Das sechzehende Capitel.

Ein seltsame Geschicht, mit welchem eben dieses wird bestättiget.

[980] Laßt uns anhören einen traurwürdigen Zufall, welcher in unsern Zeiten sich zugetragen, diesen beschreibt ein Pater aus der Gesellschaft JEsu, dessen Zeugnuß aufrichtig, dann er selbsten der Beichtvatter gewesen, der diesem sündigen Menschen beygestanden.

Zu Seviglia befand sich ein Handelsmann, welcher seinem Gewinn nachgereiset, und mit einer geliebten Weibs Person in die Indianische Länder fortzuschiffen sich begeben: Etlich Tag lang ist diese ihr Schiffahrt glücklich abgeloffen, darauf aber entstanden ein grausames Ungewitter, welches die Schifleut genöthiget, die schwere Waaren in das Meer zu werfen: Alle in dem Schif verhandene suchten zu beichten, und schryen um die Barmhertzigkeit GOttes: Darunter auch haben diese zwey Verliebte den Vorsatz gemacht, die unreine Lieb zu verlassen, sie wollen nimmermehr wiederum sündigen. GOtt gebe Kraft diesem Eifer: aber ich förchte, er währet nicht länger, als das trübe Ungewitter. Mit guten Wetter kamen die böse Gelüsten wiederum, man vergisset in schöner Zeit des guten Vorsatzes, welchen der verwichene Donner, und Sturm hat eingejaget. Dann nicht anderst ist es ergangen, wie sich der Wind gelegt, die trüben Wolcken entflogen, und der Himmel ist ausgeheitert worden: sie ländeten zu Manila an, und vollendeten sich alle gute neulich gemachte Vorsätz, es gieng auf ein neues wiederum an, die schändliche, und sündliche Lieb dieser zweyen. Uber ein Zeit, ereignet sich wiederum für diesen Kaufmann ein gute Gelegenheit abzuschiffen, und die Güter in Sicherheit zu stellen: er nimmet gleichfalls mit sich sein Geliebte. Man seglet ab bey guten Wind, die Schiffahrt gehet wohl von statten, etlich Tag und Nacht lauffen glücklich mit sanftem Wind dahin: unversehens überziehet sich der Himmel, das Meer bäumet sich auf, es streiteten zwey widerwärtige Sturm-Wind gegen einander, die Wellen erhebten sich mehr und mehr, Regen und Schauer, Blitz und Donner vermischten den Luft, der Tag gieng ab, die Nacht ziehet auf, und alle Hofnung entfiele den Schiffenden: das Schif stosset an den Felsen mit solchem Gewalt, daß es zu Trümmeren zerbrochen[980] und fast alle untergangen. Der Kaufmann schwimmet in mitten der Wellen, bis daß er ein Tafel vom zerbrochenen Schif erreicht, darauf er sich fest haltend, die Ausflucht, und Erhaltung des Lebens gesucht: Das Weib aber zwischen den Wellen und Tods-Gefahr gantz und gar erbleichet: begegnet eben dieser Schif-Tafel hanget und haltet sich daran, auf dem andern Ort, daß beyde also dem vor Augen schwebenden Tod entrunnen. Diese Noth lehret sie das unzüchtige Leben verdammen. Ach! schryen sie, verflucht seye alle Unreinigkeit unsers sündigen Lebens: aller fleischlicher Wollust sey immerdar vermaledeyt, dann er bringt nichts als Unheyl, und Verderben. O gütigster GOtt! strecke aus dein Hand, uns Sünder aus der Gefahr zu erretten. Ach! wie viel ein anderes Leben werden wir hinfüro anfangen zu führen. Das Ungewitter regierte durch die gantze Nacht, gegen dem Tag aber stillet sich der Himmel, und das Meer: zu anbrechendem Tag-Liecht befanden sich diese zwey nahend bey dem Ufer, und waren mehr den Tods verblichenen, als den Lebendigen gleich, weilen sie dem Rachen des Tods und der Höllen kümmerlich entrunnen: sie leisteten eines dem andern Hülf, so viel als sie konten, sie kehreten zu Land wiederum nach der Stadt Manila.


Nun möchte man vermeynen, diese wurden sich in Clöster und Wüsten verschlieffen, Buß zu thun, den billich über ihre Sünd erzürnten GOtt zu versöhnen, er zwar wurde die Strengheit der Carthäuser, das Weib aber die Marsilianische Höhlen auserwählen, mit Weynen und Betten ihre Seelen zu remigen, und das übrige Leben bestermassen in der Bußfertigkeit zubringen. Nichts wenigers als dieses gienge ihnen zu Hertzen, nachdem alle Gefahr entgangen, und sie sich in der Sicherheit befanden, beliebet ihnen das unzüchtige schändliche Leben gleich wie zuvor, sie wältzeten sich als Schwein in dem sündlichen Koth ihrer Geilheit, gedachten nicht mehr auf den in der Gefahr so hoch und theur gemachten Vorsatz. GOtt der HErr suchte den Kaufmann heim mit einer tödtlichen Kranckheit, der Leib-Artzt wird beruffen, und da er die Puls gegriffen, ermahnet er ihn, daß eine grosse Gefahr vorhanden, er soll bey Zeiten darzu thun, seine Seel und Seeligkeit zu versorgen, er wolle sich mit den HH. Sacramenten versehen, und seinen letzten Willen nach Anordnung seiner Sachen verzeichnen lassen. Ach! wehe was wird mir das Beichten helfen? sprach der Krancke, ich bin des Teufels Eigenthum. Meiner Seel ist nicht zu helfen, meine Sünden seynd nicht zu vergeben. Grausame Wort waren diese in den Ohren der Hausgenossenen und Umstehenden; daher fanden sie gut zu seyn eylends den Beichtvatter aus dem Collegio der Jesuiter zu beruffen.

Der Pater saumete sich nicht, kommet, und besuchet den Krancken, aber [981] der Krancke redet den Pater alsobald an, was wolt ihr euch plagen mein Pater, es ist mit mir verhaußt, ich bin schon verdammet, mein Herr, sprach entgegen der Beichtvatter: was seynd das für kleinmüthige Wort, bekennet mir es, in wem bestehet euer Mißtrauen? Er antwortete: in meinen abscheulichen und greulichen Sünden meines Lebens, darauf erzählet er den Verlauf und allen Zustand seines Lebens, wie vorhero gemeldet worden, und schließlich sprach er: was vermeynet ihr mein Pater, hab ich nicht tausendmahl die höllische Verdammnus verdienet? der Beichtvatter antwortet: mein Herr, wiewohlen es deme also wäre, dannoch ist es nicht die Wahrheit, daß ihr hertzlich bereuet alles, was ihr sündlich gethan habt; euer Wunsch wäre, ihr hättet niemahlen gesündiget, mein Pater, sprach der Krancke, wann dieses mein Wunsch nicht wäre, so wolte ich lieber, ich wäre nie nicht gebohren worden, oder lieber tausendmahl tod gewesen, als jemahlen eine Todsünd gethan, und meinen GOtt beleydiget; gebet mir die Hand darauf, und ich versprich euch die Barmhertzigkeit GOttes, Verzeyhung euerer Sünden, und das ewige Heyl; kann ich dann seelig werden? warum das nicht, ja die Seeligkeit ist versichert; also unterredeten sie sich, und der Pater fienge an ihne darzu zu bereden. Vor allen schaffet er ab das Weib, fort mit ihr aus dem Haus, der Krancke sprach: nur fort mit ihr, Ach! hätte ich diese niemahl gekennet: das boßhafte Weib muste weichen. Darnach beichtet er, mit Anzeigen grosser Reu alle seine Sünden, er wird absolviert, und findet sich sehr getröst, er machet kein End, die Patres der Gesellschaft zu loben. Bald darnach kommet der Medicus oder Leib-Artzt besuchte seinen Patienten, und befindet an ihm eine Besserung, dann aus innerlicher Ruhe der Seelen, empfande auch der Leib eine merckliche Erquickung; also zwar, daß dazumahlen der Zustand keine tödtliche Gefahr gehabt. Solches war allen Befreunden ein fröhliche Zeitung, sie besuchten, und erfreuten sich mit ihme, alle sprachen, wohl ein wunderbarliche Gesundheit ist diese! Ist es dann besser mit mir? fraget der Krancke: bin ich ausser der Gefahr? warum hat man mich so eylends bethöret mit dem Beichten? wie unbescheyden hat man das Weib, die arme Haut aus dem Haus gestossen; geschwind ruffet es, und laßt es herein zu mir kommen; der Schlepsack das Weib kommet wiederum gantz betrübet, weilen sie so schändlich aus dem Haus gestossen worden; was beliebet dir, was wilst du von mir haben? sprach der Krancke: der Pater Jesuiter ist gar unbescheyden gewesen, ich hab es höchst empfunden; jetzt aber, sagt der Medicus mein Leib-Artzt, ich sey ausser der Gefahr; das Weib weynet über den Krancken, der Krancke aber nahme sie bey der Hand, und wolte sie befriedigen, die Angesicht naheten sich zusammen, und er gab einen Kuß dieser seiner Buhlschaft, dem Teufel zugleich [982] gab er sein unbußfertige Seel, stirbt also in den Händen, und in Umfangen der unreinen Lieb, welche ihme worden ist zu einem Stein des Anstoß, darüber dieser elende Mensch in das ewige Verderben ist gefallen.


Von dergleichen Widerruffer, welche ihre Sünd und Sünd-Gefahren wiederum zu sich beruffen, spricht recht und wohl der Heil. Basilius, solche seynd zu vergleichen dem König Saul. Dieser wurde von David mit gut gestimmtem Harpfen-Klang von des Teufels Anfechtung befreyet, dannoch zu Lohn dessen, Nisus est configere David lancea in pariete: bemühet er sich den David mit einer Lantzen an die Wand zu spissen: als wann deßwegen ihme seine Gesundheit wäre ertheilet, und das Leben erhalten worden, damit er beleydigen, oder um das Leben bringen konnte den, welcher ihne so lieblich erhalten hat. Durch unsere Todtsünden werden wir des Teufels Seel und Leibeigene. Christus der Sohn Davids erbarmet sich über uns, und erlöset uns von der teuflischen Sclaverey mit seiner Harpfen des heiligen Creutzes, daran er hangend eine liebliche Music mit seinem Leyden aufgemacht, daß hierdurch unsere Sünden und der höllische Feind verjaget, wir aber in seinem Blut geheylet werden. Und nun an statt der Danckbarkeit wollen wir ihn auf ein neues beleydigen, verspotten, geißlen, mit Backenstreichen schlagen und creutzigen; ist dieses der Danck gegen GOtt? bist du deßwegen deiner Kranckheit, dem Tod und der Höllen entzucket worden, auf daß du deinen Erlöser auf ein neues beleydigen sollest? dieses thust du und auch wir, so oft unsere Buß sich wiederum wendet nach der Sünd.


O Christliche Seel! der HErr Christus ist gar zu sehr bißhero beleydiget und gemartyret worden, mache keine Geissel, schärffe keine Lantzen, giesse nicht ab Gallen und Myrrhen, ihne zu peynigen: Ach! zu keiner Zeit mehr solst du ihn beleydigen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 980-983.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Papinianus

Papinianus

Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon