Zwantzigste Fabel.

Eine arme Mauß wird von dem Frosch betrogen.

[764] Dieser machte der Mauß, da sie sich am Gestatt eines Flusses befande, und gern gesehen hätte, wann sie hinüber gesetzt wäre, ein langes Geschwätz von dem Pracht, Reichthumen und herrlichen Pallast, den sein König unter dem Wasser hätte; ladete sie zugleich ein den Augenschein davon einzunehmen, mit Versprechen, er wolle ihr einen sicheren Schifmann an das andere Gestatt abgeben; solle sich nur unerschrocken auf seinen Rucken setzen, und keiner Gefahr besorgen. Aber, O des Betrugs! so bald die Mauß aufgesessen, und der Frosch ein wenig von dem Gestatt abgefahren, senckte er sich in die Tieffe, und liesse die arme Mauß elendiglich ertrincken.


Also verfahret die Welt mit uns Menschen. Sie macht ein langes Geschwätz daher von ihrem Pracht und Ehren, von ihren Freuden und [764] Lustbarkeiten, von ihren Güteren und Reichthumen. Sie ladet uns in ihre Schooß ein mit denen freundlichsten Worten: Kommet her, und geniesset meiner Güter, die ich euch anerbiete: ich will euch dahin zu einem sichern Führer dienen. Aber traue man ihr nur nicht, wann man von ihr nicht, wie die Mauß will betrogen werden. Die Erfahrnus zeigt es täglich.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 764-765.
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