Vierte Fabel.

Eine glückliche Haushaltung wird durch Uneinigkeit zerstöhrt.

[715] Es war ein Specht, ein Maus, und eine Bratwurst; diese geriethen einstens in eine Gesellschaft zusammen, mietheten auch nach gemachter guter Bekanntschaft ein Haus, in welchem sie beysammen wohneten, und lange Zeit nicht allein friedsam mit einander lebten, sondern auch an Güteren zunahmen. Des Spechts Arbeit ware, daß er täglich mußte in den Wald fliegen, und Holtz herzu tragen. Die Maus mußte Wasser holen, das Feuer auf den Herd anmachen, und den Tisch decken. Die Bratwurst mußte kochen: In solcher Ordnung nun, und Austheilung der Geschäften führten sie eine solche Haushaltung, daß ihnen recht wohl, ja nur gar zu wohl beysammen ware. Dann, wem zu wohl ist, der trachtet immerzu nach etwas neues. Diesem zufolg, als eines Tags dem Vogel [715] unter Weegs, da er eben mit Holtz beladen aus dem Wald zuruck floge, ein gewisser Kerl begegnet, deme er seinen Wohlstand erzählet, sagte jener: Du hast wahrhaftig keine Ursach, dich deines Wohlstands zu rühmen; vielmehr bist du ein armer Tropf, indem du dich täglich mit Holtztragen mußt abmatten, da unterdessen die andere zween zu Haus die beste Täg haben. Du bist wohl ein Narr, wann du es länger also leidest. Dann, wann die Maus ihr Feuer angemacht, und Wasser getragen, begiebt sie sich in ihr Kämmerlein zur Ruhe, bis man sie heißt den Tisch decken. Die Bratwurst aber bleibt bey dem Hafen, siehet zu, daß die Speis recht koche; und wann es bald Essens-Zeit ist, schwingt sie sich ein und andermahl durch den Brey, oder Gemüß, so ist es schon geschmaltzen, und zugerichtet, wie es seyn soll. Kommst du nach Haus, und legst dein Burde ab, so sitzen sie zu Tisch, und nach eingenommener Mahlzeit legen sie sich auf ihr faule Haut, und schlaffen bis den anderen Morgen: Du aber mußt wiederum in den Wald hinaus fliegen, und Holtz zusammen tragen. Wie der Vogel auf solche Weis verhetzt, und angestiftet worden, wollte er nicht mehr ins Holtz hinaus; sondern sagte zu denen anderen: Hört ihrs, ich bin schon lang euer Knecht gewesen, und hab so zu reden nur euer Narr müssen seyn; aber es ist Zeit, daß wir ein andere Ordnung machen, und die Aemter verwechslen, so wirds alsdann recht seyn. Die Maus und die Bratwurst batten zwar darfür, sagende: Wann die Ordnung sollte geändert werden, seye billich zu besorgen, ihr Wohlstand werde bald ein End haben. Allein weil der Vogel den Kopf einmahl gesetzt, mußte es gewagt seyn, es möchte hernach gehen, wie es wollte. Sie werfen also das Loos unter einander, welches folgender Weis ausgefallen: Die Bratwurst mußte das Holtz tragen, die Maus wurde Koch, und der Vogel mußte Wasser holen. Was geschiehet? Die Bratwurst gieng ins Holtz, der Vogel machte unterdessen das Feuer auf dem Herd an, und wartete, bis gleichwohl die Bratwurst wurde heim kommen, und für den anderen Tag Holtz bringen. Allein die Bratwurst bliebe so lang aus, daß dem Vogel und der Maus nichts Gutes vorkame. Also dann, aus dem Wunder zu kommen, floge ihr der Vogel ein gutes Stuck Weegs entgegen. Aber siehe! unter Weegs trift er einen Hund an, welcher die Bratwurst angepackt, und aufgefressen hatte: Der Vogel beschwerte sich zwar über dieses Verfahren, als über einen offentlichen Raub. Allein der Hund verantwortete sich mit dem, wie daß er bey der Bratwurst falsche Brief gefunden; deswegen sie das Leben verfallen hätte. Der Vogel, welcher mit dieser Antwort verlieb nehmen mußte, nahme das Holtz, so die Bratwurst nacher Haus hat tragen wollen, auf sich, kehrete darmit traurig zuruck, und erzählte der Maus, was er gesehen, und gehört [716] hatte. Das machte nun beyde sehr bestürtzt; doch damit die Haushaltung nicht gar aufgehebt wurde, vergliechen sie sich mit einander, mit dem Versprechen, ihr bestes zu thun, und bey einander zu bleiben. Allein als die Maus nach Art der Bratwurst sich in den Hafen, und durch das Gemüß schwunge, bliebe sie darinnen stecken, und mußte darüber das Leben lassen. Wie der Vogel daher kam, und das Essen auftragen wollte, da war kein Koch vorhanden: Hierüber gantz bestürtzt, warfe er das Holtz von sich, rufte und suchte seinen Koch (die Maus) konte ihn aber nicht finden. Unterdessen kame in der Kuchel aus Unachtsamkeit Feuer ins Holtz; also daß eine Brunst entstunde. Der Vogel, so zu löschen besorgt war, eilte Wasser zu holen: Indem er aber aus einem tieffen Schöpf-Bronnen mit einem Eymer Wasser schöpfte, entfiele ihm der Eymer, und zoge ihn mit sich in den Bronnen hinunter; in welchem er auch ersauffen mußte. Und auf solche Weis nahme die Anfangs glückliche Haushaltung ein trauriges End; und das allein aus Uneinigkeit, so aus dem Neid entstanden; indem eines dem anderen seine Kommlichkeit mißgönnte. Philander von Sittenwald im 2. Theil seiner Straf-Schriften.


O wie wahr ist das Sprüchwort, welches sagt: Fried nährt; Unfried verzehrt! dann wo Fried ist, da ist auch Glück und Seegen. Wo aber Unfried ist, da nimmt alles den Krebsgang. O daß alle, so eine Haushaltung führen, ihnen solches liessen gesagt seyn!

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 715-717.
Lizenz:
Kategorien: