Zweyte Begebenheit.

Ein liederliches versoffenes Weib überlistet ihren gleichfalls liederlichen versoffenen Mann.

[482] In Welschland, in dem Groß-Hertzogthum Hetrurien, in der Stadt Aretzo befande sich ein liederliches Paar Ehe-Volck. Der Mann ware schier alle Tag voll; und das Weib selten nüchter. Trancke er gern, so trancke sie nicht unlieber. Und neben dem Trunck über Tisch liessen sie ihnen unter Tags zum öfteren eines einschencken; und wollten doch nicht darfür angesehen seyn, als ob sie verschwenderisch hauseten. Pfui! du rußiger Kessel, wie siehest du aus? Helf dir GOTT: Ich meine, man wird mit dem Feg-Wüsch über dich kommen: Sprache einstens die Pfanne; und sahe doch eben so schwartz und schmutzig aus; also auch da. Der Mann wollte das stete Klepperen ausser dem Haus an seinem Weib nicht leiden, und überfuhre sie deswegen mit Worten und Streichen hart genug. Allein wann er einen Teufel heraus schlug, schlug er sieben andere dargegen hinein. Sie schwiege ihm kein Wort: Wehrte sich, so gut sie konte, und erhielte allezeit, wenigist mit dem Maul, die Oberhand. Sobald der Mann dem Haus den Rucken kehrte, liesse sie auch die Kunckel, und das Nehküsse stehen, und suchte ihre Nachbäurinnen, und gute Bekannte nach einander heim. Ob es allzeit bey einem Mäßlein blieben seye, kan man nicht sagen; doch zweiflet man starck daran. Das gabe dann nun eine feine Haushaltung ab. Bald kame er später nach Haus; [482] bald sie, aber beyde wohl bezecht. Solchen Unform nun gäntzlich aufzuheben, trohete ihr der Mann, sie nicht mehr in das Haus einzulassen, falls sie noch einmahl sich verspäten sollte. Allein sie lachte darzu, und hielte dieses Trohen nur für einen Blitz aus dem Hafen. Es war aber Ernst. Dann bald hernach, als es schon wohl finster gegen der Nacht war, und diese Stürtzerin weiß nicht wo noch herum fuhre, versperrte und verrigelte der Mann das Haus; trohete auch denen Ehehalten mit schwerer Straf, wofern sich jemand aus ihnen unterstehen wurde, aufzumachen; oder der Leyrerin einige Antwort zu geben. Also sasse man zum Nacht-Essen, und erwartete der Ausgeschlossenen Ankunft mit Verlangen; damit man etwas zu lachen hätte. Da es nun ziemlich dahin finster war, zottelte sie alsgemach daher; steckte den Schlüssel still an, und vermeinte also unvermerckter Sachen ins Haus hinein zu witschen. Allein der Schlüssel wollte nicht aufmachen, dann der Rigel war fürgestossen. So fienge sie derohalben an zu klopfen, an der Glocken zu reissen; allein umsonst und vergebens. Sie rufte dem Knecht, sie schrye der Magd; Andreas! Ursul! aber auch diese hatten die Sprach verlohren. Weil sie also mit guten Worten nichts ausrichtete, fienge sie an zu blitzen, und zu donnern, mit groben Schelt-Worten zuzuwerfen, dies und jenes zu trohen, wofern man nicht alsobald wurde aufmachen. Aber da ware es so viel, als sagte man: Helfe dir GOtt, es ist niemand daheim. Endlich eröfnete der Mann das Fenster, und hiesse sie ins Henckers Namen weiter gehen, heut Nacht seye kein Herberg für sie im Haus. Da stiege ihr erst die Hitz recht in Kopf: Wie (sagte sie) du mir den Spott anthun, und mich gar nicht in mein Haus lassen? Ey! so will ich mich an dir auf ein solche Weis rächen, daß die gantze Welt davon zu singen, und zu sagen haben solle. Das übrige Poldern und Lästern mag ihm ein jeder selbst einbilden. Wer einmahl gesehen hat, wie das wilde Feuer krache, praschle, und tobe, wann es ein altes Schindel-Tach ergriffen, der kan ihm leicht einbilden, wie dieses Weib vor der Haus-Thür werde gewüthet haben. Allein der Mann liesse sie bellen, und wüthen, und gabe nichts darum. Nicht weit von dem Haus stunde ein Schöpf-Bronn; zu diesem verfügte sich das vor Gift und Zorn brinnende Weib, und schrye zum Fenster hinauf: Nun wohlan, weil es je muß gestorben seyn, so ruffe ich Himmel und Erden als Zeugen wider nicht an, du Mörder! daß du ein Ursach meines Tods seyest. Wirst du mir nicht alsobald aufmachen, so will ich mich in diesen Bronnen hinab stürtzen. Der Mann glaubte nicht, daß es Ernst wäre, sondern lächlete darzu, und sagte: Das wäre recht, mein Brandenwein-Fäßlein! so köntest du dir einmahl genug löschen. Wie das Weib also sahe, daß sie nichts ausrichtete, erdachte sie folgenden List.[483] Neben dem Schöpf-Bronnen lage ein grosser schwerer Stein; diesen lupfte sie mit allen Kräften auf den Ranft des Bronnens hinauf, und rufte überlaut: Nun so will ich dann sterben, O GOtt! seye gnädig mir armen Sünderin: Und zugleich liesse sie den Stein in den Bronnen hinunter plumpen. Der Mann, so in der Finstere nicht sehen konte, was geschahe, meinte anderst nicht, weil er den Stein plumpen gehört, als sein Weib hätte sich wahrhaftiglich in den Bronnen gestürtzt: Wollte ihr demnach, wo möglich, zu Hilf kommen, vergasse aber im Schröcken die Haus-Thür nach sich zuzumachen. Unterdessen duckte sich der arge Balg; und indem der Mann auf einer Seiten zum Bronnen sich nahete, und gantz kläglich hinab schrye: Ach mein Weib! was fangst du an? hebe dich an den Wasser-Aimer, ich will dich wieder herauf ziehen; schliche sie auf der andern Seiten hinum, geschwind zum Haus hinein; die Thür zu, die Stiegen hinauf, und unter das Fenster: Fragte gleichfalls mit lachendem Mund, und grossen Gespött: Wie stets, mein Herr! möchte er gern herein? ja freylich, morgen fruhe, aber heut nicht mehr. Das ware dann ein rechtes Faßnacht- Spiel, worüber der Mann hätte mögen rasend werden; mußte doch wohl bekennen, daß ihm diesmahl sein Weib zu gescheid worden, und ihn mit baarer Müntz bezahlt hätte. Etliche Nachbaren, welche heimlich bey dem Fenster der Comödi zugesehen, und zugehört, nahmen sich endlich der Sachen an, gaben dem Weib gute Wort, bis sie auf gewisse Bedingnuß, und gegebene Versicherung, daß ihr dieses Possens halber kein Leid widerfahren sollte, das Haus eröfnet: Worauf sie dann miteinander in die Stuben hinauf getretten, und nach beyderseits angehörten Klagen die Sach zu einem gütlichen Vergleich vermittleten; Kraft dessen der Mann sollte gehalten seyn, den Trunck zu mäßigen, und dem Weib im Haus-Regiment einen grössern Gewalt zulassen, als bishero geschehen; Sie hingegen sollte das Haus fleißiger hüten, und ihrem Mann gute Wort geben, so wurde es forthin besser mit ihnen stehen. Welches beyde angelobt, und auch gehalten; haben auch von dieser Zeit an wohl und friedlich miteinander gehaußt. Masen. S.J. utilis curiositas de felicitate vitæ humanæ. cap. 3. pag. 66.


Närrische Eheleut! wie mögen sie sich doch selbst also plagen? ist ja genug, daß der Ehestand ohne das eine schwere Burde ist: Wollen sie ihnen selbige noch schwerer machen? wo ist die Vernunft? diesem nun könte leicht vorgebogen werden, wann der Mann eine gute Bescheidenheit zu brauchen wußte. Allein er muß zuerst sich selbst regieren können; welches ja nicht geschehen kan, wann er sich dem Trunck zu starck ergiebt, durch welchen ihm der Verstand entweders völlig benommen, oder doch wenig ist geschwächt wird. Andertens muß er das Weib [484] in der Haushaltung auch etwas gelten lassen. Dann wo dieses nicht geschiehet, hat sie zu denen Haus-Geschäften weder Lust, noch Lieb. Folgends laßt sie alles hangen, wird liederlich, und lebt halb verzweiflet: So viel liegt an des Manns Verstand und Bescheidenheit; welche ihm eingeben sollen des Weibs Schwachheit so viel nachzusehen, als sich thun laßt: Dann gemäß dem Sprich-Wort:


Wer nachgeben kan,

Der ist auch ein Mann.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 482-485.
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