Das achte Capitel.

In Zweiflen, ob es ein oder kein Sünd seye, soll der Beicht-Vatter gefraget werden.

[868] Ein Hoch-Edle Römische Frau.


Unweit Rom befand sich ein Hoch- und Wohlgebohrne Wittfrau, in ihrem herrlichen Eigenthum wohllebend prächtig: ihr Herr Bruder Latinus benamset, vermahnet diese, den gar zu eytlen Pracht fallen zu lassen, in wittiblicher Ehrbarkeit zu prangen, sie solle doch mehr der Tugend als der Hoffart nachstreben. Aber die vielfärbige, gestickt und gebrämte Kleyder, die Spiel-Gesellschaften und Freyheit gefallen ihr besser, als solcher gar zu geistlicher Closter-Rath. Sie pranget nur mehr, je mehr sie ermahnet wurde: sie vermeinte, daß sie ihren Adel nicht übersteige mit ihrem Kleyder-Pracht, weder mit ihrer Freyheit ihrer Ehr einiges Unrecht thue. Auf dem Land und in der Stadt Rom, war diese Frau gleichgiltig, nach wollüstlichen Belieben herum schweiffen; bis sie einsmahls zu Rom, im Haus ihres Herrn Bruders erkrancket, so weit gekommen, daß von ihrem Aufkommen gezweiflet worden. Ihres Herrn Brudern Sorg gieng vielmehr auf das ewige als zeitliche Heyl: mit vielfältigen Zu sprechen bittet er, sie wolle von Grund ihr Hertz reinigen und aufrichtig beichten. Ihr Antwort war: mein Herr Bruder, ich hab unlängst gebeichtet, was will oder kan ich so oft beichten? demnach er dannoch nicht nachgelassen sie weiter zu vermahnen und gleichwohl nichts gerichtet, ersucht er die schwedische Catharina der H. Birgitten Tochter (welche eben auch zu Rom wohnhaft ware,) weilen sie mit der Krancken etwas bekannt, ein grossen Eyfer hätte dero Seelen Seeligkeit zu beförderen, so wolle sie mit nachdrucklichen Worten ihr zusprechen, dann der Tod klopfet an, das göttliche strenge Gericht ist vor der Thür, und in einem Augenblick kan sie in Abgrund, daraus kein Errettung, fallen, sie soll, da es noch annehmliche Zeit ist, beichten, dem ewigen Unglück entgehen, um Gnad zu GOtt flehen. Ach wie eyferig thut solches die tugendliche Catharina, gewinnet aber nichts, als jene Antwort: ich hab unlängst gebeichtet, was will oder kan ich so oft beichten? ein Stahl-hartes Hertz, wie diese krancke Frau hat, kan kein Mensch sondern GOtt allein erweichen, dannenhero beredet den Herrn Latinum Catharina [868] lasset uns für sie GOtt bitten; Catharina knyet nieder wie dann auch Latinus, ruffet gegen Himmel, und erinneret GOtt seiner unermessenen Gütigkeit, mit innbrünstigen Betten: unter dem Gebett erhebet sich aus dem Wasser-Strohm Tybur ein Kugel-runde schwartze Wolcken, die schwinget sich über das Haus, allwo die Krancke sich befande; verneblet mit solcher Finsternuß alle Wohnung, daß keines das andere sehen konte: die äusserliche bedeutet die innerliche der Krancken, ja auch äusserliche Finsternuß, welche sie, wann sie nicht beichtet, zu erwarten hat. Aus der Donner- und Hagel-trohenden Wolcken sauset und prauset ein erschröcklicher Sturm-Wind, daß das Haus erzitteret, das anligende aber zu Boden gefallen: dieses Ungewitter war ein Vorbott des entzündeten Zorn GOttes, deme vorzubiegen, ruffte die Krancke: liebe Catharina sie stehe mir bey, und verlasse mich nicht: die berufte verweilet gar nicht, höret die Krancke welche voller Schröcken gewesen ihr Klagen, beredet sie nun zu einer solchen Beicht, dergleichen sie nicht gethan: vielgeliebte Frau sie traue nicht ihrer eignen Lieb, welche entweder mit Entschuldigung schmeichlet, oder aber mit Schmeichlen entschuldiget: in Zweiflen muß der Beicht-Vatter gefragt werden. Ach ja! verwilliget die Krancke, das will ich thun. Als der Beicht-Vatter zugelassen worden, gehen ihr Hertz und Augen über, und ein innerliches Liecht auf viel zu fragen, und zu erkennen, was sie zuvor nie für ein Sünd erkennen, weder fragen wollen: sie bekennet und beweinet ihr Thorheit und strafmäßige Unwissenheit, in gar vielen Sünden, welche sie für eytle Schertz, und Kurtzweil für den gemeinen Brauch, da sie doch Mißbräuch waren, gehalten. Vollkommentlich verrichtet sie ihr Beicht, nicht mit einer zu frieden, sondern läuteret und reiniget mit mehrern ihr Gewissen. Lebet folgends nicht mehr lang, doch mit gantz und gar veränderten Meynungen: wird mit der allerheiligsten Weeg-Zehrung des zarten Fronleichnams, und mit der letzten Oelung begnadet, wanderet also mit frölicher Hoffnung in das ewige Leben. Ex vita S. Cath. Sueciæ 24. Martii c. 6.

Die Red GOtt des erzörneten HErrns ist erschröcklich, seine Wort seynd Sturm und Donner-Feur: es rede mit uns Moyses der sanftmüthige, auf daß wir nicht sterben. Niemand erwarte und erharte in seinen Sünden so weit, bis der Zorn des HErrn ergrimme: die sanfte Red und Einsprechung des H. Geistes (welche durch eyfrige Seelsorger geschiehet) bewege, der Seelen Seeligkeit bester massen zu versorgen.

Zu Tolet in Spanien befande sich einer, welcher viele Zeit mit Bemäntlung etlich seiner Sünden mehrmahlen gebeichtet; dieser wird bey der Nacht mit einem flammenden Schwerd, das er über sich ausgezogen, ihme trohend gesehen, erschröckt, [869] fand also erschrocken keinen bessern Rath, als die Beicht, welche er gleich versprochen, anderst als zuvor bestermassen zu verrichten, und alsobald nach geschehenem Versprechen kehret das flammende Schwerd in die Scheiden, und der Sünder wendet sich zur Buß und Besserung seines Lebens. Annuæ Tolet. 1584. Soc. JEsu.

Es geschehen immerzu Beichten nur obenhin, oder von geringen, nicht aber von hochwichtigen Sachen, welche man zu Zeiten bemäntlet, zu Zeiten übersiht, auch gar zu oft ohne einiges Fragen für kein Sünd halt, oder entschuldiget. Der in vorfallenden Gewissens-Zweiflen gute Nachfrag halt, der ergreift ein sicheres Schnürlein, aus dem Labyrinth, oder verführenden Irrgarten dieser Welt glücklich zu kommen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 868-870.
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