Siebente Begebenheit.

Einige Kerls verkauffen die Haut eines Thiers, ehe sie solche vorher gefangen.

[495] In einer gewissen Landschaft des Teutschlands solle sich auf eine Zeit ein grosser und grimmiger Bär aufgehalten haben, welcher den Innwohneren grossen Schaden zufügte. Diesem Uebel nun abzuhelfen, erbotten sich drey junge Kerls, an dem Bären ihr Heil zu versuchen. Zuvor aber giengen sie in ein Wirths-Haus, und verlangten von dem Wirth, daß er ihnen brav zu essen und zu trincken aufstellen sollte; dann sie wären resolvirt, den Bären zu fangen, und ihm (dem Wirth) die Haut zu verkauffen. Nun der Wirth laßt an sich nichts ermanglen. Da nun die Kerls wacker darauf geessen, und getruncken hatten, giengen sie in den Wald, in welchem der Bär sich aufhielte. Allein, da er ihnen frühzeitiger, als sie verhoft, unter die Augen kommen, überfiele sie ein solche Angst und Forcht, daß keiner an den Bären sich wagen därfte; sondern alle drey bemüheten sich aus dem Staub zu machen. Und zwar hatte sich einer aus ihnen geschwind auf einen Baum hinauf gemacht: Der andere lieffe volles Laufs dem nächsten Dorf zu: der dritte aber, weil ihm die Zeit zu kurtz worden, legte sich ungesaumt auf die Erden, sich mit [495] Innhaltung des Athems an sich verstellend, als wann er tod wäre. Dann er vielmahl zuvor gehört hatte, daß die Bären diejenige Menschen nicht angreiffen, wo sie kein Zeichen des Lebens an ihm verspühren. Gleichwohl lauft der Bär auf ihn zu, wältzt ihn hin und her, um zu erkundigen, ob er noch lebe, oder nicht. Und als er keinen Athem an ihm verspühren könte, liesse er ihn gleichwohl, als wann es ein todtes Aaß wäre, liegen; er aber nahme den Weeg zuruck in den Wald hinein. Wie der Kerl vermerckt, daß er nunmehr aus aller Gefahr seye, richtete er sich wiederum auf, und hatte keinen Lust mehr, den Bären zu fangen. Der andere aber, der sich auf den Baum hinauf retirirt hatte, stiege auch wiederum herunter, und wünschte seinem Cameraden Glück, daß er noch mit dem Leben davon kommen; fragte ihn aber beynebens, wie es ihme auch vorkommen seye, da er also von dem Bären hin und her gewältzet worden? Da antwortete dieser: Es ist mir halt vorkommen, als wann mir der Bär in das Ohr hinein sagte, und mich warnete, ich sollte hinführan keine Bären-Haut verkauffen, ich hätte dann zuvor den Bären gefangen. Ex relatu Frid. IV. Imperat. ad quendam Legatum Gallicum.


Eine gute Lehr für diejenige, welche etwas versprechen därfen, ehe sie es haben. Man kan ja keinem geben, was man nicht hat? Also soll mans auch nicht versprechen. Ein Pralerey, ja ein Narrheit ist es, wordurch solche Leut sich anderen zum Gelächter und Gespött ausstellen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 495-496.
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