyd es?

CATHARINA. Alter, treuer Freund –[51]

WOLOWSKY starrt sie an. Ihr hier – hier?

CATHARINA. Wohl ist für meinen Gatten dieß kein Aufenthalt, doch da ihn schwarze Bosheit bis hierher geschleudert, so wundre dich nicht, mich hier bey ihm zu finden.

WOLOWSKY. Catharina – Gott – so, so finde ich euch? blaß, durch Gram entstellt.

CATHARINA sanft. Das Äußere wich der Zeit, mein Herz ist unverändert.

WOLOWSKY. Als Herzog Johanns Braut, im königlichen Schmuck, so sah ich euch das letzte Mahl, als seine Gattinn muß ich so euch wieder finden?

CATHARINA. Wie, Freund – in deinen Jahren ist dir des Glückes Wechsel noch so unbekannt? Beruhige dich über meine jetzige Lage. Geschmückt mit fremder Zierde sahst du mich als Braut; mit eigenem, höherem Werthe stehe ich als Weib vor dir.

WOLOWSKY ergreift ihre Hand – küßt sie, kann vor Wehmuth nicht reden. O klaget – weint, diese Ruhe, diese sanfte Duldung bricht mir alten Mann das Herz.

CATHARINA. Fasse dich – sprich von der lieben Heimath – dem guten Vater – von den alten treuen Freunden – o sage, ob sie meiner noch gedenken?

WOLOWSKY. Sie ehren euch um eurer Tugend, Liebe und Treue willen, wie eine Heilige. – Viel habe ich euch zu sagen, doch das Beginnen wird mir schwer. Zu sehr ergreift mich alten Mann die Gegenwart, als daß ich des Vergangenen mich so bald entsinnen könnte. Catharina – was auch der Ruf gesagt, so glaubte ich euch nicht zu finden, so glaubt euch euer Vater nicht behandelt.

CATHARINA schnell. Du mußt es ihm verschweigen. –[52] Es ging mir bisher gut. Seit heute erst ist dieser Kerker unser Aufenthalt; ob Jöran – ob die Königinn uns diese Schmach bereitet – wem wir es danken, daß man uns sogar das Licht des Tages nicht mehr gönnt, das ist uns unbekannt.

WOLOWSKY. Die Königinn? wie sollte sie?

CATHARINA. Sie hasset meinen Gatten, weil er bey ihrer Krönung nicht erschien. Der schwache Erik läßt sich ganz von ihr beherrschen; sie zieht sein Herz von seinem Bruder ab, so nur läßt die Verfolgung sich erklären, die sich täglich mehrt.

WOLOWSKY. Catharina – ihr müßt fort.

CATHARINA. Wie?

WOLOWSKY. In solcher Wohnung, in solchen Händen lass' ich euch nicht zurück.

CATHARINA. Mein Schicksal muß sich wenden. Du weißt, das Glück hat Launen, es hebt und stürzt. Du kamst auch gerade in dem Augenblicke, wo eine finstere Wolke mir neidisch vor die Sonne tritt; – sie zieht vorüber, und der heitere blaue Himmel lächelt mir.

WOLOWSKY. Der lächelt euch in diesem Land nicht mehr. Catharina, glaubt mir, glaubt meinen Thränen, ihr müßt fort.

CATHARINA. Was ist dein Auftrag? sprich nicht von mir, sprich endlich doch von meinem Vater.

WOLOWSKY. Er fordert euch zurück!

CATHARINA. Wolowsky!

WOLOWSKY. Ich soll die Königstochter dieser Schmach entreißen. Ich soll euch in die Arme eures alten Vaters führen.[53]

CATHARINA. Gott –

WOLOWSKY. Ihr sollt bey ihm mit all' dem Glanze leben, der eurem Stand gebührt.

CATHARINA schnell. Mein freyer Wille hat ihn ausgeschlagen.

WOLOWSKY. Ihr sollt die fremden Fesseln brechen.

CATHARINA. Bin ich gefangen? – ein Wink von mir sprengt diese Thüre, frey gehe ich durch das ganze Land. Als Erik seinen Bruder in's Gefängniß stieß, lud er mich ein, an seinem Hof zu leben; er both mir königlichen Glanz und jede üppige Gemächlichkeit; da wies ich lächelnd hin auf meinen Trauring. Vereint bis in den Tod! war in das Gold gegraben, und unvergänglich steht das hier in meinem Herzen. Ich warf von mir die glänzenden Gewänder, die Perlen riß ich aus den Haaren, vertheilte mein Geschmeide, arm und dürftig folgte ich meinem Gatten in's Gefängniß. Habe ich geschworen, nur im Glück sein Weib zu seyn? hat mich die Kirche nicht zu gleichem Schicksal, zu gleichem Wohl und Weh mit ihm vereint? Man raubte ihm des Vaters Erbe, des Bruders Herz; – die Gattinn konnte Menschentücke ihm nicht rauben, sie steht im Unglück ihm zur Seite, und auch im Grabe weicht sie nicht von ihm.

WOLOWSKY. Catharina, ihr müßt fort!

CATHARINA. Ich muß? wer will mich zwingen? Du? meiner Kindheit Freund? – der Vater, der mir nichts versagen konnte?

WOLOWSKY. Das Schicksal – selbst euer Vater – selbst Schwedens König kann euch nicht mehr schützen.[54]

CATHARINA. So schütze Gott mich! – Sprich! was drohet mir?

WOLOWSKY. Rußlands Beherrscher hat neuerdings um euch geworben.

CATHARINA. Um mich? um die Vermählte?

WOLOWSKY. Er betrachtet eure Ehe als aufgelös't. – Die Flamme lodert noch, die einst bey eurem Anblick ihn ergriff. Er droht mit Krieg, will seine Braut erkämpfen.

CATHARINA. Alter Mann – verwahre deine Ehre – zur Lüge läßt du dich herab, um mich zu kirren? Das Eheweib eines Andern will der Zaar? er will? – was will ein mächtiger Zaar nicht! – doch darf mein Vater, darf Schweden – kann ich das jemahls wollen?

WOLOWSKY. Seine Heere stehen gerüstet, in Schweden einzufallen, welche Gewalt wollt ihr dem mächtigen Herrscher wohl entgegen stellen?

CATHARINA. Die Allgewalt des tugendhaften Weibes. Todt können seine Krieger mich von dem Gatten reißen, an den mich Liebe, Ehre und Religion geschmiedet, doch lebend nicht. Gott, was soll aus deinen Völkern werden, wenn ihre Könige kein Band der Tugend ehren, wenn ihren Lüsten nichts mehr heilig ist? Dem Weib, der Mutter, einen solchen Antrag? und von euch?

WOLOWSKY. Wie? was sagt ihr? der Mutter?

CATHARINA. Ja – Mutter bin ich – Weib – bin nicht mehr Königstochter, will nichts mehr seyn als Weib und Mutter. Nehmt hin die Hoheit dieser Welt, laßt mir die einzige Würde, ein tugendhaftes Weib zu seyn.

WOLOWSKY gerührt. Ihr seyd Mutter?

CATHARINA. In stiller Einsamkeit, von aller Welt verlassen,[55] sogar der Hülfe auch beraubt, der sich die dürftigste Gebärerinn erfreuen darf, sah ich mit banger Sehnsucht dem Augenblick entgegen, da sich neue Sorgen und neue Freuden meinem Schooß entwinden sollten. Da trat in mein Gemach ein Weib, von königlichem Wuchs, und nahte dicht verschleyert meinem Lager. Ihr brauchet Hülfe, sprach sie sanft: schlagt die nicht aus, die ich euch biethe. Zwey Frauen eilten auf ihren Wink herbey; bald lag mein Sohn in meinen Armen; doch jenes himmlische Gebilde war verschwunden. War es eine Heilige, die zum Himmel wiederkehrte, – so wähnte ich oft in meinem stolzen Wahn. Mit tausend Fragen bestürmte ich die zurückgelassene Wärterinn, doch fest verschlossen blieb ihr Mund.

WOLOWSKY. Und ihr wurdet Mutter?

CATHARINA. Als ich den Neugebornen in des Vaters Arme legte, da lächelte und weinte er zugleich. Willkommen, rief er, Gefährte unsrer Leiden! und bethend sank er mit dem Kinde auf die Knie.

WOLOWSKY. Warum verbargt ihr eurem Vater, daß ein Erbe –?

CATHARINA. , Sollte nicht mein erster Sohn der Erbe Pohlens seyn? sollte er nicht unter meines Vaters Aug' in jenem Land erzogen werden? Ach! wir armen, freudenlosen Ältern hatten nichts als ihn, vermochten's nicht, den Einzigen von unsrem Herzen los zu reißen. Gold – Bitten – Thränen erweichten unsers Wächters Herz – er schwieg.

WOLOWSKY. O laßt mich den kleinen Engel sehen! versagt es nicht dem Mann, der euch so oft auf seinen Armen getragen.[56]

CATHARINA. Ja – du sollst ihn sehn; blick' auf das Kind, und entreiß' ihm seine Mutter, wenn du kannst. Schnell ab.

WOLOWSKY. Wie ist mir zu Muth – mir schlägt das Herz, als sollte ich meinen Enkel sehen.

CATHARINA mit Siegmund auf dem Arm. Als Braut im königlichen Schmuck, so sahst du mich das letzte Mahl; als Weib, als Mutter siehst du mich heute wieder. Der Tand des Lebens ist dahin. Die wahren, schönern Freuden sind geblieben.

WOLOWSKY. Dieß der Enkel meines Herrn? Pohlens Erbe?

CATHARINA gibt ihm das Kind. Sey sein Freund, und wenn ihm Gott bald seine Ältern nimmt, so sey ihm Vater.

WOLOWSKY ist in seinem Anschaun verloren. Ist's mir doch, als wäre in dieser Finsterniß die Sonne aufgegangen, seit ich dir in die lieben Augen sehe. Herzt das Kind.

SIEGMUND. Mutter – ist der Mann mein Großvater?

CATHARINA. Nein, mein Kind – sein Freund.

SIEGMUND. O lieber alter Mann, sage ihm doch, daß wir ihn recht lieben, und alle Tage für ihn bethen.

WOLOWSKY. Thust du das? lieber kleiner Engel, bethest du für ihn?

SIEGMUND. Alle Tage. – Die Mutter und der Vater bethen auch.

WOLOWSKY. Dein Vater – Gott! Besinnt sich. Gott! Stellt das Kind hin und will fort. Lebt wohl!

CATHARINA. Wo willst du hin? was treibt dich fort?

WOLOWSKY. Unglück zu verhüten, wenn es möglich ist.

CATHARINA. Welches Unglück?

WOLOWSKY. Ach! ihr wißt nicht – Johann soll –[57]

CATHARINA schnell. Was, was soll er?

WOLOWSKY sieht ihr Entsetzen, will einlenken. Er soll noch länger im Gefängniß schmachten. – O, warum wollt ihr Schweden nicht verlassen? Folgt mir, nehmt euer Kind, und laßt uns fliehen –

CATHARINA reißt das Kind an sich. Nimmermehr! –

WOLOWSKY. So laßt mich fort!

CATHARINA. Wo willst du hin?

WOLOWSKY. Ich will bitten – flehen – drohen – alles versuchen, die schlafende Natur zu wecken.

CATHARINA. Mensch! – laß mich nicht in dieser Todesangst – so fürchte ich mehr, als du mir sagen kannst.

WOLOWSKY. Könnt ihr mehr als das Ärgste fürchten? – Noch ist die Wuth der Feinde nicht gekühlt, man strebt von neuem eurem Gatten nach dem Leben.

CATHARINA. Barmherziger Gott! Sinkt in die Knie.

WOLOWSKY zu Siegmund, der sich ängstlich an die Mutter schmiegt; er faltet ihm die Hände. Bethe, Kind, falte deine kleinen Hände, und bethe laut. – Catharina, die Menschen meinen es nicht gut mit euch; von oben muß die Hülfe kommen. Er sieht in jedes Herz, er weiß, in welches er Erbarmen legen soll; er wird dem alten Manne Worte geben, eurer Feinde Herz zu rühren. Lebt wohl – lebt wohl – Gott stärke euch! Schnell ab, die Thüre wird hinter ihm verschlossen.

CATHARINA springt auf. Wolowsky – bleibe – höre! – Fort ist er, – fort – und klirrend schloß sich hinter ihm die Thüre. Was soll ich thun? – ich will des harten Bruders Knie umfassen, ich will mich vor dem Weib im Staube winden, das dem Staub entstieg uns zu verderben.[58] Ich will das Volk um Hülfe flehen, ich will – o Gott! Gott! versage mir nur nicht die Kraft, bewahre mich vor Wahnsinn. Mit Hoffnung. Nein – nein, ich verzweifle nicht an deiner Hülfe, du lebst ja noch – du lohnst, du strafst ja noch, du wirst die Deinen nicht verlassen. Bleibt, den Blick andächtig gegen Himmel gerichtet.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 51-59.
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