Sechstes Exempel.

Ein adelicher Jüngling wird im Ehebruch erdappet, und jämmerlich erstochen.

[59] Es war ein adelicher Jüngling, und eintziger Sohn, den seine Eltern auf eine hohe Schul geschickt, um allda dem Studiren obzuliegen; der sich aber mehr auf das Buhlen und liederliche Leben ergeben; und das mit solcher Aergernuß, daß jedermann mit Fingern auf ihne deutete, und genug von ihm zu reden hatte. Die Benachbarte murreten; die Lehrmeister mahneten; die Befreundte warneten; die Frau Mutter selbst bathe ihren Herrn, er wolte doch, Schand und Spott zu verhüten, dem Sohn ein Biß einlegen. Aber nichts. Letztlich, weil die Aergernuß von Tag zu Tag grösser wurde, kame auch der Prediger selbiges Orts, truge dem Herrn Vatter so glimpflich, als immer möglich, die Sach vor, und erzählte umständlich, was schon da und dort, der gemeinen Sag nach, fürbey gangen wäre; mit angehenckter Bitt, man wolte doch das Feur dämpfen, ehe es in völlige Flammen ausschlagen möchte. Bekame aber von dem Herrn Vatter keine andere Antwort, als diese: der Sohn seye noch jung, man müsse der Jugend etwas übersehen: wann mit der Zeit die Jahr sich vermehren, werde ihm alles für sich selbst vergehen; man solle unterdessen nur ohne Sorg seyn. Es versetzte aber der Prediger und sagte: ich bin zwar kein Prophet; aber ich sorge, GOtt werde mit nächstem den Vatter und den Sohn straffen. Und mit diesem nahme er von gedachtem Herrn Abschied. Es stunde nicht vier Wochen [59] an, da ward der liederliche Sohn von einem Zimmermann in dem Ehebruch erdappet, und samt der Ehebrecherin, des Zimmermanns Weib, jämmerlich erstochen, nach welcher That der Zimmermann sich aus dem Staub gemacht. Die Frau Mutter kame eben dazumahl aus der Kirchen daher. Als ihr nun unter Weegs die traurige Zeitung gebracht worden, fiele sie vor Schröcken in eine Ohnmacht, und mußte nach Haus getragen werden. Da sie aber wieder zu sich selbsten kommen, nahme sie diesen traurigen Fall dermassen zu Hertzen, daß sie nicht aufhörete zu weinen, bis sie ihr die Augen aus dem Kopf geweinet, und darüber blind worden. Was man ihr immer für ein Trost gabe, da halfe doch alles nichts. Sie wiederholete ohne Unterlaß diese Wort: ach! mein Sohn ist tod! Ach! mein Kind ist ewig verdammt. Der sträfliche Vatter aber, als die gröste Ursach des Verderbens seines Sohns, da ihm dieser traurige Fall zu Ohren kommen, wurde mit solchem Hertzenleid überfallen, daß er vor Schmertzen von Sinnen kommen, gantz verwirret hin und her geloffen, und mit Seufzen und Weinen so lang und viel sich selbsten angeklagt, bis er in dieser Unsinnigkeit gestorben, Alardus König S.I. libro, cui Titulus: Der Haus-Vatter c. 12.


O wie viel ist daran gelegen, daß man einem Ubel gleich im Anfang wehre, ehe es weiter einreisse! dieser unbesonnene Vatter hat dem Sohn zu lang zugesehen, und nicht zu Gemüth geführt jenes Sprichwort: gar zu gelind verderbt das Kind. Darum kan er jetzt mit einem seines gleichens klagen:


Hätt ichs zogen, hätt ichs bogen,

Weil das Bäumlein jung noch war!

Wär ohn Sorgen heut und morgen,

Hätt nicht so viel graue Haar.

Jetzt ists gschehen, übersehen,

Grob gefehlt, O treuer GOtt!

Hab zu gwarten aus meinem Garten

Nichts, als Unkraut, Schand und Spott.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 59-60.
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