Das Zehende Capitel.

Ein seltsame Geschicht von einer verehelichten Frauen, welche verdammet ist worden, weilen sie etliche Sünd verschwiegen, welche sie mit ihrem Ehe-Mann begangen.

[922] Seraphinus Ranni beschreibet folgende Histori. In einer gewissen welschen Stadt befand sich ein verheyrathete edle Frau, ihr Ruf war nach äusserlichen Schein, löblich und heilig: dann sie eröfnet die Hand zu reichen Allmosen, beywohnet fleißig dem GOttes-Dienst, hatte ein ordentliche Haushaltung, massen es einer Christlichen Frauen gebühret, alle ihre Haus-Genossen erhielt sie in der Forcht GOttes. Die Täg ihres Lebens-fliegeten nun darvon, und der Tod nahete herzu: sie beicht, und empfienge alle hierzu gehörige Sacrament, bald darnach vollendet sie den Lauf ihres Lebens, und verlasset der Stadt ein rühmlichen Nahmen. Neben anderen ihren Kindern hinterliesse sie ein fromm eingezogene Tochter, welche GOtt, und ihrer Seel gnädig zu seyn, gebetten. Nach verwichenen etlich wenig Tagen, allein in der Cammer verrichtet diese ihr [922] Gebett, und höret gähling an der Thür ein grosses Getümmel, welches ihr Forcht, und verzagte Gedancken eingejaget. Sie wendet ihre Augen dahin, und ersiehet in abscheulicher Gestalt ein gantz feuriges Schwein, welches ein unleydentlichen Gestanck von sich gabe: dermassen erschröcklich war dieses Gespenst, daß sie vor Schröcken dem Fenster zugeeylet, sich hinunter zustürtzen in Meynung der vor Augen schwebenden Gefahr zu entgehen. Doch wurde sie darvon abgehalten, durch eine also ruffende Stimm: stehe still Tochter, stehe still, und sie von GOtt gestärcket, fasset ein Hertz, stehet still, und höret alles an, was das Gespenst zu ihr redet. Ich bin, sprach sie, dein unglückseelige Mutter, welche zwar nach dem Urtheil und Ansehen der Welt ein unsträfliches Leben, in grosser Auferbäulichkeit geführt, nichts destoweniger wegen greulich unzüchtigen Sünden, die ich mit deinem Vatter begangen, und schamhaftiger Weiß nie gebeicht, bin ich vom gerechten GOtt zum ewigen Feur verdammet worden. Laß ab von deinem Gebett, mir ist kein Hülf mehr übrig, alles ist vergebens. Die Tochter fasset ein Hertz, fraget sie, was der Verdammten gröste Peyn seye? das beantwortet sie, sprechend: 1. Forderist beraubet seyn des Angesicht GOttes. 2. Die lebhafte Einbildung der Ewigkeit, in welcher wir unvermeydlich in schwären Peynen gepeyniget werden. 3. Unser stätes Thun ist nichts, als GOtt und sein Urtheil fluchen und vermaledeyen, ohne alle Hoffnung in Tod, ohne Tod leben und leyden. Weiter sprach sie, so bald als ich bin verschieden, ist meine Seel von bösen Geistern geführet worden vor den Richter-Stuhl GOttes, der strenge Richter sahe mich an mit erzörntem Angesicht, er verurtheilet, und verdammet mich mit dem Ausspruch der Vermaledeyung, und plötzlich stürtzten mich in Abgrund die versammlete Teufel, da werde ich unendlich gepeyniget. Als sie diese ihre Red geendet, sprang sie auf die Bänck und Stühl, verlasset zum Denck-Zeichen die eingebrennte Fuß-Stapfen, und verschwand aus den Augen ihrer Tochter. Dieses alles betrübet höchst die Tochter, welche die eingebrennte Fuß-Stapfen verdecket, füget sich in die Kirchen, ruffet dein Prediger, der die Fasten hindurch in jener Stadt geprediget, erzählet ihm alles, was sich zugetragen. Der Prediger verfüget sich in das Haus den Augenschein einzunehmen, und alles dessen Wahrheit zu erfahren: er besiehet die von dem unreinen Gespenst eingebrannte Fußstapfen, er vermercket den üblen Gestanck, welcher in der Cammer verblieben: diese reiniget er mit Besprengung des Weyh-Wassers und mit dem Priesterlichen Seegen, die Tochter dieser unglückseeligen verdammten Frauen tröstet er, und munteret sie auf zu der wahrhaften Tugend, damit sie sicher wandle, und entgehe den greulichen Peynen der ewigen Verdammnuß.

[923] Allhier ist denen Verehlichten wohl zu mercken, daß auch die Ehe-Leut schwärlich sündigen können in ihrem Ehestand: sie sollen ihre Augen eröffnen, und verstehen, was sich ihrem Stand gemäß gebühret. In den Zweifflen sollen sie einen bescheidenen gelehrten Beicht-Vatter Raths fragen, zu wissen, was ihnen zu, und was ihnen nicht zugelassen: dann fürwahr, auch sie selbsten können sich volltrincken in dem Wein ihres eigenen Weingartens.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 922-924.
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