Das dritte Capitel.

Vollkommene Reu mit Verlangen zu beichten.

[827] Francisca ein Spanische Ehe-Frau.


In Hispanien war Francisca mit einem hochedlen Ritter vereheliget: diese Frau wird einsmahls in Abwesenheit ihres Herrn Gemahl, von einem leibeigenen Mohren überfallen, und gewaltthätig die Zarte von Groben geschwächet. Diese Schandthat zu versieglen, ziehet er nach verübter Boßheit einen Dolchen aus, drohend, wofern sie von dem, was geschehen ist, nicht schweigen solte, wird dieser Dolch mit ihrem Blut gefärbt, sie ein, für allemahl schweigen machen. Nach Abtrettung des Bößwichts verschliesset sich Francisca, beweinet gleichwie Lucretia ihr Unglück: drey Täg asse sie [827] nichts, ihr Speis, und Tranck war Weinen, und Trauren. Entschliesset in Zusammenstimmung ihrer grimmigen Gedancken dem gedroheten Dolch mit Gift vorzukommen, nicht sich, sondern den Ehebrecher umzubringen; im süssen Tranck trincket der Mohr den Tod. Folgends nahm die betrübte Bitterkeit eine kurtze Abkühlung ihres grimmigen Zorns; aber kein End. Der Mohr war schon todt, aber vom Mohren fühlete sie ein Kind im mütterlichen Leib, als ob der Tode in ihr mit schwartzer Mohren-Farb lebendig wurde. Ein grimmige Kühnheit erwecket die andere: auch das ungebohrne unschuldige Kind soll die Sünd des Vatters mit unzeitigem Tod bezahlen. Mit eingenommener Artzney wird das Kind vertrieben: so weit hat diese Frau der Grimm, und die Schamhaftigkeit angetrieben, ja noch weiter; wann einer Sünd die Porten geöfnet wird, quâ data porta ruunt, alsobald dringen sich viel andere hinein. Beyde Mordthaten verschwige sie in ihren Beichten, willens mit Gelegenheit einem Unbekannten solche einsmahls zu beichten. Aber, ach wie ungewiß seynd der Menschen Vornehmen! dieser hat es zwar, doch nicht allerding nach Begehren gelungen. Auf dem Land wohnhaft, wird Francisca tödtlich kranck, schickt um einen Unbekannten; findt aber keinen Beicht-Vatter: endlich wird ein Einsidler Waldbruder zur Krancken gebracht, dem bekennet sie die zwey Mordthaten, und den Mißbrauch der Sacramenten, weilen sie mehrmahlen gebeicht, und ihre tödtliche Missethaten aus Schamhaftigkeit verschwiegen: Sie bereuet ihre Sünd aus inniglicher Lieb GOttes des höchsten Guts: der verlohrne Himmel, und die verdiente Höll waren nicht ihres Reumuths Bewendung, sondern allein, daß sie den liebwerthesten HErrn, den alle Geschöpf lieben sollen, beleidiget hat. Der Waldbruder hatte weder priesterlichen, weder beichtvätterlichen Gewalt: dannenhero war ihr Beicht kein sacramentalische Beicht; aber ihre Bereuung, ein vollkommene Bereuung die göttliche Gnad zu erwerben. Also in Anruffung der grundlosen Barmhertzigkeit, und in Vertrauen auf die überflüssige Erlösung Christi gab sie auf ihren Geist.


Kurtz hernach kommet aus Welschland in Hispanien Vincentius Ferrerius, ihr leiblicher Bruder, Prediger-Ordens, ein sehr heilig- und eifriger Mann: welcher seine drey Frauen Schwestern, nicht also nach dem Geblüt, als nach dem Geist, vorderist diese Franciscam geliebt hat, indem er vielmehr dero Christliche Tugend, als weltliche Herrlichkeit angesehen. Dieser vernimmt den Tod seiner Frauen Schwester Franciscä: wünschet derowegen ihrer Seelen das ewige Liecht, und Leben, höret auch nicht auf GOtt für sie zu bitten. Einsmahls da er Meß gelesen, unter währendem Amt der heiligen Meß, siehet er in einer Verzuckung sein verstorbene Frau Schwester in brenn- und braßlendem Feuer mit einem schwartzen Mohren- [828] Kind, welches sie Stuckweiß frasse, welches doch wiederum alsobald heraus wuchse, damit sie dieses fressen, doch nicht gantz auffressen konnte. Was ist dieses für ein erschröckliches Spectacul, gütigster Heyland? Aber Francisca gab sich ihrem also seufzenden Brudern gar bald zu erkennen. Ich bin Francisca deine Schwester, bey meinen Leb-Zeiten hab ich solche, und solche Todsünden begangen, (erzählet ihm beynebens den gantzen Verlauf) welche ich einem, den ich für einen Priester und Ordens-Mann gehalten, mit wahrer Reu gebeichtet habe. So bald aber ich gestorben, bin ich für den Richterstuhl GOttes kommen, da wollte mich der Teufel durchaus haben, dieweilen ich von meinen Sünden nicht bin absolviert worden, entgegen mein H. Schutz-Engel nahm sich meiner an, sprechend: HErr diese Seel hat ihre Sünden mit vollkommener Reu und Leyd bereuet. Wiewohlen sie in Erwählung des Beichtvatters geirret, so hat sie doch ihres Theils alles dasjenige gethan, was zu Erlangung deiner Barmhertzigkeit nöthig. Der Teufel mußte also entfliehen, und ein gnädiges Urtheil fiel auf mich, daß ich bis am jüngsten Tag im Fegfeur solte gereiniget werden, doch kan mir geholffen werden durch das Meß-Opfer, und dein Gebett; wann du nun lieber Bruder, GOtt für mich bitten wirst, und das Versöhn-Opfer durch gewisse H. Messen opfern, werde ich geschwind dem Fegfeuer entzuckt, mein Ziel die Seeligkeit erreichen.

Als sie dieses geredet, verschwande sie, Vincentius aber fieng an auf ein neues inständig mit Gebett, Bußwerck und gewissen Heil. Meß-Opfer GOtt zu versöhnen. Wie sehr er nun seiner Schwester hiemit genutzet, hat sie ihme zu verstehen geben, indem sie ihm mit grosser Glory unter vielen Englischen Chören erschienen; für sein Vorbitt und Versöhn-Opfer gedancket. Ex vita S. Vincentii Ferrerii, alphabetum animarum purgatorii littera B.


Pœnitentia sera rarò vera, ist der Ausspruch S. Augustini. Diese Frau hat gleichwohl noch Zeit gewunnen den Himmel zu gewinnen, du aber geliebter Leser beichte allezeit aufrichtig, verschiebe nicht deine Buß, gewohne aus lauter Liebe GOttes zum öftern reumüthig deinen Sünden abzusagen. Ach! was fröliches wirst im Busen tragen? testimonium bonæ conscientiæ, Zeugnus genug, ein unverhinderlichen Paß-Brief, die grüne Hofnung seelig zu werden.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 827-829.
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