2.
Wie Gabriotto seinem gsellen Reinhart seines vatters fürnemen zů wissen thůt, und wie ihm Reinhart verspricht, mit ihm zů ziehen, wa er hin beger.

[194] Traurig und übel zů můt was Gabriotto, als er von seinem vatter gangen was; ye lenger er der freündtschafft unnd trewe seines gesellen Reinhardts nachgedencken ward, ye mehr in sein wegscheyden bekümmern thet. Von stund an gieng, da er Reinhart vermeynt zů finden, das dann nach seinem willen geschach. Er fand ihn auff einem lustplatz, da er mit andren seines gleichen den ballen schlagen thet, des sye beyd ein sunder freüd hetten, so sye den ballen schlůgen. Gabriotto sich aber damals des ballen nit annam, mit manchem seüfftzen und traurigem angesicht Reinhart, seinen gsellen, ansehen[194] ward. Des Reinhart bald vernam, zů im gieng und sprach: ›Vie dem, Gabriotto? Woltest nit auch ein hoffrecht mit dem ballen erzeygen? Sag mir, was meynet dein trawriges angesicht?‹ Gabriotto zů im sprach: ›Mein anligen, Reinhart, du von mir vernemmen solt, so du dich anderst nit verdrießen laßest unnd ein klein mit mir da dannen gohn wilt.‹ Reinhart nit lenger verziehen wolt, seinen mantell umbwarff; von stund an mit Gabriotto zů der statt hinauß uff einen lustigen anger giengen, sich under einer linden bey einem kůlen brunnen zůsamen satzten.

Gabriotto anfieng und sprach: ›Mein allerliebster brůder und gsell, du solt wissen, du allein ein ursach meines trawrens bist. Dann du wol weyst, in was liebe und freündtschafft wir allzeit gegen einander gestanden seind, die sich aber nun zůmal (gott erbarms!) enden will, wiewol das nit mit meinem willen absicht.‹ Hiemit im den willen seines vatters gäntzlich entdecket. Da nun Reinhart vernam die ursach seines liebsten gesellen, darumb er dann also betrübt was, Reinhart anfieng und sprach: ›Mein allerliebster Gabriotto, du solt wissen, ehe dann du mir die ding halb erzalt hast, ich mein rechnung schon volligklichen beschlossen hat. Du weyst mich hie zů Paryß vatter und můterloß wonen; und wiewol ich in Pariß erzogen und erboren bin, noch laß ich mich beduncken, so du allein nit werest, wolt ich gleich als mer anderswo als hie mein leben schließen. Dann mir der pfennig nit mer hie zů Pariß gilt als an einem frembden ort. So hab ich mein hab und gůt fast in zinß unnd gilte, die ich dann, so ich will, in kurtzer zeit zů barem gelt machen. Damit ichs leichtlich nach meinem willen bringen mag, war mich lust. Darumb, mein allerliebster Gabriotto, wöllest allen unmůt meinethalb zůruckschlagen. Dann ich dir versprich bei dem todt meines vatters, nymmer von dir zů weichen, es scheide dann mich oder dich der todt; und dabei soll es beston krefftigklich. Und so erst dise fürgenummen reiß beschicht, so lieber es mir sein soll. Vermeynest du, mir müglich sein solt, zů Parciß zů wonen, so du an einem andren ort von mir werest? Nein, on zweyffel nimmer beschehen würt. Dann ich weder hie noch an einem andren ort on dich sein will.‹[195]

Gabriotto seines gesellen red wol vernummen hat. Wer was frölicher dann Gabriotto! Von newem einander trew und freundtschafft gelobten, auffstunden, mit einander in die statt giengen. In dem die zeit des nachtmals kummen was; mit einander das nachtmal sampt Gernier, Gabriotten vatter, namen, von vil und mancherley sachen under dem nachtmal zů red wurden.

Quelle:
Georg Wickram: Werke. Band 1, Tübingen 1903, S. 194-196.
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