Vierter Auftritt

[216] Nina. Waldberg.


NINA. Ich suche Sie, Herr von Waldberg! man sah Sie in's Haus gehen, und doch kamen Sie nicht zu uns. Endlich erfuhr ich, Sie wären hier, und das ist mir lieb, denn hier kann ich besser von Herzen mit Ihnen sprechen, als in unserm Gesellschaftszimmer; hier darf ich immer sprechen, wie ich denke.

WALDBERG zerstreut. Was haben Sie mir zu sagen?

NINA. Ich möchte gerne wissen – aber – es wird sich vielleicht nicht schicken.

WALDBERG. Was?

NINA. Ich möchte gerne wissen, ob Sie mich oder Emy heirathen – Schnell. Nicht wahr, Emy ist viel hübscher als ich?

WALDBERG. Schönheit verblüht bald.

NINA. Sie ist auch besser, viel besser. Ich war immer ein wenig wild und ausgelassen, und so oft ich als Kind etwas anstellte, Emy nahm es immer auf sich.

WALDBERG. Und wenn Emy einen Fehler beging, so erklärten Sie sich schuldig?[216]

NINA. Ja – manchmahl auch ich – aber Emy ist doch besser.

WALDBERG. Wenn ich aber dennoch Sie vorzöge?

NINA. Wenn Sie – ach – dann müßte ich –

WALDBERG. Was?

NINA seufzt. Sie heirathen – aber – nein, das werden Sie nicht. Hören Sie, lieber Herr von Waldberg! ist es denn wirklich wahr, daß Ihr Freund Grünau die Weiber haßt?

WALDBERG. Bis jetzt, ja.

NINA. Aber – mich sieht er doch recht freundlich an.

WALDBERG. So?

NINA. Und nicht wahr – wenn ich Sie heirathe, so wird er recht oft zu uns kommen?

WALDBERG. O ja, sein Gut liegt ganz nahe.

NINA. Da besuchen wir ihn oft?

WALDBERG. So oft Sie wollen.

NINA. Ei, alle Tage – ist Ihr Schloß groß?

WALDBERG. Sehr groß.

NINA. Da könnte er ja bey uns wohnen?

WALDBERG. Ja, das ist wahr.

NINA. Da brauchen wir nicht täglich den weiten Weg zu machen.

WALDBERG. Wünschen Sie ihn denn alle Tage zu sehen?

NINA. Ach – ja –

WALDBERG. Sie sind ihm gut?

NINA. Recht gut.

WALDBERG. Nina – Sie können nicht auf meinem Schloß wohnen.

NINA. Warum nicht?[217]

WALDBERG. Grünau hat ein viel schöneres Schloß.

NINA. Schöner?

WALDBERG. Aber kleiner.

NINA. O ich brauche nicht viel Platz.

WALDBERG. Also müssen Sie bey Grünau wohnen.

NINA freudig. Ja? – aber wird sich das schicken, daß ich bey ihm wohne, wenn ich Sie heirathe?

WALDBERG. Nein, das schickt sich nicht.

NINA. Aber daß er bey uns wohnt, das schickt sich?

WALDBERG. Nein, auch das schickt sich nicht.

NINA. Aber du lieber Himmel, was schickt sich denn?

WALDBERG. Daß Sie Grünau heirathen.

NINA fröhlich. Meinen Sie?

WALDBERG. Ja, so mein' ich, und so fühlen Sie.

NINA. Ja – das ist wahr – so fühle ich. Aber wenn er die Weiber haßt, wird er mich nicht heirathen wollen.

WALDBERG. Sagten Sie nicht, er sähe Sie freundlich an?

NINA. Ja – das thut er.

WALDBERG. Er hat Ihnen wohl auch schon die Hand gedrückt?

NINA. Ja – das hat er – aber – woher wissen Sie denn das? hat er es Ihnen gesagt?

WALDBERG lächelnd. Das ist nicht nöthig, so etwas läßt sich errathen. Kurz – ich glaube, wenn ich ihm ein wenig zurede, so heirathet er Sie.

NINA. O so thun Sie es doch, reden Sie ihm zu!

WALDBERG. Ich suche ihn auf.

NINA. Sagen Sie ihm, sein Schloß gefiele mir weit besser, als das Ihrige.[218]

WALDBERG. Aber – Sie haben es ja noch nicht gesehen?

NINA. Freylich – das geht also nicht an.

WALDBERG. Aber uns Beyde haben Sie gesehen. Ich könnte ihm also mit klaren Worten sagen, daß er Ihnen besser gefällt, als ich –

NINA schnell. Ach ja – ach nein – das würde sich nicht schicken.

WALDBERG. Er wird es gewiß nicht übel nehmen.

NINA. Aber Sie?

WALDBERG. Ich will Ihr Glück, und wünsche herzlich, daß Sie es in Grünau's Armen finden.

NINA. O gewiß! es ist ein gar zu guter Mensch, ein – Aber hören Sie – wenn er mich durchaus nicht will, zwingen müssen Sie ihn nicht.

WALDBERG. Ohne Sorge. Wenn er Sie freundlich angesehen?

NINA schnell. Ja, das hat er, gewiß und wahrhaftig!

WALDBERG. Wenn er Ihnen die Hand gedrückt –

NINA. So fest – sehen Sie – ich glaube, man sieht es noch – wenigstens fühl' ich es noch.

WALDBERG. Und wie haben Sie sich dabey benommen?

NINA verlegen. Ich?

WALDBERG. Haben Sie den Blick zur Erde geschlagen?

NINA. Anfangs wohl – aber dann habe ich immer wieder hinauf geblinzelt.

WALDBERG. Und die Hand?

NINA. Die Hand? – ich glaube – die habe ich ihm auch gedrückt.[219]

WALDBERG. Nun so ist ja die Sache so gut wie richtig.

NINA. Meinen Sie?

WALDBERG. Gewiß!

NINA. Ich sollte auch nicht meinen, daß ein Mann einem Mädchen die Hand drückt, wenn er sie nicht heirathen wollte.

WALDBERG. Freylich – die Sache ist schon zu weit gekommen; Sie werden Mann und Frau! Aber lassen Sie ihn nichts merken, daß Sie mit mir von der Sache gesprochen.

NINA. Nein, gewiß nicht, ich schäme mich auch viel zu sehr.

GRÜNAU innerhalb. Da hinauf? die Thüre rechts?

NINA erschrocken. Da kommt er, ich muß fort! Nicht wahr, ich muß fort, sonst merkt er's?

WALDBERG. Freylich.

NINA. Reden Sie ihm nur recht zu – aber zwingen müssen Sie ihn nicht, hören Sie? zwingen nicht!


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 2, Wien 1817, S. 216-220.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon