Fünf und dreyßigste Begebenheit.

Ein Engel bringt einem Bischof in einem Christallenen Schälelein das noch nicht frische und wohl-gefärbte Hertz des Heil. Augustini.

[582] Tigisbertus Bischof zu Lyon in Franckreich ein sonderbarer Liebhaber des Heil. Augustini hielte oft bey GOtt mit eyfrigem Gebett an, er wolte ihm doch einen Particul von dem Heil. Leib dieses um die Christliche Kirchen so hoch verdienten Heil. Vatters zuschicken. Eines Tags, als er in seinem Bett-Kämmerlein abermahls inständig um die längst begehrte Gnad an der Himmels-Thür klopfte, überfiele ihn ein Schlaf; und er wurde gewahr, daß ein Engel in das Zimmer tratte, und in einem Crystallenen Geschirr, dessen Füß von purem Gold, das Gefäß aber selbst hin und wider von Edelgesteinen schimmerte, etwas truge; und als er selbiges auf den Altar, so in dem Zimmer ware, gesetzt hatte, rufte er dem Bischof bey dem Nahmen, und sprache: Sigisbert! schlaffest du? alsobald giengen dem Schlaffenden die Augen auf, und er fragte den Engel: wer bist du? und was tragest du? der Engel antwortete: ich bin der Schutz-Engel Augustini, und gleichwie ich dessen bey Leb-Zeiten Sorg getragen, also hab ich auch nach dem Tod sein Hertz vor der Verweesung bewahret; dann GOtt wolte nicht, daß das jenige Hertz faulen solte, welches von der Liebe GOttes so starck gebrunnen, und ein Werckstatt gewesen der höchsten Gedancken und Anmuthungen von der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit. Darum stehe auf, und empfange die Schanckung, so dir GOtt zuschickt: und mit diesen Worten ist er verschwunden. Der Bischof richtete sich auf, tratte zu dem Altar hin, und fande in einem Crystallenen Schälelein das Hertz des Heil. Augustini noch so frisch, und wohl-gefärbt, als wann man es allererst aus dem Leib genommen hätte. Er wolte aber dieses Wunder und himmlischen Schatz nicht verborgen halten, sondern berufte die Geistlichkeit und das Volck zusammen, und liesse zur Dancksagung das GOtt! wir loben dich, absingen: worbey sich dann ein neues Wunder zugetragen. Dann, als man unter dem singen zu jenen Worten kommen: Heilig, Heilig, Heilig ist der HErr [582] Sabaoth, da bewegte sich das Hertz, fienge an zu zittern, sich aufzublähen, und gleichsam aufzuhupfen, als wolte es auch mit diesem Lob-Gesang einstimmen. Wie dieses der Bischof, die gantze Geistlichkeit, und das Volck gesehen, ruften sie überlaut: O Heil. Augustine! du Liecht der Kirchen GOttes, bitt für uns. Ist noch nicht genug, sondern es wird dieses Wunder jährlich erneuert an dem Fest der Heiligsten Dreyfaltigkeit. Dann wann man das H. Hertz auf den Altar setzt, so oft man nur das Wort Heil. Dreyfaltigkeit ausspricht (welches dann öfters geschiehet) so bewegt es sich, daß es männiglich sehen kan, wie ein Fisch in dem Wasser, als wann es einen Verstand hätte, und bey Anruffung der Heiligsten Dreyfaltigkeit auch Theil haben wolte: dergleichen Wunder man von keinem anderen Heiligen wird gehört haben. Lancellotus lib. 3. cap. 43. in vita S. Augustini.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 582-583.
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