Dritter Auftritt

[156] Wolf, Waldberg, Grünau, Baroninn.


WOLF. Ich habe die Ehre und das Vergnügen, Euer Gnaden Herrn Waldberg, einzigen Erben eines Ihnen theuern Anverwandten zu präsentiren. Ich sage, das Vergnügen, und es ist hier nicht bloße Redensart, denn es macht mir wirklich Freude neben einem solchen Ehrenmann zu stehen.

BARONINN. Ach – wie erneuert Ihr Anblick den Schmerz über den Verlust meines theuren Schwagers! Erst heute erhielt ich diese schreckliche Nachricht, sie hat mich fast zu Boden gedrückt.

WOLF. Davon war ich Zeuge.

BARONINN. Doch, es ist das Loos der Menschen, wir müssen uns darein finden. Seyn Sie mir von Herzen willkommen! Sie bringen uns allen seinen Segen.

WOLF für sich. Sein Geld.

BARONINN. Sie haben alles geerbt? sein ganzes Vermögen?[156]

WALDBERG. Ich verlor mehr an ihm, als mir seine Erbschaft ersetzen kann; er war mir Vater, ich danke ihm Kenntnisse, die sich Lebensunterhalt erwerben können, das ist das schönste Erbtheil, dafür segne ich ihn.

BARONINN. Rührend, recht rührend, aber das Geld ist denn doch –

WALDBERG. Nur Geld.

BARONINN. Freylich, freylich – aber – wer ist denn das?

WALDBERG. Mein Freund Grünau.

BARONINN. Der Nahme und auch die Züge sind mir bekannt. Sind Sie nicht –

GRÜNAU der noch immer an der Thür steht. Der Sohn des alten Grünau? zu dienen.

BARONINN. Der mich einmahl im Pirutsch zu seinem Vater führte?

GRÜNAU. Ganz Warrecht, nachthausen auf unser Gut.

BARONINN. Der mich beym Pfarrhof umwarf?

GRÜNAU. Ganz recht. Ich bleibe darum auch so nahe an der Thüre, um gleich bey der Hand zu seyn, wenn Sie mich dafür hinaus werfen wollen.

BARONINN. Seyn Sie mir tausend Mahl willkommen!

GRÜNAU. Wirklich? darf ich näher kommen? Kommt vor. Es war auch eigentlich nicht meine Schuld. An dem Eckstein hatte schon mein Vater umgeworfen, als er meine Mutter zur Trauung führte. Jedermann prophezeyte daraus der Ehe viel Unglück, aber das einzige Unglück, was daraus entstand, war – ich.

BARONINN. Erinnern Sie sich noch meiner Töchter?

GRÜNAU. Die kleine Nina? und die etwas größere Emy? was sollte ich nicht? ich habe sie ja mit umgeworfen.[157]

WOLF lacht. Haben sich also der ganzen Familie unvergeßlich gemacht. Müssen langsam fahren, sind noch jung, können noch oft umwerfen.

GRÜNAU. Die eine schrie ganz fürchterlich: Mama, Emy ist todt! den Teufel auch, dachte ich, ist meine Mutter an dem Bißchen Umwerfen doch auch nicht gestorben. Ich nahm das kleine Wesen, das am Kopf blutete, auf den Arm, trug es auf meiner Mutter Bett, die wusch ihr den Kopf mit Wein, und mir wusch der Vater den Kopf mit ein Paar tüchtigen Ohrfeigen. Spitzbube schrie er, wirf bald wieder um!

WOLF. Die Cur war stark.

GRÜNAU. Darum hat sie auch geholfen. Sie glauben nicht, mit welcher Ehrfurcht ich jetzt um alle Ecksteine fahre.

WOLF. Ja, das Ausweichen kann man der Jugend nicht nachdrücklich genug einprägen; das Leben hat gar viele Ecksteine, darum eile mit Weile.

BARONINN läutet, ein Bedienter kommt. Die Fräuleins. Bedienter ab. Zu Wolf. So viel ich mich erinnere, ist sein Vater reich.

WOLF. Sehr reich.

BARONINN. Ei, da ließe sich ja vielleicht –

WOLF. Der zweyte Bräutigam finden? – Eine gute Mutter sieht erst in das Herz des Mannes, dem sie ihr Kind vertraut, dann in den Geldkasten.

BARONINN. Aber die Seele darf dem Manne doch auch nicht fehlen, und die ist heut zu Tage Geld, ohne das regt und bewegt sich nichts.[158]


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 156-159.
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