Drey und zwantzigste Begebenheit.

Höchst auferbäuliche Lebens-Art eines berühmten Feld-Obersten.

[665] Dieser dapfere Held (mit Namen Bucicoti, so unter der Regierung Caroli des 4ten Königs in Franckreich gelebt hat) machte bey Zeiten sein Testament, und ordnete darinn alle seine Andachten, Geschäft und Güter. Alle Tag vollzoge er daran einen Theil, indem er alles dasjenige [665] verrichtet, so viel ihm möglich ware: dann er hierinn nicht auf ungewisse Zufäll anderer Leut Andachten warten wollte, gleichwie diejenige thun, die ihren Verstand verlohren, und niemahls was Gutes thun wollen, als allein: wann sie sich in solchem Stand befinden, in welchem sie gar nichts mehr thun können. Dieser barmhertzige Herr fragte mit sonderbahrem Fleiß nach den Haus-Armen, die sich zu bettlen schamten. Ihre Namen hatte er auf einem Zettul seines Zimmers verzeichnet. Seine Allmosen theilte er da und dort aus, denen armen Ordens-Leuten, denen Wittwen und Waisen, denen dürftigen Soldaten, und sonderlich denenjenigen, so Alters und Kranckheit halber der Arbeit nicht mehr konnten obliegen.


Er suchte die Spitäler heim, und gabe reichlich, und so viel in seinem Vermögen. Er versahe sie in dem Hausrath, Kleyderen, und anderen nothwendigen Sachen. Wann er über die Gassen gienge, hatte er die Hand im Seckel; theilte den Armen dasjenige selbsten mit, was ihm möglich war; dann er daran einen sonderbahren Lust hatte. Niemahl sahe man ihn frölicher, als wann er viel hatte ausgegeben. Dieses ware seine Kurtzweil, und sein gröste Ergötzlichkeit. Er truge ein sonderbahre Andacht zur Gedächtnus des bitteren Leydens und Sterbens unsers HErrn JEsu Christi; und so viel es seyn konnte, asse er an dem Freytag nichts, als Obs und Gemüß. Ja er legte so gar ein schlechteres Kleyd an, indeme er auch aüsserlich diejenige Ehrerbietungen wollen zu erkennen geben, die wir dem rosenfarben Blut JEsu Christi zu erzeigen schuldig seynd.


Uber die gebottene Fast-Täg fastete er auch noch gemeiniglich am Samstag, an welchem die Gedächtnus der allerseeligsten Jungfrauen Mariä begangen wird. Bey seiner Tafel asse er mehr nicht, als von einer einigen Speiß. Und, wiewohl er viel Silber-Geschirr hatte, liesse er doch ihme nur in Zinn und irdenen Geschirren auftragen; indem er offentlich scheinbar und köstlich, innerlich aber ein Feind alles weltlichen Prachts ware. Weilen in dem Hof dieses frommen Feld-Obersten der Ueberfluß in Essen und Trincken also wohl in Schrancken gehalten wurde, war alles in guter Ordnung. Er hatte einen sehr löblichen Brauch, seine Schulden auf das bäldeste zu bezahlen; und so viel ihm möglich, ware er niemahls was schuldig.


Indeme dieser Herr seine Schulden ordentlich bezahlte, erzeigten ihm seine Bediente alle Ehr. Man hätte nicht dörffen einen einigen Fehltritt begehen in seinem Hof. Niemahls hätte er das mindeste Laster, oder einen lasterhaften Diener gelitten, wann er gleich durch ihn ein gantzes Königreich zu gewinnen gehabt. Die Gottslästerung, das Schwören, die Unwarheiten, das Spielen, die [666] Zänck und Hader, und alle Unzuchten waren von seinem Pallast, als wahre Abentheur ausgeschlossen. Wann er an einem seiner Haus-Genossenen einen groben Fehler vermerckte, beurlaubte er ihn alsobald; damit die andere das Ubel von ihme nicht ererben möchten. Doch verschonte er seinem Namen, so viel es möglich war, und breitete dessen Sünden und Fehler nicht aus. Bey der Tafel redete er wenig, sondern liesse ihm gewöhnlich schöne Exempel derjenigen Tugenden, die sich in dem Leben deren von Adel befanden, erzählen, ohne daß er von seinen eigenen Thaten (ausser selten, und das bescheidentlich) Meldung thate. In dem heiligen Ehestand lebte er in höchster Keuschheit, und hatte ein solches Abscheuen ab allerhand Unlauterkeiten, daß er auch nicht einen Diener in seinem Hof gedulden wollte, der ein unreines Aug hatte. Dann, als er auf eine Zeit durch eine Gassen der Stadt Genua ritte, und eine edle Frau bey einem Fenster sich zeigte, die Ihro die Zöpf flechtete; ein Edelmann aber, der ihme aufwartete, solche ersehen, darüber still stunde und aufschreye: Was für ein schöne Person ist diese! sahe ihn sein Herr mit einem ernsthaften Angesicht an, und sprache: es ist nunmehr genug, dann in meinem Hof sollte sich auch nur ein unkeusches Aug nicht blicken lassen.

Er stunde gewöhnlich am Morgen frühe auf, und brachte ohngefehr 3. Stund in dem Gebett und Gottesdienst zu. Nach dessen End gienge er in den Rath, welcher sich bis zu dem Mittag-Essen verzoge. Nach der Tafel gabe er allen denjenigen, die ihrer Geschäften halber mit ihm reden wollten, Gehör, allwo man seinen Saal voll der Leuten sahe, welche er bald abfertige; indem er einem jeden mit sanftmüthiger und vernünftiger Antwort zu seiner Willfahrung begegnete. Von dannen verfügte er sich zum Brief-Schreiben, und Ordnung der Geschäften; und wann er anders nichts zu verrichten hatte, gienge er in die Kirchen zur Vesper, nach der Heimkunft thate er wiederum was Gutes, und darauf in Vollziehung des übrigens, was sein Amt betraffe, endigte er den Tag.

An Sonn- und Feyr-Tägen gienge er entweders zu Fuß etwan an ein heiliges Orth wallfahrten, oder liesse ihm das Leben der Heiligen GOttes, oder andere geistliche Historien vorlesen, um seine Sitten besser nach der Tugend zu richten. Wann er über Land reisete, hatte er eine trefliche gute Ordnung; damit er mit seinem Gesind niemand überlästig wäre. Und so gar in des Feindes Land gestattete er nicht, daß man den Priesteren, und andern Geistlichen Ungelegenheit zusügte. Caussinus S.J. in seiner Heil. Hofhaltung, 2ten Buch. 4. Capitel.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 665-667.
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