Das neunte Capitel.

Ein Frau wird verdammet aus Mangel des wahren Vorsatz in der Beicht sich zu bessern.

[958] In dem Buch genannt Scala Cœli dist. 9. c. 15. Beschrieben von Erico, wird erzählet von einer gut adelichen Frauen, welche den prächtigen Kleider- und Geschmuck-Trachten, auch den weltlichen Eitelkeiten sehr ergeben war, folgender Verlauf.

Diese Frau hat etliche Kinder erzogen, darunter eines vor andern ein tugendlichen Wandel geführt, dem gefallet mit nichten das weltliche Leben: dahero kehret es den Rucken der Eitelkeit, verlasset alles das, was die Welt-Kinder ergötzet, begiebt sich in geistlichen Stand, wird ein Cistercienser Mönch, nimmet in kurtzer Zeit überaus zu in Vollkommenheit seines auserwählten geistlichen Stands. Unterdessen wird dieses frommen Mönchs sein Frau Mutter tödtlich kranck: Der geistliche Sohn kommet zu der Frau Mutter, stehet ihr treulich bey, erfreuet sich auch, daß er sie mit allen heiligen Sacramenten wohl versehen, gesehen sterben. Nachdem nun diese Frau Mutter von diesem Leben abgefordert worden, verrichtet er viel Meß-Opfer und viel inständiges Gebett zu GOtt, und casteyet sich mit strengen Buß-Wercken, damit ihr Seel die ewige Freud und Glückseligkeit, aus dem Fegfeur erlediget, geschwinder erlangen möchte. Indem überfallet ihne einsmahl ein Verzuckung, da siehet er ein Frau reuten auf einem Drachen, mit Feur-Flammen umgeben, auf beyden Seiten stunden bey ihr zwey Teufel, welche sie mit glüenden Ketten angeschmidet hielten: zu End der Ketten, zwey Hacken, die sie durchdringen, ihr Kopf war mit einem Nattergezücht anstatt der Haar bedecket, diese Natteren speißten sich von dem Hirn, zwey Scorpion zerbissen die Augen, zwo feurige Schermäuß hängten als Ohrgehäng an ihren Ohren, daran nagend und beissend: grimmige zwey Schlangen umhalseten, und troßleten sie dermassen heftig, daß sie nicht konte verschnauffen, sie verwickleten sich auf die Brüst, und zerbissen solche; an ihren Fingern waren glüende Ringlein: ihre Füß mit feurigen Ketten angeschmidet, klebeten an dem Bauch des Drachen. Ein Teufel tratte zu ihr, und zerstosset ihr die Zähn in dem Maul mit einem Stein, den er in seinem Handgrif gehalten.

In Ansehung dessen, war der fromme Geistliche mehr tod, als lebendig, und vor Schröcken, mit kalten Schweiß übergossen, konte kein ordentliches Wort aussprechen. Er beschauet dieses Gespenst ein Weil, doch möcht er es nicht erkennen, weilen es stillgeschwiegen. Bald aber darnach fangt es an zu reden, und [959] sprach: ich bin dein verfluchte Mutter, die ich kommen bin, dir anzudeuten, du wollest unterlassen für mich zu betten, und so viel Buß-Werck zu verrichten, dann ich bin zur ewigen Peyn der Höllen verdammet worden. Wie ist dieses geschehen? fragt der Sohn, ihr seyd bestermassen versehen worden mit allen zu dem Tod-Kampf gehörigen Sacramenten: wahr ist es, sprache sie, dannoch wann ich gebeicht, und mich von wegen meines eytlen Prachts hab angeklagt, war mir kein Eyfer mich zu besseren, noch auch ein rechtschaffene Reu und Leyd, daß ich ein so eytles Leben geführet, dahero wurde ich nicht gereiniget von meinen Sünden. Zur Stund meines Hinscheydens, gedachte ich diese Sünd meiner Eytelkeiten auszulassen, und nicht zu beichten, und GOtt liesse dies geschehen zur Straf meines üblen Brauchs, das ist die Ursach meines ewigen Verderbens. Was bedeuten aber, fraget der Geistliche, so unterschiedliche Peyn? darauf sie geantwortet, sprechend, ein jede Sünd hat sein besondere Straf, welche der strenge Richter über mich laßt ergehen. Der Drach peyniget mein Unehrbarkeit, und den empfindlichen Wollust, welchen ich zum öfteren mit bösen Begierden hab gehabt: die zwey Teufel verweisen mir immerdar die Aergernuß, welche ich meinen Hausgenossenen, und Benachbarten gegeben, und sie quälen mich wegen der üblen Meynung, die ich gehabt deinen Vatter zu bedienen, allein darum, daß ich sein Gemüth möchte einnehmen, aus seinen Händen zu bekommen Geld-Mittel, meiner prächtigen Weiß nachzusetzen die Natteren, welche meinen Kopf zerbeissen, straffen an mir alle Haupt-Zier, das geringlete Krausen, die freche Haar-Locken den fürwitzigen Uebermuth. Die Scorpion, welche mit unaussprechlichen Schmertzen die Augen zerstechen, peynigen mein unzüchtiges Umsehen: die Schermäuß, welche an Ohren hangen, seynd die Abstraffung der theuren Ohr-Gehäng, und der Anhörung der geylen Reden: die Schlangen, die mich troßlen, und an meinen Brüsten nagen, und beissen, seynd mir anstatt meiner köstlichen, und viel zu prächtigen Hals-Zier, und bezahlen das zugelassene unkeusche Umhalsen, mit welchen ich mich versündiget: die flammend, und glüende Ringlein seynd anstatt der Diamant-Steinlein, mit welchen ich gepranget: die glüende Fuß-Ketten, marteren die gestickte Stöckel-Schuh, welche ich fürwitzig gebraucht, und peynigen das eytel geschraufte daher gehen. Aber dieser abscheulichste Geist, einer aus den verdammten Teuflen quälet mich mehr dann alle jetzt erzählte Peynen, er schlagt mir das Maul und Zähn mit dem Stein unaufhörlich, weilen ich viel gemurret, unehrbare Wort geredet, und doch in der Beicht das, was ich heraus zu reden schuldig war, nicht geredet, und meine Sünd nicht bekennet. Das ist die Ursach meiner Verdammnuß, nichts kan mir nun helffen, dein bittliches und Buß-führendes [960] Thun ist umsonst. Nach Abredung dessen, ist sie verschwunden: verließ also in kümmerlicher Betrübnuß ihren Sohn, und sie gab allen, mit ihrem unersetzlichen Schaden diese Lehr: man soll doch mit kräftigem Vorsatz rechtmäßig beichten.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 958-961.
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