Dritter Auftritt

[91] Der Kammerherr, dann Braske, der König.


KAMMERHERR. Geheime Rath Braske bittet um Gehör.

KÖNIG. Braske? Nach einer Pause. Er komme!

KAMMERHERR ab.

KÖNIG allein. Warum stieg mir bey diesem Nahmen gähe Röthe in's Gesicht? warum wird mir jetzt plötzlich kalt? Braske ist ein edler Mann, sollte ich den Anblick eines guten Menschen nicht ertragen können? Langsam. Er saß mit bey Gericht – er bringt vielleicht – o Gott –

BRASKE tritt ernst und feyerlich ein.

KÖNIG nach einer Pause. Willkommen Braske!

BRASKE kommt langsam näher. Ich hoffe nicht, daß ich heute Eurer Majestät willkommen bin.

KÖNIG unruhig. Führt dich ein eigen, oder fremd Geschäft zu mir?

BRASKE. Das eurige, mein König, das ich stets zu dem meinen mache.

KÖNIG mit unterdrückter Stimme. Rede![91]

BRASKE. Ich komme aus dem geheimen Rath.

KÖNIG wie vorhin. Ist – ist er geendigt?

BRASKE nach einer Pause. Ich bringe Eure Majestät den Rathsbeschluß. Hält ihm das Papier hin.

KÖNIG fängt an zu zittern, wird blaß, will es endlich nehmen, kann nicht, zieht die Hand zurück, und sagt gepreßt. Legt hin –

BRASKE geht zu dem Tische, an dem der König steht, legt das Papier hin und geht an seine vorige Stelle.

KÖNIG sucht sich zu fassen. Warum sprecht ihr nicht?

BRASKE. Ich möchte den nicht gerne stören, der jetzt mit euch spricht.

KÖNIG. Wer spricht mit mir?

BRASKE. Gott, durch das Gewissen.

KÖNIG etwas heftig. Braske –

BRASKE fest. Gott, durch das Gewissen – hört es gnädigster Herr! es wird euch in dieser Sache sichrer leiten, als eure Räthe.

KÖNIG. Was – was beschloß der Rath?

BRASKE nach einer Pause. Tod.

KÖNIG wiederhohlt dumpf. Tod. Geht einige Schritte, bleibt dann stehen und sagt entschlossen. Schwedens Wohlfahrt will ein Opfer – es falle!

BRASKE. O König – täuscht euch nicht! Gustav's Wasa's königliches Blut, auf dem Schaffot vergossen, sollte Schweden Segen bringen? dem Lande bringt es Fluch, euch späte, blutige Reue.

KÖNIG. Soll ich die Schlange ferner in dem Busen wärmen? unter Meuterey und Aufruhr täglich für mein[92] Leben zittern, vom Schlaf aufschrecken, ob sich nicht ein Mörder meinem Lager naht?

BRASKE. Ihr wollt mit seinem Tod euch Ruhe erkaufen? o gnädigster Herr, wie weit seyd ihr vom Ziel! Was stört jetzt eure Ruhe? die Feinde, die euch Johanns Gefangenschaft erwarb? setzt ihn in Freyheit, und sie werden eure Freunde. Gebt ihm sein Herzogthum zurück, laßt ihn darinnen nach Gefallen schalten. Schwedens Ruhe wird dann nicht gefährdet, und kein Meuchelmörder strebt nach eurem Leben. Doch, fließt sein Blut, dann fürchtet seine Rächer. Tausend Stimmen werden schreyen, tausend Arme sich bewaffnen – sein blutiger Schatten geht vor ihnen her, zeigt seine Wunden, entflammt mit Mordlust Greise, Weiber, Kinder. Euch jagt Gewissensangst und Furcht vom väterlichen Boden, doch, wo ihr seyd, folgt euch sein Geist. Den Schlaf scheucht er vom müden Auge, läßt euch nicht ruhen in der Gattinn Arm – Auch wachend, unter tausend lebenden Gestalten, ihr seht den Todten nur, die ganze Schöpfung ist für euch dahin gestorben, euch lebt nur der, den ihr gemordet habt.

KÖNIG in heftiger Bewegung. Fort, Teufel! nimm mir nicht die letzte Hoffnung, Ruhe zu erkaufen. Reißt das Papier auf, starrt es an. Tod – so viele Lebende hier stehen, so oft steht Tod. Sieht Braske an. Und Tod steht auch bey deinem Nahmen.

BRASKE. Dort steht der Richter – hier, der Mensch.

KÖNIG greift nach der Feder. Ich trenne, so wie du, den Richter von dem Menschen, und – Will schreiben.

BRASKE schnell. Auch den Bruder von dem König?[93]

KÖNIG läßt die Feder sinken.

BRASKE. Seht – seht – es bebt die Hand. Das eigne Blut wollt ihr vergießen, die Natur empört sich schon bey diesem gräßlichen Gedanken, und doch seyd ihr begierig nach der That? Soll euch die Welt als einen Nero hassen, soll sie den Todten als einen Heiligen, als einen Märtyrer verehren, soll sie den Lebenden verfluchen?

KÖNIG springt auf. Braske –

BRASKE. Verfluchen! ja, König! – Fremd ist eurem Ohr die Sprache, doch unerhörte Thaten fordern nie gehörte Worte, und dulden nicht die Schranken weiser Mäßigung. Zu den hervorstrebenden Gestalten nimmt der Mahler grellere Farben, und diese That, nennt sie, bedeckt sie, wie ihr wollt, sie steht im Vordergrunde eures Lebens, und deckt dem Auge all das Gute, was ihr gethan. Der Rath verdammte, doch Schande treffe den, der glauben konnte, das Urtheil würde auch vollzogen werden. Wessen Nahme fehlt? der Bruder – wird der unterschreiben? Bey welchem eurer Unterthanen laßt ihr Gnade für Recht ergehen, wenn ihr diese schöne Fürstentugend nicht an eurem Bruder übt?

KÖNIG. Er ist mein größter Feind.

BRASKE. Groß ist es, seinen Feinden zu verzeihen, klein wäre es, an dem Bruder sich zu rächen. Zeigt ihm das Urtheil und vernichtet es vor seinen Augen, er sehe, daß er von nun an jeden Athemzug euch dankt, das Licht des Tages nicht mehr gesehen hätte – und dankbar wird er eure Knie umfassen, bereuen wird er jeden raschen Schritt, eure Herzen, die schwarze Bosheit trennte, werden wieder friedlich an einander schlagen. Für Schweden[94] geht dann eine neue Sonne auf, der Friede und die Eintracht auf dem Throne bringt Segen jeder Hütte; verjährte Feinde reichen sich die Hände, und heben bethend sie für ihrer Fürsten Wohl empor. O Fürst! könnt ihr an Blut und Mord noch denken, wenn ihr dieß Bild gesehen habt?

KÖNIG bewegt. Was willst du aus mir machen?

BRASKE. Einen glücklichen Menschen –

KÖNIG. Kann ich –


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 1, Wien 1817, S. 91-95.
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