Zweyter Auftritt

[209] Waldberg, die Vorigen.


WALDBERG. Verzeihen Sie, ich dränge mich vielleicht zur Unzeit ein.

MARIE befremdet. Herr von Waldberg – Sie hier?

WALDBERG. Ich habe mit Ihnen zu sprechen, man wies mich hierher.

GERTRAUDE. Gott stehe mir bey, bis in diese Stube kommen die Weltmenschen! Nein, da ist meines Bleibens nicht!

MARIE. Liebe Mutter –

WALDBERG. Ihre Mutter?

GERTRAUDE. Ja, Mutter, ich habe sie erzogen, sie bedächtig um jede Grube geführt, ihr jedes Steinchen gezeigt. Sie ist auch nie gestolpert, ist mit kleinen zierlichen[209] Schritten durch's Leben gegangen, nicht wie die heutige Jugend, die mit sechs Schritten von der Wiege bis an's Grab läuft. Da kommen denn die unzeitigen Seelen in die andre Welt, und haben der Erde nichts als ihre unnützen Fußstapfen hinterlassen. Adieu Mariechen – nun, ich will das Ding noch ein Weilchen mit ansehen, aber bessert es sich nicht, so komm ich wieder liebe Tochter, und schreye so lange, bis die Alte nicht mehr allein zur Thüre hinaus geht, bis mein Mariechen mit mir geht, mir in ein Haus folgt, das dem Herrn wohlgefällig ist. Zu Waldberg. Ja Herr, das ist kein verdorbenes Weltkind, die gehört dem lieben Gott, und mir, der alten Gertraud, wir beyde wachen über sie, daß es ihr hier und dort wohl gehe. Amen. Ab.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 209-210.
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