Sechster Auftritt

[69] Die Vorigen. Gehrmann. Walter.


GEHRMANN kommt lachend. Was Sie mir sagen! solche Narren giebt es? Bücherschränke nach der Elle zu füllen? hat man solchen Unsinn je gehört? Zu Emerike. Nun, Kind, haben Sie Bücher ausgesucht?

EMERIKE weinerlich. Nein.

GEHRMANN. Warum nicht?

EMERIKE. Weil mir hier die Menschen und die Bücher nicht gefallen.

GEHRMANN. Die Menschen gebe ich Ihnen Preis, aber meine Bücher –

EMERIKE. Ich habe immer gehört, wenn ein Mädchen Braut wird, so hinge der Himmel voller Geigen, nur im Ehestande sähe es zuweilen trübe und wolkig aus. Wenn ich aber schon als Braut das Auge voll Wasser habe, wie soll es denn als Frau mit mir werden?

GEHRMANN. Besser, Kind! Ihr Mann wird Sie auf den Händen tragen, er wird –[69]

EMERIKE mit einem Blick auf Flint. Ach nein! er will mich nicht, und ich werde doch keinen Andern lieben.

GEHRMANN zu Flint. Sie liebt ihn! sehen Sie, sie liebt ihn, und der verstockte Mensch läßt sich gar nicht sehen.

EMERIKE entschlossen. Ich will fort! will gar nicht heirathen, will meine alte Muhme pflegen, und ihn vergessen. Ach nein, vergessen werde ich ihn nicht. Aber – zu Tode werde ich mich grämen, dann wird er doch glauben, daß er auf der weiten Welt kein Mädchen findet, das ihn so liebt, wie ich. Geht weinend ab in die Seite des Hauses.

GEHRMANN zu Flint. Nur ein Mahl mit ihm gesprochen, und eine solche Liebe! der Mensch ist verrückt, daß er das Mädchen nicht will. Reden Sie ihm zu.

FLINT. Ich?

GEHRMANN. Das Mädchen ist mir lieb.

FLINT. Das begreife ich.

GEHRMANN schnell. Nicht der Münze wegen; sie hat für mich ihren Werth – aber ihre Einfalt, ihre Kindlichkeit, ihre Offenheit! welche Andere hätte das so gerade heraus gesagt?[70]

FLINT. Freylich!

GEHRMANN. Sie müssen sich ihre Unterhaltung eben auch nicht sehr angelegentlich zu Herzen genommen haben, da ich sie so verstimmt antraf.

FLINT. Ich war –

GEHRMANN. Etwas wortkarg? einsilbig? ja – wenn es eine Stadtdame gewesen wäre, da nehmt Ihr gleich das Maul voll.

FLINT. Mein Betragen gegen sie war streng dem Verhältniß gemäß, in dem Ihr Neffe mit ihr steht.

GEHRMANN Mein Neffe ist ein Klotz! und wenn er sich nicht bequemen will, seiner künftigen Frau Artigkeiten zu sagen, so muß er sich gefallen lassen, wenn es seine Freunde thun. Das Mädchen muß meine Nichte werden.

FLINT. Eben darum –

GEHRMANN. Sie sind sein Freund –

FLINT. Ich habe es heute mehr als jemals bewiesen.

GEHRMANN. Suchen Sie ihn auf, machen Sie die Sache richtig.

FLINT. Ich?[71]

GEHRMANN. Sagen Sie ihm, wie ihn das Mädchen liebt.

FLINT. Es könnte doch ein Irrthum –

GEHRMANN. Was Irrthum? – Die denkt, wie sie spricht.

FLINT. Aber Ihr Neffe

GEHRMANN vertraut. 300,000 fl.! hübsch! kreuzbrav! welcher Dummkopf stieße so ein Glück von sich.

FLINT. Es gibt doch Fälle!

GEHRMANN. Und so verliebt! nun – Sie haben es selbst gehört! so verliebt in den Jungen, daß sie, wenn er sie nicht zur Frau nimmt, stirbt.

FLINT entschlossen. Ich kann Ihren Neffen nicht bereden, Ihren Wunsch zu erfüllen.

GEHRMANN. Nicht? warum nicht?

FLINT. Ich habe meine Gründe!

GEHRMANN. Wie heißen die? Ziererey? Ungefälligkeit?

FLINT. Redlichkeit! ich glaube, daß man zu einen solchen Schritt niemanden bereden darf – und – bin überhaupt genöthigt, Ihr Haus zu verlassen.[72]

GEHRMANN erstaunt. Was? mein Haus verlassen? Nimmt ihn bey der Hand. Sie waren ja so gerne bey mir!

FLINT. So lange ich es mit Ehren konnte.

GEHRMANN erstaunt. Verträgt sich das, was ich von Ihnen fordere, nicht mit Ihrer Ehre?

FLINT. Auch nicht mit meinem Gefühl.

GEHRMANN. Wie?

FLINT. So wissen Sie denn – der, dem Sie den Auftrag gaben, einen Andern dahin zu bringen, daß er Emeriken seine Hand reiche, der liebt das Mädchen selbst.

GEHRMANN erstaunt. Was? wie? Sie lieben das Mädchen?

FLINT mit Gefühl. Ich liebe – und verlasse sie. Schnell ab.

GEHRMANN sieht ihm erstaunt nach. Da hat er recht. Da konnte er ihm freylich nicht zureden Armer Teufel! heirathen kann er sie nicht, denn sie liebt nun einmahl meinen Neffen; und das Geld! nein, so lieb ich ihn habe, heirathen kann er sie nicht. Aber, aus dem Hause darf er mir auch nicht. Geschickte Feder – brav – fleißig. Ich locke ihn in mein Zimmer, setze ihn an den Schreibtisch, und[73] lasse so wie von ungefähr das Schloß ab. Die Verliebten sind ja ohnehin wie Irrhäusler zu behandeln; aber – wenn sie ihm gefallen konnte, warum gefällt sie denn meinem Neffen nicht? Habe jetzt einen wichtigen Gang, dann will ich die Sache schon in Ordnung bringen. Das Manuscript, das ich ihm gab, muß langen Inhalts seyn; ja – wenn die Frauen reden oder schreiben, das nimmt kein Ende. Sonst hatten sie nur das letzte Wort in ihrem Hause, aber, wenn das so fortgeht, haben sie es auch bald in der Welt. Nimmt Hut und Stock, den er mitgebracht hat, und geht auf die Gassenseite ab.


Wie Gehrmann abgeht, kommt Walter und ein Diener durch die Glasthüre herein.


DIENER. Heute geht es hier sehr ruhig zu.

WALTER. Es ist Mittag. Die leselustige Welt huldigt jetzt einem andern Götzen.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 69-74.
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