6. Auff die wunderbahre Wirckungen des Gemühts und des Glücks

[171] Dass heut' ich Freuden-voll, bedachtsam und gescheut,

Und morgen saur, zerstört, und voller Traurigkeit

Und diss wie das ohn' Ursach bin;

Dass heut' ich gantz gewiss gewinn',[172]

Und morgen gantz gewiss verspiel';

Dass dieser Wechsel hält gesetzte Maass' und Ziel,

Doch offtmahls früher kommt, bald später sich einfindt,

Ist das, was niemahls noch Descartes1 hat ergründt.

Zwar steh' ich offtmahls auf der Wach',

Und suche mit Begier diss unerforschte Guth;

Ich grüble Zeit und Stunde nach:

Umsonst! Es ist des Glücks, des Haubtes Ebb' und Fluth.


Fußnoten

1 Descartes. Ich wil hoffen man werde eben hieraus nicht schliessen, dass ich ein gewaltiger Carthesianer bin, sintemahl ich hier den Descartes dem Aristoteles allein deswegen vorgezogen habe, weil jener nicht so weitläuftig als dieser, ich wil sagen weil er weniger Füsse hat, und folgends leichter in den Vers zu bringen gewesen.


Quelle:
Christian Wernicke: Epigramme, Berlin 1909, S. 171-173.
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